Der amerikanische Hirnforscher Michael Persinger von der Laurentian University im kanadischen Sudbury gilt als bekanntester Vertreter der neuen wissenschaftlichen Strömung der "Neurotheologie". Dahinter verbirgt sich der Versuch von Neurowissenschaftlern, religiöse Erfahrungen neurophysiologisch zu erklären. Vor 14 Jahren baute Persinger einen Helm, der im Gehirn ein Magnetfeld aufbaute. Er behauptete, mit diesem Helm in seinem Labor quasi auf Knopfdruck religiöse Erlebnisse bei den Probanden hervorrufen zu können. Der umgebaute Motorradhelm konnte also offenbar das Gehirn der Versuchsteilnehmer in "göttliche Schwingungen" versetzen. Einige der Versuchsteilnehmer, die in Persingers schalldichter Kammer saßen, meinten, etwas oder jemanden neben sich gespürt zu haben, einen Engel, Gott oder den Teufel.
Von diesen Berichten neugierig gemacht, reiste auch der britische Biologe Richard Dawkins, der "unversöhnlichste Religionsgegner der Gegenwart", wie die "Zeit" ihn nennt, nach Sudbury, Er setzte sich Persingers "Religions-Helm" auf, der fälschlicherweise oft "Gottes-Helm" genannt wird. Er sei "sehr enttäuscht", sagte Dawkins nach dem Versuch. Er habe überhaupt nichts gespürt.
Einen Knacks bekam die Theorie vom ein- und ausschaltbaren Glauben auch durch einen Versuch, der an der Universität von Uppsala in Schweden durchgeführt wurde. Der schwedische Psychologe Pehr Granqvist stellte den Versuch von Persinger nach, machte aber daraus ein Doppelblindexperiment. Das heißt: Nur bei der Hälfte seiner Versuchspersonen wurde das Magnetfeld wirklich eingeschaltet, bei der anderen blieb es aus.
Das Ergebnis: Es war egal, ob die Personen einer Magnetstimulation ausgesetzt waren, oder nicht. Es reichte, dass die Probanden erwartungsvoll im Dunkeln saßen, abgeschnitten von allen äußeren Reizen, und schon spürten viele von ihnen etwas Göttliches. Am Ende war die Zahl der Mystikerlebnisse in beiden Gruppen gleich groß. "Zeit"-Redakteur Ulrich Schnabel stellt fest: "Was in Persingers Versuchsanordnung wirkt, ist nicht etwa die Magnetstimulation, sondern vor allem die Kraft des eigenen Glaubens."
Wissenschaftler: Wer’s glaubt, bei dem funktioniert’s
Der schwedische Psychologe kam zu dem Ergebnis, es hänge vor allem von der "persönlichen Charakteristik" ab, ob jemand bewusstseinserweiternde Erfahrungen mache oder nicht. Wer dafür aufgeschlossen sei, erlebe eher etwas Übersinnliches unter dem Helm.
Besonders in den vergangenen Jahren hätten sich Wissenschaftler vermehrt mit dem Glauben beschäftigt, stellt "Zeit"-Autor Ulrich Schnabel fest. "Denn seit von der ‚Rückkehr der Religion‘ die Rede ist, haben auch die nüchternen Naturwissenschaften ihr Interesse an einem Thema entdeckt, das zuvor ausschließlich in die Zuständigkeit der geisteswissenschaftlichen Disziplinen zu fallen schien. (…) Hirnforscher haben meditierende Mönche in den Kernspintomografen geschoben, andere durchleuchteten das Hirn frommer Christen beim Psalmrezitieren, Mediziner untersuchten den Einfluss von Gebeten auf den Heilungsprozess von Kranken, und Psychologen ermittelten, ob Gläubige schneller genesen als Ungläubige." Viele dieser Experimente ergäben ein ähnliches Ergebnis: Ob eine religiöse Praxis eine Wirkung auf Körper und Psyche hat, hängt vor allem von den Vorstellungen und Werten der Personen ab, kurzum: von ihrem Glauben.
Das zeigen auch die Experimente der Hirnforscherin und Theologin Nina Azari. An der Universität Düsseldorf ging sie der Frage nach, welche Auswirkungen religiös bedeutungsvolle Texte auf das Gehirn haben. Die Amerikanerin, die an einer Enzyklopädie der Wissenschaften und Religionen arbeitet, untersuchte zwei Gruppen von Menschen: zum einen Mitglieder einer evangelikalen Freikirche, zum anderen sechs entschiedene Atheisten. Alle mussten den Psalm 23, ein Kinderlied und aus dem Düsseldorfer Telefonbuch vorlesen, während ihre Hirnaktivität mit dem Kernspintomografen gemessen wurde. Das Ergebnis zeigte, dass das Psalmlesen tatsächlich bei den Christen andere Hirnareale aktivierte als bei den Atheisten. Und zwar vor allem die Hirnbereiche, die für die Bewertung sozialer Beziehungen sowie für die Selbst- und Fremdwahrnehmung, Lernen und Erinnerung wichtig sind.
Eine Schlussfolgerung Azaris lautete: Religiöses Erleben ist keine zwingende Reaktion des Gehirns auf bestimmte Reize, Rituale oder Meditationstechniken, sondern hängt entscheidend vom sozialen Kontext und von der persönlichen Einstellung eines Gläubigen ab. Auch die ausgefeilteste Neurowissenschaft könne uns deshalb nie etwas über Gott erzählen, sagt Nina Azari, und zwar aus einem einfachen Grund: "Das Studienobjekt der Hirnforschung ist der Mensch – und eben nicht Gott."
Der Religionspsychologe Sebastian Murken untersuchte in der onkologischen Fachklinik in Bad Kreuznach, inwiefern Brustkrebspatientinnen besser geheilt wurden, wenn sie gläubig waren. Es stellte sich heraus, dass eine religiöse Orientierung tatsächlich bei der Bewältigung von Krankheiten helfen kann. Allerdings erging es jenen Patientinnen besser, die ein positives Gottesbild hatten. Nach dem Motto "Was Gott tut, das ist wohlgetan" konnten sie offenbar ihre Brustkrebs-Erkrankung viel besser annehmen. Wer von den Patientinnen dagegen das Bild eines strengen, strafenden Gottes im Herzen trug, litt in der Klinik verstärkt unter Angst- und Depressionszuständen. Diese Frauen sahen ihren Brustkrebs als Strafe für vergangene Sünden an. Murken fasste seine Ergebnisse mit dem Satz zusammen: "Eine Religion hilft vor allem denen, die stark daran glauben, dass sie ihnen hilft."
Die "Zeit" fügt hinzu: "Ob Begriffe wie Gott, Buddha oder Allah für uns eine Relevanz entwickeln und wirksam werden, hängt allein von uns selbst ab. Die Frage, ob sie nun ‚tatsächlich‘ existieren oder sich beweisen lassen, ist dabei zweitrangig, wenn nicht gar irrelevant. An dieser Tatsache beißen sich selbst die härtesten Religionskritiker wie Richard Dawkins die Zähne aus." (pro)
Von diesen Berichten neugierig gemacht, reiste auch der britische Biologe Richard Dawkins, der "unversöhnlichste Religionsgegner der Gegenwart", wie die "Zeit" ihn nennt, nach Sudbury, Er setzte sich Persingers "Religions-Helm" auf, der fälschlicherweise oft "Gottes-Helm" genannt wird. Er sei "sehr enttäuscht", sagte Dawkins nach dem Versuch. Er habe überhaupt nichts gespürt.
Einen Knacks bekam die Theorie vom ein- und ausschaltbaren Glauben auch durch einen Versuch, der an der Universität von Uppsala in Schweden durchgeführt wurde. Der schwedische Psychologe Pehr Granqvist stellte den Versuch von Persinger nach, machte aber daraus ein Doppelblindexperiment. Das heißt: Nur bei der Hälfte seiner Versuchspersonen wurde das Magnetfeld wirklich eingeschaltet, bei der anderen blieb es aus.
Das Ergebnis: Es war egal, ob die Personen einer Magnetstimulation ausgesetzt waren, oder nicht. Es reichte, dass die Probanden erwartungsvoll im Dunkeln saßen, abgeschnitten von allen äußeren Reizen, und schon spürten viele von ihnen etwas Göttliches. Am Ende war die Zahl der Mystikerlebnisse in beiden Gruppen gleich groß. "Zeit"-Redakteur Ulrich Schnabel stellt fest: "Was in Persingers Versuchsanordnung wirkt, ist nicht etwa die Magnetstimulation, sondern vor allem die Kraft des eigenen Glaubens."
Wissenschaftler: Wer’s glaubt, bei dem funktioniert’s
Der schwedische Psychologe kam zu dem Ergebnis, es hänge vor allem von der "persönlichen Charakteristik" ab, ob jemand bewusstseinserweiternde Erfahrungen mache oder nicht. Wer dafür aufgeschlossen sei, erlebe eher etwas Übersinnliches unter dem Helm.
Besonders in den vergangenen Jahren hätten sich Wissenschaftler vermehrt mit dem Glauben beschäftigt, stellt "Zeit"-Autor Ulrich Schnabel fest. "Denn seit von der ‚Rückkehr der Religion‘ die Rede ist, haben auch die nüchternen Naturwissenschaften ihr Interesse an einem Thema entdeckt, das zuvor ausschließlich in die Zuständigkeit der geisteswissenschaftlichen Disziplinen zu fallen schien. (…) Hirnforscher haben meditierende Mönche in den Kernspintomografen geschoben, andere durchleuchteten das Hirn frommer Christen beim Psalmrezitieren, Mediziner untersuchten den Einfluss von Gebeten auf den Heilungsprozess von Kranken, und Psychologen ermittelten, ob Gläubige schneller genesen als Ungläubige." Viele dieser Experimente ergäben ein ähnliches Ergebnis: Ob eine religiöse Praxis eine Wirkung auf Körper und Psyche hat, hängt vor allem von den Vorstellungen und Werten der Personen ab, kurzum: von ihrem Glauben.
Das zeigen auch die Experimente der Hirnforscherin und Theologin Nina Azari. An der Universität Düsseldorf ging sie der Frage nach, welche Auswirkungen religiös bedeutungsvolle Texte auf das Gehirn haben. Die Amerikanerin, die an einer Enzyklopädie der Wissenschaften und Religionen arbeitet, untersuchte zwei Gruppen von Menschen: zum einen Mitglieder einer evangelikalen Freikirche, zum anderen sechs entschiedene Atheisten. Alle mussten den Psalm 23, ein Kinderlied und aus dem Düsseldorfer Telefonbuch vorlesen, während ihre Hirnaktivität mit dem Kernspintomografen gemessen wurde. Das Ergebnis zeigte, dass das Psalmlesen tatsächlich bei den Christen andere Hirnareale aktivierte als bei den Atheisten. Und zwar vor allem die Hirnbereiche, die für die Bewertung sozialer Beziehungen sowie für die Selbst- und Fremdwahrnehmung, Lernen und Erinnerung wichtig sind.
Eine Schlussfolgerung Azaris lautete: Religiöses Erleben ist keine zwingende Reaktion des Gehirns auf bestimmte Reize, Rituale oder Meditationstechniken, sondern hängt entscheidend vom sozialen Kontext und von der persönlichen Einstellung eines Gläubigen ab. Auch die ausgefeilteste Neurowissenschaft könne uns deshalb nie etwas über Gott erzählen, sagt Nina Azari, und zwar aus einem einfachen Grund: "Das Studienobjekt der Hirnforschung ist der Mensch – und eben nicht Gott."
Der Religionspsychologe Sebastian Murken untersuchte in der onkologischen Fachklinik in Bad Kreuznach, inwiefern Brustkrebspatientinnen besser geheilt wurden, wenn sie gläubig waren. Es stellte sich heraus, dass eine religiöse Orientierung tatsächlich bei der Bewältigung von Krankheiten helfen kann. Allerdings erging es jenen Patientinnen besser, die ein positives Gottesbild hatten. Nach dem Motto "Was Gott tut, das ist wohlgetan" konnten sie offenbar ihre Brustkrebs-Erkrankung viel besser annehmen. Wer von den Patientinnen dagegen das Bild eines strengen, strafenden Gottes im Herzen trug, litt in der Klinik verstärkt unter Angst- und Depressionszuständen. Diese Frauen sahen ihren Brustkrebs als Strafe für vergangene Sünden an. Murken fasste seine Ergebnisse mit dem Satz zusammen: "Eine Religion hilft vor allem denen, die stark daran glauben, dass sie ihnen hilft."
Die "Zeit" fügt hinzu: "Ob Begriffe wie Gott, Buddha oder Allah für uns eine Relevanz entwickeln und wirksam werden, hängt allein von uns selbst ab. Die Frage, ob sie nun ‚tatsächlich‘ existieren oder sich beweisen lassen, ist dabei zweitrangig, wenn nicht gar irrelevant. An dieser Tatsache beißen sich selbst die härtesten Religionskritiker wie Richard Dawkins die Zähne aus." (pro)