„Gott – eine gute Idee?“ – das ist ein Thema mit explosivem Potenzial. Dazu passte auch die Besetzung der Talkrunde: Die erzkatholische Publizistin Gabriele Kuby, der evangelische Theologe Jürgen Mette, der Vorsitzende der islamischen Gemeinde Marburg, Bilal El-Zayat, der Religionspsychologe Sebastian Murken und einer der führenden Atheisten in Deutschland, Joachim Kahl vom Humanistischen Verband Deutschland, saßen auf den beigefarbenen Sesseln um Moderator Tobias Essinger.
Das E-Café in Gießen ist eine Talkshow, die überwiegend von Gießener Studenten organisiert wird. In den regelmäßigen Diskussionen geht es oft um Themen, die die Gesellschaft bewegen. Die Qualität kann sich durchaus sehen lassen: Professionelles technisches Equipment, hochkarätige Gäste – gepaart mit dynamischem studentischem Flair ist das eine interessante Mischung. Etwa 80 Zuschauer passen in die Räume, die die Stadt zur Verfügung stellt. Außerdem können Interessierte die Sendung im Internet verfolgen und kommentieren, dieses Mal waren es laut Veranstalter 700 Personen.
„Das sind militante Formen“
Für den Atheisten Kahl ist die Sache klar: Gott ist nicht real. Deswegen habe er auch seinen theologischen Doktorgrad als „innerer Atheist erworben“, um sich dann endgültig vom christlichen Glauben zu verabschieden. Kahl betonte, er sei ein „Atheist mit agnostischer Färbung“, er lehne Gott also ab, sei aber dialogbereit und offen für andere Meinungen. Schließlich könne man nicht beweisen, ob es Gott gebe oder nicht. Er selbst bezeichnete sich als „Kritiker des Neuen Atheismus‘“, einer Bewegung, zu der er Richard Dawkins und Michael Schmidt-Salomon zählt: Ihre Äußerungen seien „militante, mir unsympathische Formen“.
Die Katholikin Kuby erzählte, dass sie sich 1997 zu Jesus Christus bekehrte und seither gläubige Katholikin ist. Jürgen Mette berichtete, wie er trotz seiner Parkinson-Erkrankung an Gott festgehalten und dadurch Trost und Kraft erfahren habe. Außerdem seien die Bibel und der christliche Glaube kein „in sich geschlossenes Verteidigungsbollwerk“, sondern offen für Anfragen von außen. Seine authentische und humorvolle Art traft bei den Internet-Nutzern auf viel Zustimmung.
„Die Terroristen wissen das: 25 Jungfrauen!“
Der Muslim El-Zayat erzählte, wie wichtig die Fastenzeit des Ramadan für ihn sei, die an diesem Tag angefangen hatte. Wann er denn wieder etwas zu sich nehmen dürfe, wollte Essinger wissen. „Um 21.47 Uhr“, sagte El-Zayat, der das vor ihm stehende Wasserglas nicht anrührte. Die Fastenzeit sei für ihn eine Zeit der Reinigung, in der er versuche, ein besserer Mensch zu werden.
Jeder erzählte ein wenig von sich, während die zuvor geforderte Harmonie und Toleranz auf jeden Fall zu spüren war. Nur: Eine echte Diskussion entwickelte sich nur an wenigen Stellen. Auch dann redeten die Talk-Gäste manchmal aneinander vorbei. Joachim Kahl versuchte fortwährend zu beweisen, dass es Gott nicht geben könne – dass man das könne, hatte er ja zuvor ausgeschlossen.
Mit dem Philosophen Epikur meinte er: Gott ist entweder nicht allmächtig oder nicht allgütig. Punkt. Die beiden Christen Kuby und Mette sowie der Muslim El-Zayat stellten stattdessen heraus, was ihnen der Glaube an Gott eigentlich bringe: Vergebung, Halt, Stabilität, die Fähigkeit, Leid zu ertragen. Kurz: Die Gläubigen verschwiegen, warum es aus ihrer Sicht Gott überhaupt gebe, während der Atheist verschwieg, wie ein Mensch ohne Gott Leid ertragen könne.
Bis hierhin war die Debatte zumindest respektvoll. Dann aber passierte, was bei diesem Thema zu befürchten war. Als Kahl fragte, was es einer 20-fach vergewaltigten Frau denn bringen würde, wenn sie auf das Jenseits vertröstet werde, antwortete die Katholikin Gabriele Kuby: „Die Terroristen wissen das – 25 Jungfrauen!“ Ein Raunen ging durch die Menge, Kopfschütteln in den Reihen.
„Das ist doch Mumpitz“
Und so wurde aus dem anfangs sehr toleranten Gespräch eine Auferstehung der alten Fronten – nur eben ohne dass die Diskussion ein Austausch von Argumenten war, sondern ein Austausch von Sichtweisen. Joachim Kahl spottete, die katholische Lehre, nach der sich die Hostie in der Eucharistie in den Leib Christi verwandle, sei doch „Mumpitz“, wobei die Wortwahl von Mette gerügt wurde. Der bemühte sich die ganze Zeit über, gegenseitigen Respekt trotz unterschiedlicher Auffassungen zu betonen, musste aber feststellen, dass sich vor allem Kahl nicht immer daran hielt. Warum die katholische Lehre aber vielleicht kein Mumpitz ist, erklärte auch die Katholikin Kuby nicht.
Der Religionspsychologe Murken nahm an der Diskussion nicht teil, sondern fungierte als Beobachter. Er erklärte, warum Menschen aus psychologischer Sicht nach Gott suchen, was bei einer Bekehrung geschieht, dass Glaube manchmal helfen kann und manchmal ein Hindernis ist. Zustimmung bekam er dafür von allen Seiten. Die Diskussion brachte er allerdings nicht voran.
Als die Sendung im Grunde schon vorbei war und Moderator Essinger zur Verabschiedung ansetzte, sah Kahl sich noch einmal genötigt, gegen die Christen zu schießen – sie seien zum Beispiel bis ins 20. Jahrhundert Gegner von Freiheit und Demokratie gewesen. Darauf sah sich Kuby ihrerseits gezwungen, zu betonen, dass es „kein höheres Bild vom Menschen gebe als das des Christentums“. Und doch machte man an einem Punkt gemeinsame Sache: Als der Muslim El-Zayat sein Wasserglas um 21.47 Uhr ansetzte und trank, klatschten die Talkgäste eifrig Beifall. (pro)
Das E-Café in Gießen ist eine Talkshow, die überwiegend von Gießener Studenten organisiert wird. In den regelmäßigen Diskussionen geht es oft um Themen, die die Gesellschaft bewegen. Die Qualität kann sich durchaus sehen lassen: Professionelles technisches Equipment, hochkarätige Gäste – gepaart mit dynamischem studentischem Flair ist das eine interessante Mischung. Etwa 80 Zuschauer passen in die Räume, die die Stadt zur Verfügung stellt. Außerdem können Interessierte die Sendung im Internet verfolgen und kommentieren, dieses Mal waren es laut Veranstalter 700 Personen.
„Das sind militante Formen“
Für den Atheisten Kahl ist die Sache klar: Gott ist nicht real. Deswegen habe er auch seinen theologischen Doktorgrad als „innerer Atheist erworben“, um sich dann endgültig vom christlichen Glauben zu verabschieden. Kahl betonte, er sei ein „Atheist mit agnostischer Färbung“, er lehne Gott also ab, sei aber dialogbereit und offen für andere Meinungen. Schließlich könne man nicht beweisen, ob es Gott gebe oder nicht. Er selbst bezeichnete sich als „Kritiker des Neuen Atheismus‘“, einer Bewegung, zu der er Richard Dawkins und Michael Schmidt-Salomon zählt: Ihre Äußerungen seien „militante, mir unsympathische Formen“.
Die Katholikin Kuby erzählte, dass sie sich 1997 zu Jesus Christus bekehrte und seither gläubige Katholikin ist. Jürgen Mette berichtete, wie er trotz seiner Parkinson-Erkrankung an Gott festgehalten und dadurch Trost und Kraft erfahren habe. Außerdem seien die Bibel und der christliche Glaube kein „in sich geschlossenes Verteidigungsbollwerk“, sondern offen für Anfragen von außen. Seine authentische und humorvolle Art traft bei den Internet-Nutzern auf viel Zustimmung.
„Die Terroristen wissen das: 25 Jungfrauen!“
Der Muslim El-Zayat erzählte, wie wichtig die Fastenzeit des Ramadan für ihn sei, die an diesem Tag angefangen hatte. Wann er denn wieder etwas zu sich nehmen dürfe, wollte Essinger wissen. „Um 21.47 Uhr“, sagte El-Zayat, der das vor ihm stehende Wasserglas nicht anrührte. Die Fastenzeit sei für ihn eine Zeit der Reinigung, in der er versuche, ein besserer Mensch zu werden.
Jeder erzählte ein wenig von sich, während die zuvor geforderte Harmonie und Toleranz auf jeden Fall zu spüren war. Nur: Eine echte Diskussion entwickelte sich nur an wenigen Stellen. Auch dann redeten die Talk-Gäste manchmal aneinander vorbei. Joachim Kahl versuchte fortwährend zu beweisen, dass es Gott nicht geben könne – dass man das könne, hatte er ja zuvor ausgeschlossen.
Mit dem Philosophen Epikur meinte er: Gott ist entweder nicht allmächtig oder nicht allgütig. Punkt. Die beiden Christen Kuby und Mette sowie der Muslim El-Zayat stellten stattdessen heraus, was ihnen der Glaube an Gott eigentlich bringe: Vergebung, Halt, Stabilität, die Fähigkeit, Leid zu ertragen. Kurz: Die Gläubigen verschwiegen, warum es aus ihrer Sicht Gott überhaupt gebe, während der Atheist verschwieg, wie ein Mensch ohne Gott Leid ertragen könne.
Bis hierhin war die Debatte zumindest respektvoll. Dann aber passierte, was bei diesem Thema zu befürchten war. Als Kahl fragte, was es einer 20-fach vergewaltigten Frau denn bringen würde, wenn sie auf das Jenseits vertröstet werde, antwortete die Katholikin Gabriele Kuby: „Die Terroristen wissen das – 25 Jungfrauen!“ Ein Raunen ging durch die Menge, Kopfschütteln in den Reihen.
„Das ist doch Mumpitz“
Und so wurde aus dem anfangs sehr toleranten Gespräch eine Auferstehung der alten Fronten – nur eben ohne dass die Diskussion ein Austausch von Argumenten war, sondern ein Austausch von Sichtweisen. Joachim Kahl spottete, die katholische Lehre, nach der sich die Hostie in der Eucharistie in den Leib Christi verwandle, sei doch „Mumpitz“, wobei die Wortwahl von Mette gerügt wurde. Der bemühte sich die ganze Zeit über, gegenseitigen Respekt trotz unterschiedlicher Auffassungen zu betonen, musste aber feststellen, dass sich vor allem Kahl nicht immer daran hielt. Warum die katholische Lehre aber vielleicht kein Mumpitz ist, erklärte auch die Katholikin Kuby nicht.
Der Religionspsychologe Murken nahm an der Diskussion nicht teil, sondern fungierte als Beobachter. Er erklärte, warum Menschen aus psychologischer Sicht nach Gott suchen, was bei einer Bekehrung geschieht, dass Glaube manchmal helfen kann und manchmal ein Hindernis ist. Zustimmung bekam er dafür von allen Seiten. Die Diskussion brachte er allerdings nicht voran.
Als die Sendung im Grunde schon vorbei war und Moderator Essinger zur Verabschiedung ansetzte, sah Kahl sich noch einmal genötigt, gegen die Christen zu schießen – sie seien zum Beispiel bis ins 20. Jahrhundert Gegner von Freiheit und Demokratie gewesen. Darauf sah sich Kuby ihrerseits gezwungen, zu betonen, dass es „kein höheres Bild vom Menschen gebe als das des Christentums“. Und doch machte man an einem Punkt gemeinsame Sache: Als der Muslim El-Zayat sein Wasserglas um 21.47 Uhr ansetzte und trank, klatschten die Talkgäste eifrig Beifall. (pro)