Trifft man Entscheidungen besser emotional oder rational? Oder in einer Mischung aus beidem? Die einen entscheiden aus dem Bauch heraus, die anderen wägen eine halbe Ewigkeit ab, und entscheiden sich am Ende doch nicht. Die Medien sprächen gar bereits von einer „‚Generation Maybe‘, einer Generation der Entscheidungsunfähigkeit“, schreibt Tobias Teichen, 42-jähriger Pastor und Gründer der Gemeinde International Christian Fellowship München (ICF). Sein Buch „Choose. Weil vielleicht keine Entscheidung ist“ soll Christen dabei helfen, sowohl die eigenen Wünsche, als auch den Plan Gottes unter einen Hut zu bringen. Teichen schreibt dabei so, wie er spricht: ehrlich, verständlich und humorvoll.
Was will Gott?
Manche Entscheidungen sind so unwichtig, dass man sie „im Vorbeigehen“ trifft; andere haben immense Auswirkungen auf das restliche Leben. Teichen: „Stell dir vor, Martin Luther King hätte sich dazu entschieden, zu schweigen und seinen Überzeugungen keinen Raum zu geben. Sein Leben und das vieler anderer Menschen wäre mit Sicherheit anderes verlaufen.“ Es muss nicht immer um etwas wie den Kampf für Rassengleichheit gehen, aber doch sind viele Weichen, die jemand stellt, entscheidend auch für andere, stellt Teichen fest. Und schließlich ist da ja noch die Ur-Entscheidung eines Christen überhaupt: Entscheide ich mich für oder gegen Gott?
Teichen gibt praktische Tipps und behält dabei immer die Bibel im Auge, das „göttliche Filtersystem“. Allerdings immer in Kombination mit dem Heiligen Geist und Gebet. Denn wie schnell ist man dabei, bei allen Entscheidungen nur nach der passenden Bibelstelle oder gar Vorschrift zu suchen? Ein Christ hat, wie jeder andere Mensch, innere Beweggründe, aber er hat eben auch einen äußeren Anlass: Was will Gott? Ein Christenmensch steht immer in diesem Dilemma, das Paulus im Römerbrief durchexerziert hat und auf dem Luther seine Theologie aufbaute: „Denn ich tue nicht, was ich will; sondern, was ich hasse, das tue ich.“ Erst durch Gnade kann sich das, was wir tun, mit dem versöhnen, was wir tun sollten. Jemand, der Christ wurde, aber durch gesetzliches Handeln nach Erlösung strebt, wurde nicht befreit, sondern unter ein neues Joch getan. Leider geht Teichen auf derlei theologische Diskrepanzen weniger ein.
Für Teichen gehört es vielmehr mit zu den größten Gefahren eines Christen, sich „die Welt so zu malen, wie sie mir gefällt“. Das betont er häufiger. Aber wenn es so einfach wäre, einfach immer auf das Regelwerk die Bibel zu hören. Denn zum Glücklichsein – nicht nur für Christen – gehört es eben dazu, zu lernen, eigenständige Entscheidungen zu treffen.
800 Kilometer Arbeitsweg – Gott, soll ich umziehen?
Praktische Tipps zur frommen Weg-Findung sehen beim Pastor etwa so aus: Argumente pro und kontra auf einen Zettel schreiben, ihn ein paar Tage zur Seite legen und später, mit etwas Abstand, neu bedenken; sich die Früchte von möglichen Handlungen ansehen und „die guten heraus sortieren“; die Bibel lesen, auch mit anderen zusammen; nicht dem Zeitgeist oder persönlichen Prägungen folgen, sondern Gott mit in die Entscheidungsfindung einbeziehen; auf den Heiligen Geist hören, der „hilft, das Innere zu erforschen“.
Dass es nicht immer so einfach ist, Gottes Stimme von der eigenen zu trennen, zeigen viele Beispiele aus Teichens eigenem Leben oder aus seinem Umfeld. Sie machen das Buch wertvoll, weil sie authentisch und gut nachvollziehbar sind. Dennoch schleichen sich hier auch etwas skurril anmutende Vorgehensweisen ein, die zum Willen Gottes führen sollen. Da wettet zum Beispiel eine „Claudia“ mit sich selbst: Wenn ein bestimmter Baum in ihrem Garten anfängt zu blühen, wird ihr Mann einen neuen Job finden. War das nun Gott, der zu ihr sprach und ihr dieses Verspechen gab? Es bleibt im Buch undeutlich. Woran erkennt man überhaupt den Unterschied? Jedenfalls war Claudia sehr verärgert, als diese „Zusage“ nicht wie erwartet eintraf. Zudem stellt sich heraus, dass ihr Mann zu jener Zeit offenbar zwei Mal in der Woche von Hamburg nach München pendelte („In seinem Kopf herrschte ein ziemliches Durcheinander“). Warum muss man erst Gott fragen, bevor man feststellt, dass angesichts von 800 Kilometern Arbeitsweg ein Umzug zu erwägen wäre?
Vom „Eindruck“ eines Christenmenschen
Natürlich kann man Gottes Stimme durch „Zusagen“ hören, etwa durch Zeichen in der Natur. Christen haben einen „Eindruck“, sagt man dann: ein Gefühl oder einen Gedanken, von dem man glaubt, dass er von Gott kommt. Wenn dann aber aus einem vagen Gefühl oder einer Bibelstelle allerdings eine Handlungsanweisung für jemanden anderes wird, ist die Gefahr des geistlichen Missbrauchs nicht weit. Schade, dass Teichen darauf nicht weiter eingeht. Auch er selbst gibt ein etwas verworrenes Beispiel dafür, wie verschiedene geistliche Ratgeber aus seinem Umfeld unterschiedliche Richtungen als Gottes Willen vorgeben (hier: nach Rostock ziehen oder in München bleiben?). Am Ende ist es dann eben doch wieder nur das persönliche, subjektive Gefühl, was Gott wohl am ehesten für einen vorgesehen hat. Anders geht es wohl nicht. Doch Teichen weiß selbst: „Achtung, Selbstbetrug funktioniert auch im Gebet!“ Und er warnt: „Auf Fragen wie ‚Darf ich mir eine Katze anschaffen?’ habe ich persönlich noch keine Antwort gedruckt in der Bibel gesehen.“
Am Ende geht es bei mancher Entscheidungsunfreudigkeit von Christen im Kern vor allem um die schlichte Frage: Ist Jesus der Chef in deinem Leben? Das wird bei Teichen sehr gut deutlich und nachvollziehbar. „Es geht Gott um eine Herzenseinstellung, darum, dass du in deinen Entscheidungen und Tätigkeiten seinen Ideen folgst und ihn in dein Leben einbindest. (…) Gott will nicht, dass du als unmündiges Kind lebst, dem er alles vorkauen und vorsagen muss, sondern als selbst denkendes Individuum.“
Ob Job, Ehepartner oder die Anschaffung eines Haustieres: Wer als Christ seinen Weg sucht und sich fragt, wie er mehr Gott in seine Entscheidungsfindung hineinholt, für den ist „Choose“ die richtige Wahl.
Tobias Teichen: „Choose. Weil vielleicht keine Entscheidung ist“, SCM R.Brockhaus, 224 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 9783417268867
Von: Jörn Schumacher