Ohne ihn hätte es die Deutsche Einheit nicht gegeben: Gestern ist der frühere sowjetische Präsident Michail Gorbatschow mit 91 Jahren gestorben. Als Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) setzte er neue außenpolitische Akzente und war mit für das Ende des Kalten Krieges mitverantwortlich.
Doch wie sah es mit Gorbatschows Glauben aus? Darum ranken sich Mythen und Vermutungen. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan wollte sein sowjetisches Pendant sogar einmal zum Christentum bekehren. In dem Buch „The Rebellion of Ronald Reagan“ berichtet der Autor von einem Gespräch der beiden ehemals mächtigsten Männern der Welt, in dem Reagan Gorbatschow von der Existenz Gottes überzeugen wollte.
Reagan hielt Gorbatschow für einen „heimlichen Christen“, nachdem dieser den Ausdruck „Gott segne …“ verwendet hatte. Beim Treffen beider Staatsoberhäupter in Moskau 1988 erzählte Reagan die Geschichte eines russischen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Atheist hatte sich kurz vor seinem Tod an Gott gewandt. „Reagan dachte, er könne Gorbatschow bekehren oder ihn zur Einsicht bringen“, wird einer der Beteiligten zitiert.
Respekt vor gläubigen Menschen
Für Aufsehen sorgte im März 2008 auch ein gemeinsamer Besuch Gorbatschows mit seiner Tochter am Grab des Heiligen Franz von Assisi. Mehrere britische Tageszeitungen berichteten im Anschluss darüber, Gorbatschow habe sich zum christlichen Glauben bekannt. Dadurch sah sich Gorbatschow zu einer Stellungnahme genötigt. Die Geschichte des heiligen Franziskus fasziniere ihn, sagte er. Er habe auch großen Respekt vor gläubigen Menschen – aber er sei nach wie vor Atheist.
Der Mann mit dem markanten Feuermal aus dem Nordkaukasus studierte zunächst in Moskau Jura. Dort lernte er auch seine spätere Frau Raissa kennen. Von seiner Heimatstadt Stawropol machte er politische Karriere und wurde 1980 Vollmitglied des sowjetischen Politbüros. Fünf Jahre später wurde der „Reformer“ Gorbatschow mit 54 Jahren Generalsekretär der Kommunistischen Partei.
Gorbatschow stieß innenpolitische Reformen an. Glasnost und Perestroika ebneten außenpolitisch den Weg zum Ende des Kalten Krieges. Als Staatsoberhaupt setzte er ab 1988 klare Zeichen in Richtung Abrüstung. In etlichen Ländern des Warschauer Pakts kam es zu friedlichen Revolutionen und dem Ende des Kalten Kriegs.
Risikofaktor Glasnost und Perestroika
Seinen Widerstand gegen die Wiedervereinigung gab Gorbatschow bald auf. Für sein Wirken erhielt er 1990 den Friedensnobelpreis. Den politischen Zenit hatte er da schon erreicht. In der Rückschau erklärt er, dass „wahrscheinlich habe keiner im anderen Lager auch nur annähernd begriffen, welches Risiko er, der damals mächtigste Mann jenseits des Eisernen Vorhangs, mit dem politischen Konzept ‚Glasnost und Perestroika‘ eingegangen sei.
Viele Sowjetrepubliken strebten nach Unabhängigkeit und spalteten sich vom Zentralstaat ab: sei es in Aserbaidschan oder im Baltikum. Auch im russischen Volk konnte nicht jeder etwas mit der Demokratisierung des Landes anfangen. Ein Putschversuch gegen Gorbatschow scheiterte zwar, aber die Macht übernahm dann doch Boris Jelzin. Im Dezember 1991 trat Gorbatschow als Präsident der Sowjetunion zurück.
Alle weiteren politischen Bemühungen Gorbatschows waren wenig erfolgreich. Sein mageres Wahlergebnis bei den Präsidentschaftswahlen 1996 von 0,51 Prozent führte er auf eine Wahlfälschung zurück. Die Gründung der Unabhängigen Demokratischen Partei Russlands 2008 war auch nicht nachhaltig.
Unterschiedliche Rezeption Gorbatschows
Das Bild Gorbatschows fällt unterschiedlich aus: Im Westen galt er als Staatsmann, der den Kalten Krieg beenden konnte. Im Ostblock haderten viele mit den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen. Er habe das Volk verraten und das Land in den Abgrund geführt, kritisierten sie. Gorbatschow soll neben seiner bereits 1999 verstorbenen Ehefrau Raissa in Moskau beerdigt werden.
Vermutungen, dass seine Bestrebungen zu Demokratie und Reformen auf einem christlichen Glauben Gorbatschows beruht haben könnten, sind nach seinen eigenen Worten allerdings falsch.
8 Antworten
Man müsste ihn selbst fragen, wenn es noch möglich wäre. Manchmal kommen Menschen noch am Sterbebett zum Glauben. Meines Wissens wurde er mal gefragt, ob er Christ sei. Das hat er verneint und gesagt, er sei Atheist.
Ich denke dass ein gewisser Glaube vorhanden war. In einem Interview in der Welt sagte M. Gorbatschow im Kontext einer Flucht in seiner Kindheit:
„In einem kritischen Moment, als Mutter und ich uns buchstäblich zerstritten hatten, gab es plötzlich einen Blitzschlag. Einen solchen Blitzschlag habe ich nie wieder erlebt, als ob sich der ganze Himmel öffnete. In dem Moment sah ich: Wir standen direkt vor der Farm, die wir nicht finden konnten. Wer hatte uns bis dorthin geführt? Großmutter und Mutter sagten: „Der Herrgott hat uns geführt. Wir müssen ihm danken.“
WELT AM SONNTAG: Glaubten Sie das auch?
„Bei mir hat sich danach etwas bewegt im Hinblick auf Gott. Die Familie meines Vaters war sehr gläubig.“
Was hat ein Mensch davon, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber zuletzt sein Leben verliert? Womit will er es dann zurückkaufen?
Matthäus 16,26
Es ist entscheidend, sich rechtzeitig mit den wesentlichen Fragen des Lebens zu beschäftigen!
Ein Angsthase ist er gewesen, die ganzen letzten Jahre. Blos das Maul halten, sonst könnte es mir schlecht ergehen unter Putin, so seine Parole. Seit seinem Sturz hat er nix anderes getan als sich die Taschen voll machen mit Westgeld. Kurzum: Genau das Gegenteil vom Charakter etwa eines Stauffenberg, der bis in seinen Tod ging, um Deutschland vom „Verführer“ zu befreien.
Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Chuzpe Sie über Menschen Urteile fällen.
Wenn einer im russischen Riesen-Reich etwas hätte sagen können zur verfehlten, ja, dämonischen Politik Putins, dann er, Gorbatschow. Aber mal war er pro, mal contra Putin. Nichts Genaues weiß man nicht. Bei kritischer Analyse wird man zu diesem Ergebnis kommen. Tatsache ist, dass er oft im Westen war, zu Vorträgen. Natürlich hat er dafür einen Haufen Geld gesehen. Tatsache ist, dass seine Frau und er westliche Medizin gerne in Anspruch genommen haben und der westlichen Mode sehr zugetan waren. Was dem „normalen“ Russen nie möglich war. So, und nun lesen Sie nochmals meinen ersten Satz und erklären mir, was daran falsch ist, @Harald der Angsthase.
Sie können ja anderer Meinung sein als ich, ist Ihnen doch unbenommen. Auch ich nehme mein Recht auf Meinungsfreiheit in Anspruch. Natürlich hat Gorbatschow viel für unser Land getan, ist doch gar keine Frage. Und im entscheidenden Moment war er eben auf unserer Seite, immer sei ihm, auch posthum, Dank dafür.Aber das war halt eben nur eine Seite von ihm, die Wirkung über sein Land hinaus. Im Inneren der Sowjetunion sah es ja ganz anders aus. Die Menschen hungerten. Wissen wir heute alles. Der Nebeneffekt seines Handelns war ja der, Geld für sein Land zu besorgen, weil sie kurz vor dem Bankrott waren.
Ich wäre an Ihrer Stelle etwas vorsichtiger damit, anderen Chuzpe zu unterstellen.
Deutschland hat seine Wiedervereinigung maßgeblich Gorbatschow zu verdanken. Das ist doch unbestritten. Natürlich hat er sich für Deutschland große Verdienste erworben. Das ist aber nur die eine Seite seiner Politik. Die andere ist die, dass im Zuge des Wiederzusammenkommens Ostdeutschlands mit Westdeutschlands Gorbatschow früheren Sowjetrepubliken wie z.B. den baltischen Staaten die Unabhängigkeit gab. Ergänzend sei gesagt, dass ich in den 90er Jahren mit einer Frau sprach, die aus dem Gebiet, woher Gorbatschow stammte, kam. Auf meine Frage: Was halten Sie von Gorbatschows Politik? Da schlug sie nur die Hände über dem Kopf zusammen. Gar nichts, sagte sie, wir hatten nichts zu essen, haben gehungert. Das kam nämlich innersowjetisch, innerrussisch dabei heraus, da hat er überhaupt nichts bewirkt, der Herr Gorbatschow. Und was die Unabhängigkeit der früheren Sowjetrepubliken betrifft, dies alles knallt uns jetzt wie ein Bumerang vor den Kopf. Man konnte damals schon davon ausgehen, dass ein Nachfolger Gorbatschows irgendwann versuchen würde, das alte Sowjetreich wiederherzustellen. Die Demokratie hat nämlich im Kommunismus so wenig eine Chance, wie es gelungen ist, Afghanistan nach westlichem Muster zu demokratisieren. Oder den Irak. Es gibt Dinge auf politischer Ebene, die sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Weil man jahrtausendealte Kulturen und Machtsysteme nicht per ordre de mufti verändert. Um auf meine Eingangssätze zurückzukommen: Daher bin ich, was Gorbatschow und seine Lebensleistung betrifft, ganz gespalten in meinen Ansichten.