Glööckler: „Glaube ist top“

Modedesigner Harald Glööckler glaubt an Gott, betet regelmäßig und hat die Bibel durchgelesen. Warum er dennoch aus der Kirche ausgetreten ist, verriet er am Mittwoch bei der Vorstellung seines Buches „Kirche, öffne Dich!“ in Berlin.
Von Anna Lutz
Harald Glööckler hat in Berlin sein Buch „Kirche, öffne Dich!" vorgestellt

Wer Harald Glööckler erlebt, riskiert den ein oder anderen Knoten in den Hirnwindungen. Der Modemacher ist derart extravagant, dass manche schon sein Auftreten als Provokation verstehen. Am Mittwoch in Berlin trägt er eine schwarze Jacke mit goldenem Brokat, hohe Absätze an den Füßen und gleich vier je streichholzschachtelgroße golden und schwarz glitzernde Ringe an den Händen. Um den Hals hängt eine Perlenkette mit auffälligem silbernem Kreuzanhänger. Die Haut ist dick geschminkt, die Haare schwarz-blond gefärbt, die langen künstlichen Fingernägel grau lackiert. Schon vor der Tür des Veranstaltungsorts posiert er einige Minuten lang für Kameras und auch drinnen hat er offensichtlichen Spaß am Blitzlichtgewitter. Glööckler liebt die Öffentlichkeit, antwortet druckreif auf Journalistenfragen, ist dabei aber auch stets höflich, wirkt zugewandt, stößt niemanden vor den Kopf. Außerdem sagt er von sich, er sei evangelischer Christ.

Bunt, höflich, evangelisch: Harald Glööckler Foto: pro/Anna Lutz
Bunt, höflich, evangelisch: Harald Glööckler

Vor versammelten Journalisten großer und kleiner deutscher Medien erklärte er in der Pressekonferenz anlässlich der Veröffentlichung seines Buchs „Kirche, öffne Dich!“ Dinge wie: „Gott war mir immer allgegenwärtig, ich hatte nur manchmal das Gefühl, er war gar nicht in der Kirche.“ Denn eines stellte er auch klar: „Glaube ist top und Kirche könnte auch top sein.“ Ist es aber in seinen Augen derzeit nicht. Davon handelt auch sein Buch.

Enttäuscht von Pfarrern und Kirchgemeinden

Glööckler ist gleich neben einer evangelischen Kirche im Süden Deutschlands aufgewachsen. Dort besuchte er auch die Gottesdienste. Weil er zuhause dabei zusehen musste, wie der Vater die Mutter verprügelte, störte er sich an Abbildungen des gekreuzigten und blutenden Jesus in der Kirche. Mehr noch aber enttäuschte ihn im Nachhinein, dass niemals ein Kirchenmitglied oder der Pfarrer das Gespräch mit ihm über die Gewalt, die offensichtlich in seinem Haus geschah, suchten. Auch, als er bereits als Kind bemerkte, dass er homosexuell war, hätte er sich die Möglichkeit eines offenen Gesprächs mit einem Geistlichen gewünscht. Pfarrer sollten den Menschen „mit Rat und Tat zur Seite stehen, zu uns halten, wenn wir straucheln“, sagte er in Berlin. Er aber habe die Kirche anders erlebt.

Pressekonferenz in Berlin (v.l.): Karoline Kuhn von Adeo, Harald Glööckler, Moderatorin Doro Plutte und Verlagsleiter Detlef Holtgrefe Foto: pro/Anna Lutz
Pressekonferenz in Berlin (v.l.): Karoline Kuhn von Adeo, Harald Glööckler, Moderatorin Doro Plutte und Verlagsleiter Detlef Holtgrefe

Heute ist er deshalb überzeugt: „Der Glaube hat nichts mit der Kirche zu tun.“ Und: „Gott ist es völlig gleich, ob wir in die Kirche gehen oder nicht.“ Seine evanglischen Wurzeln will er dennoch nicht kappen. So bete er bei Schlafstörungen gerne ein Vaterunser, habe die Bibel komplett durchgelesen und schon als Kind Psalmen auswendig gelernt, um seine Probleme zuhause zu vergessen.

Da passte es gut, dass im Zuge des Reformationsjubiläums die Deutsche Bibelgesellschaft mit der Bitte an ihn herantrat, einen Schuber für eine neue Lutherbibel zu kreieren. Glööckler sagte zu und äußerte sich schon damals öffentlich zu seinen Glaubenshaltungen. Daraufhin fragten ihn Kirchengemeinden mit der Bitte an, bei ihnen zu predigen. Und auch das tat Glööckler – mehrmals und unter großem Interesse. Die Kirchen waren voll und auch der christliche Verlag Adeo wurde auf ihn aufmerksam. Gemeinsam beschlossen Glööckler und Verleger, ein Buch über die Kirche und was sich an ihr ändern muss herauszugeben.

Langweilige Predigten, ungerechte Lehre

Und das ist in Glööcklers Augen einiges: Die Predigten müssten interessanter sein. Frauen sollten gleichgestellt werden und Homosexuelle vollständig anerkannt. Popmusik könnte alte Choräle ablösen und überhaupt dürften die Gottesdienste, wenn es nach ihm geht, fröhliche Feste sein. „Selbst bei Trauerveranstaltungen geht es interessanter zu“, sagte er am Mittwoch über die Veranstaltungen der Kirchen. Auch deshalb sei die Kirche für ihn heute zwar wie ein Familienmitglied, aber eines, das man nicht gerne besucht. Schwer getroffen haben ihn auch die Missbrauchsfälle innerhalb der Kirchen. Er selbst berichtet in seinem Buch davon, wie sich ihm als Kind ein Freund der Familie sexuell genähert hat. „Ich kann nachvollziehen, wie die Opfer sich fühlen“, sagte er bei der Pressekonferenz, und: „Der Heiligenschein, der die Priester umgibt, gehört dringend demontiert.“

Auf seinen Traum von Kirche angesprochen, erklärte er, der Priester oder Pfarrer müsse mit einem Lächeln im Gesicht an der Türe stehen, die selbstverständlich für jeden offen wäre: „Man kommt hin und nimmt ein Bad der Erlösung.“ Und gerade dann, als das alles plötzlich beginnt, Sinn zu ergeben und sich die Knoten in den Hirnwindungen lösen, legt Glööckler wieder nach. Auf den Papst angesprochen, sagte er lächelnd und voll Überzeugung: „Meine Wahrsagerin hat gesagt, sie sieht eine Audienz in naher Zukunft.“ Ob er denn jemals darüber nachgedacht habe, selbst eine Kirche zu gründen, fragt jemand. Glööckler antwortet: „Vielleicht in einem anderen Leben mal.“ Und es will irgendwie nicht wie ein Scherz klingen.

Von: Anna Lutz

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