Glööckler-Buch: Pompöser Glaube, langweilige Botschaft

Harald Glööckler liebt Jesus und Jesus liebt Harald Glööckler. Das ist erfreulich und es lohnt sich, darüber zu lesen. Doch der Modedesigner hat mit „Kirche, öffne dich!“ nicht nur ein Buch über seine Begegnung mit Gott geschrieben, sondern übt auch Kirchenkritik. Das steht ihm wesentlich schlechter als seine aufwändige Kleidung. Eine Rezension von Anna Lutz
Von Anna Lutz
„Kirche, öffne Dich!" erscheint am Montag im Verlag Adeo

Es wäre ein Leichtes, dieses Buch zu verreißen. Floskel reiht sich an Floskel, die ein oder andere Anekdote scheint wenig glaubwürdig und die Sprache ist stellenweise derart überladen, dass man sich in einem Disneyfilm der 80er Jahre wiederzufinden glaubt. Wer nicht mag, wie Harald Glööckler im Fernsehen spricht, der wird auch keinen Spaß daran haben, das Buch „Kirche, öffne Dich!“ zu lesen. Das belegt zumindest, dass es authentisch ist.

Doch eines muss man Glööckler lassen: Er kehrt sein Innerstes nach außen, schreibt ehrlich über seinen Weg zu Gott, darüber, was Jesus ihm heute bedeutet und auch über dramatische Lebensereignisse wie Missbrauch oder die Zurückweisung durch seine Eltern. Das allein verdient Anerkennung, denn einer wie Glööckler ist auch ohne das schon angreifbar genug.

Frommes Gottesbild

Das Positive also zuerst: Glööckler zeigt in seinem Buch ein erstaunliches Bibelwissen und seine Schlussfolgerungen unterscheiden sich an vielen Stellen wenig von dem, was sonntags in frommen Gemeinden gelehrt wird. „Was entfernt uns vom Glück? Alles, was uns auch von Gott und den Menschen entfernt. Liebloses, bösartiges Handeln, Hass, Neid und Missgunst sind die Feinde des Glücks. Es ist das große Geschenk von Jesus an uns, dass wir jeden Tag jederzeit neu beginnen können“, schreibt er. An anderer Stelle plädiert er für die Erwachsenentaufe, weil einem Kind das Bewusstsein für die Handlung fehle. Oder er schreibt über Jesus: „Sein Tod ist kein Freibrief, um Sünden begehen zu können, die dann vergeben werden … Jesus ist für einen da, wenn man ihn braucht.“

Harald Glööckler ist Modedesigner und macht nicht nur durch sein extravagantes Auftreten von sich reden Foto: Frank Altmann / xphotographer.com
Harald Glööckler ist Modedesigner und macht nicht nur durch sein extravagantes Auftreten von sich reden

So weit so gut also. Schade nur, dass einem Glööcklers Geschreibe von der Liebe und dem Leben des eigenen Traums mit Gottes Hilfe bei aller Liebe zur Liebe nach einiger Zeit ziemlich auf den Keks geht. Es sind wenig weit führende Plattitüden wie sein Schlusswort: „Machen Sie die Türen Ihrer Kirche und Ihres Herzens weit auf! Sperren Sie niemanden aus, sondern heißen Sie jeden mit offenen Armen willkommen! Helfen Sie Leuten auf, die gestrauchelt sind, statt Ihnen mit Kritik und Vorschriften den Mut zu rauben. In einem Wort: Lieben Sie sie! Denn damit liegen Sie immer richtig.“ Die sind natürlich nicht falsch, aber verlieren nicht erst nach 200 Seiten und durch permanente Wiederholung ihre Kraft, sondern auch deshalb, weil sie Tiefe vermissen lassen.

Wie schafft man es denn nun, jedem zu helfen? Wie öffnet man das Herz, wenn es verletzt ist? Wo ist Kritik auch mal angebracht? Und wie lebt Glööckler mit diesen Problemen? Diese Fragen verlangen nach Klärung, aber dieser Tiefsinnigkeit setzt sich der Autor dann doch nicht aus und verharrt darin, den Lesern seine Weltsicht einzuimpfen, eine Tatsache übrigens, die er an den Kirchen massiv kritisiert. Und nicht nur das: Der Modemacher nimmt vor allem die Katholische Kirche für ihren Umgang mit Homosexuellen und Frauen ins Gebet, beklagt, dass evangelische Pfarrer und Seelsorger sich ihm in der Vergangenheit zu herzenskalt gezeigt hätten, und dass die Kirche eine wahnsinnig schlechte Marketingstrategie zur Schau stelle.

Kritik langweilt, Glaube begeistert

Viele dieser Dinge sind nicht einmal falsch und die Kritik ist berechtigt. Aber nichts, wirklich kein Argument in diesem Buch ist nicht so oder ähnlich schon tausendfach geäußert worden. Und sie ignorieren die Realität vieler Freikirchen, die sich zum Beispiel von einer für Glööckler eingestaubten Liturgie oder unmoderner Kirchenmusik gelöst haben. Deshalb sind große Teile seiner Anklage leider etwas, das Glööckler selbst so abscheulich finden dürfte wie abgetragene Sneaker: langweilig.

Und doch, ein weiteres Gutes hat das Ganze und das dürfte auch der Grund dafür sein, warum sich der christliche Verlag Adeo dazu entschieden hat, Glööckler zu veröffentlichen. Es gibt wohl nicht viele schillernde Personen der Öffentlichkeit, zudem aus der kreativen Branche, die sich offen und ehrlich zum Glauben äußern und dabei auch noch relativ ordentlichen evangelistischen Inhalt rüberzubringen bereit sind. Das ufert bei Glööckler zwar hier und da in Engelsanbetungsgerede, Horoskopsympathiebekundungen und anderen esoterischen Schnickschnack aus. Aber immerhin könnte es ihm gelingen, so auch Menschen, die bisher keinen Fuß in eine Kirche gesetzt haben, mit einer guten Botschaft in Verbindung zu bringen.

Zugegebenermaßen erlaubt dieser Zweck auch eine gewisse Oberflächlichkeit hier und da. Dass Glööckler gerne neben seiner eigenen im Garten aufgestellten Marienstatue zum Erzengel Gabriel betet: geschenkt. Das zu kritisieren wäre kleinlich, lieber sollte man sich darüber freuen, dass der Designer offenbar ein sehr differenziertes und bibeltreues Jesusbild entwickelt hat und auch bereit ist, diese Erkenntnis zu teilen. Weniger differenziert ist hingegen seine Kritik an Kirchen und Geistlichen. Damit tut er nicht nur den Angesprochenen selbst Unrecht, sondern auch denen, die innerhalb der Kirchen ein gut begründetes Reformanliegen zu verwirklichen versuchen – jenseits einfacher Anklagemuster wie: Der Pfarrer war nicht nett zu mir und Kirchen sind zu altbacken.

Von: Anna Lutz

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