Insgesamt 89 Angriffe auf Medienschaffende hat „Reporter ohne Grenzen“ für das Jahr 2024 in Deutschland registriert. Im Jahr davor waren es noch 41. Damit ist die Zahl der tätlichen Übergriffe die zweithöchste seit Beginn der Erhebung. Nur im Jahr 2022 war sie höher. „Reporter ohne Grenzen“ spricht außerdem von einer hohen Dunkelziffer.
In 75 Fällen wurden Reporter getreten, gestoßen oder mit Gegenständen beworfen. 21 Angriffe verortet die NGO im verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Umfeld. Die gefährlichsten Orte für Medienschaffende seien politische Versammlungen wie Demonstrationen gewesen, insbesondere wenn es dort um das Thema Nahost ging. 38 physische Übergriffe hätten sich allein auf Nahostdemonstrationen in Berlin ereignet.
Ein Beispiel: Besonders oft, 15 Mal, sei demnach „Bild“-Reporter Iman Sefati angegriffen worden: Die Fotojournalisten Yalcin Askin, die für das „Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“ unterwegs ist, arbeitet häufig mit ihm zusammen und erlebte ähnliches. „Die Protestierenden haben Sefati und Askin bedroht, beleidigt, bespuckt, sie wurden mehrfach geschlagen, getreten und geschubst“, berichtet „Reporter ohne Grenzen“ und zählt 29 Attacken auf diese beiden.
Nahostberichterstattung wird zur „mentalen Dauerbelastung“
Doch nicht nur, wenn es gegen Israel geht, sind Journalisten offenbar unter Druck. Eine Umfrage unter 60 Medienschaffenden ergab, dass viele einen „stark verengten Meinungskorridor bei der Arbeit zu Israel und Palästina“ wahrnehmen. Sie berichten von langwierigen Kontroll- und Aushandlungsprozesse zu Begriffen, mit denen die israelische Kriegsführung kritisiert wird. Aussagen palästinensischer Quellen und von Menschenrechtsorganisationen wie „Amnesty International“, „Human Rights Watch“ oder den Vereinten Nationen (UNO) würden eher infrage gestellt als etwa die des israelischen Militärs.
Zudem fürchteten viele Journalisten Bloßstellungen in anderen Medien und auf Social Media. Nicht wenige sehen sich zudem durch „häufige und massive Interventionen der israelischen Botschaft oder der Deutsch-Israelischen Gesellschaft bei Chefredaktionen unter Druck“. So werde die Berichterstattung zum Krieg in Nahost eine „übermäßige mentale Dauerbelastung“.