Abkommen zwischen Israel und den Emiraten: Ein Überraschungscoup

Israel und die Arabischen Emirate haben entscheidende Schritte aufeinander zu gemacht. Ein Erfolg für das Weiße Haus? Der langjährige Nahost-Korrespondent Ulrich Sahm kommentiert die Annäherung.
Von PRO
US-Präsident Trump bei der Bekanntgabe des Abkommens zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten

Die Überraschung in Deutschland war groß, als im Weißen Haus der wahlkämpfende US-Präsident Donald Trump seinen „Abrahams-Frieden“ zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verkündete. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und die Außenminister der Emirate und Bahrains unterzeichneten das Abkommen sofort feierlich in der amerikanischen Hauptstadt. Wer dieses bemerkenswerte Normalisierungsabkommen eingefädelt und dann umgesetzt hat, ist schwer zu erkennen. Klar ist nur, dass es Berater und Politiker waren, die sich mit der stark gewandelten politischen Landschaft im Mittleren Osten auskannten, und dass das Ganze weder zufällig noch plötzlich zu Stande kam.

Frieden ist keine Ware, aber Normalisierung ist möglich

Das Ganze hat mehrere Ebenen und da wurde vieles in Europa nicht gesehen, weil man es wohl auch nicht sehen wollte. Man meint hier immer, der Nahostkonflikt sei eine rein palästinensisch- israelische Angelegenheit und mit noch mehr Geld für „Frieden“ könne man alles richten. Dabei vergisst man sowohl die metaphysische Natur von „Frieden“ als auch, und das ist besonders peinlich für die EU, die Fakten vor Ort. Die tiefe Krise zwischen dem schiitischen Iran und sunnitischen Anrainern des Persischen/Arabischen Golfes hatte in letzter Zeit immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt, indem iranische Kriegsschiffe arabische Tankschiffe angriffen. Hintergrund ist da auch die in Deutschland wenig beachtete Beteiligung der VAE und Saudi-Arabiens am Bürgerkrieg im Jemen auf Seiten der Regierung gegen die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen.

Ziemlich schnell nach dem Abkommen kamen daher jetzt auch Anfragen aus der arabischen Welt nach israelischen Verteidigungssystemen. In Bezug auf die Raketenabwehr ist das Interesse nach dem Angriff auf saudi-arabische Ölanlagen im September 2019, der dem Iran zugeschrieben wurde, verständlich. Durch diesen Angriff wurde die Hälfte der Ölproduktionskapazität Saudi-Arabiens für mehrere Tage außer Gefecht gesetzt.

Andererseits stand Netanjahu bekanntlich mehrfach mediengerecht vor der UNO mit der Bitte um Unterstützung gegen eine iranische Atombombe. Immer wieder haben die Israelis dargestellt, wie verheerend ein solcher Schritt wäre. Europäische Beobachter denken dabei meist an die Metropole Tel Aviv. Aber im Nahen Osten geht es immer auch um sehr viel ältere Machtstrukturen. In der Welt der religiösen Symbole weiß man um die Wichtigkeit einer Unversehrtheit Jerusalems mit dem Zentrum der Al-Aqsa. Und dass Israel längst gute Kontakte zu manchen arabischen Staaten pflegte, war den Unterhändlern aus den USA und den Entscheidungsträgern vor Ort natürlich ebenfalls bekannt. Wie sich inzwischen herausstellte, besitzt Israel in Bahrain seit zehn Jahren sogar schon eine Botschaft. Die dortigen Diplomaten sind alle Doppelstaatler, damit es nicht so sehr auffalle.

Unter diesen Umständen bedurfte es vor allem eines Politikers, der keinerlei gewachsene Vorurteile hat, sondern rein pragmatisch an die Sache herangeht. Mit kostspieligen Pleiten kennt Trump sich bekanntlich aus. Und seine Rücksichtslosigkeit ist zwar legendär, aber auch nicht so weit entfernt von dem Männerbild in vielen arabischen Gesellschaften, dass man ihn dort nicht verstehen würde.

Schon Barack Obama hatte moniert, dass Deutschland seinen Pflichten in der Nato nicht nachkommt. Seit der Wahl von Trump hatte es von Deutschland aus ununterbrochen nur Beleidigungen geregnet.

Die Zweistaatenlösung, mit der von Europa aus seit Jahren so stur wie erfolglos versucht wird, den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern beizulegen, hatte sich schon lange als teurer Ladenhüter herausgestellt. Auch die Formel „Land für Frieden“ hat sich längst als Irrweg erwiesen. Zwar versucht die EU seit einigen Jahren mit illegalen Bauten in militärischen Sperrgebieten im Westjordanland Fakten zu schaffen, um die Siedler zu vertreiben, aber damit verschärft man nur die Konflikte vor Ort, statt „Frieden“ zu erreichen. Sie schied also als Verhandlungspartner aus.

Zunehmend betrachteten sich manche arabische Staaten als Gefangene palästinensischer Maximalforderungen, die sich nicht nur wegen des israelischen Widerstandes, etwa gegen das „Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge“, als unbrauchbar für eine Friedenslösung erwiesen hatten. Die Amerikaner fühlen sich auch nicht mehr an diese palästinensischen Ideologien gebunden, wie sie es durch empfindliche Budgetkürzungen für die UNRWA, die UNO Flüchtlingshilfeorganisation für Flüchtlinge aus Palästina, bewiesen haben.

Weil die Palästinenser aus Protest gegen die Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem und andere amerikanische Schritte ihre diplomatischen Beziehungen mit Washington abgebrochen hatten, bestand für die Amerikaner neben den vielen Gründen auch kein Anlass mehr, die Palästinenser in die Beratungen vor dem „Abrahamsabkommen“ einzubeziehen oder sie gar zur Unterzeichnung einzuladen. In diesem Fall haben die Palästinenser zu spüren bekommen, dass ihre beständige Verweigerungspolitik auch schmerzhafte Folgen haben kann.

Neue Möglichkeiten für die arabische Welt

Für viele arabische Staaten war diese amerikanische Politik wie ein Befreiungsschlag. Die Araber hatten sich zuvor ja selber eine eigene Interessen-Politik verboten. Nun müssen sie sich nicht mehr an die drei „Nein“ von Khartum von 1967 halten, als die Arabische Liga aus Rücksicht auf die Palästinenser beschlossen hatte: kein Frieden, keine Kontakte, keine Verhandlungen mit Israel.

Inzwischen hatten aber zwei arabische Staaten nach verlorenen Kriegen ihren eigenen Separat-Frieden mit Israel geschlossen: Jordanien und Ägypten. Zudem haben die Palästinenser doch selber mit den Osloer Abkommen mit Israel zwar keinen Frieden unterschrieben, aber immerhin ein Autonomieabkommen. Israel ist derweil eine anerkannte Militärmacht geworden und sogar eine mutmaßliche Atommacht. Israel zu besiegen oder gar auszulöschen ist aus arabischer Sicht kaum noch möglich. Zudem ist Israel eine Hightech-Nation geworden, die sich mit den USA messen kann. Hinzu kommen noch riesige Erdgasvorkommen vor der Küste im Mittelmeer, wodurch Israel zunehmend seine Abhängigkeit von arabischem Öl verliert.

All diese Elemente zusammen genommen verwandelten Israel in einen interessanten Geschäftspartner, während die althergebrachte Feindseligkeit der Palästinenser niemandem mehr Gewinn brachte. Genau das scheinen auch die Berater von Trump erkannt zu haben. Und so dürften sie keine komplizierten Überzeugungsgespräche mit ihrem Chef, einem eingefleischten Geschäftsmann und Draufgänger, geführt haben, um ihn zu überzeugen, einen völlig „neuen“ Weg zu gehen. Ob der zu einem „Frieden“ führt, bleibt abzuwarten. Vielleicht endet er in einem Zustand, der zumindest nicht kriegerisch ist. Mehr sollten wir vom Nahen Osten auch nicht erwarten.

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