Hoffnung, wo selbst das Wasser staubig ist

Der Wüstenstaat Mali wird immer wieder von Terrorattacken radikaler Muslime heimgesucht. Christen haben einen Anteil von rund 1,5 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Dennoch tragen sie Hoffnung ins Land – Hoffnung auf Frieden, Versöhnung und einen wirtschaftlichen Aufbruch. Ein Reisebericht von Johannes Reimer
Von PRO
Bei der Friedenskonferenz der Malischen Evangelischen Allianz und des Evangelisch-theologischen Seminars FATMES ging es darum, wie Versöhnung praktisch gelebt werden kann

Vergangene Woche besuchte ich Mali, eines jener Länder in der Sahel-Zone, die von Revolte und Terrorattacken islamischer Radikalen heimgesucht wurden, und das nun auch von französischen und deutschen Soldaten geschützt werden. Gleich am Flughafen der Hauptstadt Bamako nahmen zwei schwerbewaffnete deutsche Soldaten die Ankommenden in Empfang.

Ich besuchte Bamako auf Einladung der Malischen Evangelischen Allianz (MEA), die zusammen mit dem Evangelisch-theologischen Seminar FATMES eine Friedenskonferenz für Pastoren und Leiter aus den Gemeinden organisiert hatte. Der deutsche Missionar der Allianzmission Alfred Meier war der Initiator der Tagung und half sie zu organisieren.

Es war meine erste Reise nach Mali. Man kann fast mit dem alten Sprichwort sagen: Ich bin schon überall gewesen, aber bis nach Timbuktu kam ich nicht. Liegt doch dieses sagenumwobene Timbuktu in Mali. Und der Präsident der MEA, Noch Yattara, kommt aus der Stadt. Bilderreich erzählte er uns, wie schwer das Leben in der Stadt heute ist. Er selbst musste als Pastor der Gemeinde aus der Stadt fliehen. „Missionare sagen“, berichtete Yattara, „dass sogar das Wasser in Timbuktu staubig ist.“ Und doch leben auch in dieser sandigen Stadt am Rande der Sahara einige Hundert Christen. Alle sind Konvertiten aus dem Islam und stellen daher eines der Angriffsziele der Terroristen dar.

Etwa zwanzig Teilnehmer der Konferenz in der Hauptstadt kamen aus den umkämpften Regionen im Zentrum und Norden Malis. Viele von ihnen hatten eine abenteuerliche Anreise hinter sich. Einer der Brüder aus Gao überlebte gar einen Anschlag und berichtete unter Tränen von seinem Schicksal. Aber ans Aufgeben dachte keiner von ihnen. „Wir lieben unser Land und unsere Leute, und nichts wünschen wir uns mehr als Frieden und Versöhnung“, sagte mir einer dieser Männer. Ihnen fehlt fast alles, aber das wenige, was sie haben, setzen sie für die Versöhnung mit ihren muslimischen Nachbarn ein. Und die wenigen Beispiele, die ich sah, überzeugten mich.

Sie bauen an der Zukunft des Landes

Ich besuchte eine Hauptschule am Rande der Hauptstadt, die von einheimischen Christen gegründet wurde und in dem wachsenden Dorf gebaut wird. „Schritt für Schritt“, so nennen sie ihre Schule und Schritt für Schritt wird sie aufgebaut. Für mich als Deutschen sah sie immer noch eher nach einer Baustelle aus. Trotzdem kommen bereits über 400 Kinder dorthin zum Unterricht. Es ist eine christliche Schule, aber 98 Prozent der Kinder kommen aus muslimischen Häusern. Unter ihnen sind auch die des lokalen Imams. Dessen Frau arbeitet als Lehrerin mit. Noch nie habe sie in so einem harmonischen Team gearbeitet, berichtet sie.

Lehrer und Schüler leben hier eine Kultur der Versöhnung vor. Auch wenn vieles noch im Bau ist, sie basteln schon an der Zukunft ihres Landes. Ganze Etagen sind nur durch die Betonpfeiler markiert. Doch alle wissen, wo es einmal eine Schulbibliothek geben wird und wo man in den Pausen spielen wird. Jetzt spielen sie im Staub der Baustelle. Bücher fehlen bisher ebenfalls. Für all das fehlt Geld. Aber man kann die Perspektive auf bessere Zeiten mit den Händen greifen. Sie lachen mich an und in ihren Augen spiegelt sich Hoffnung auf Morgen.

Auch an einem anderen Projekt der Einheimischen spiegelt sich ein Stück Hoffnung – der sportmissionarischen Plattform Bogo Wuli, die der gemeindlichen Jugendarbeit zugeordnet ist. Jugendliche haben hier ein Team gebildet und veranstalten in ihren Stadtvierteln Fußballturniere. Nicht nur unter Christen – alle Jugendlichen sind eingeladen. Es kann keinen christlichen oder islamischen Fußball geben. Fußball ist eben Fußball, und Menschen, die gerne Fußball spielen, sind Mitmenschen. Eine Einteilung in Christen und Muslime hat hier keinen Sinn. Wieder besteht die Mehrheit aus Muslimen. Ist ja auch wenig verwunderlich, schließlich liegt der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung bei gerade mal 1,5 Prozent. Aber sie sind es, die die Initiative übernehmen und auf staubigen Plätzen zusammen kicken. Und nach einem Spiel geht es dann im Gemeindehaus weiter. Sie hängen zusammen ab, spielen Spiele, unterhalten sich und haben Spaß. So wie es Jugendliche eben tun. Eine christliche Andacht scheint sie nicht zu stören. Sie bekümmert eher die Tatsache, dass sie vermutlich ähnlich wie Hundertausende andere ohne Bildung und ohne Job bleiben. Und dann sind sie schnell Opfer der Radikalen.

Deshalb träumen die Leiter der christlichen Gemeinden von einer nachhaltigen ökonomischen Entwicklung. „Unser Land ist reich. Wir haben Minerale, Gas, Wasser. Aber der Reichtum liegt zum Teil tief unter der Wüste begraben. Wir brauchen Hilfe, um unser Gold zu heben, ohne dass diejenigen die uns helfen, letztlich allein oder in Gemeinschaft mit den korrupten Politikern davon profitieren“, sagt der Präsident der MEA. Er träumt von einer landwirtschaftlichen Universität, die nach dem Vorbild der Israelis ihr trockenes Land urbar zu machen hilft. Er habe eine solche in Beersheba in der jüdischen Wüste gesehen.

Mali braucht Unterstützung

An Ideen schien es den Teilnehmern der Friedenskonferenz nicht zu mangeln. „Aber wenn Entwicklungshilfe ins Land kommt, dann versandet sie schnell in den Händen der Elite, oder man bindet sie an Projekte, die in diesem Land nie funktionieren werden. Warum fragt man nicht uns?“ Der 70-jährige Lehrer, der mich diesbezüglich ansprach, wirkte müde. „Viele der Entwicklungshelfer sind doch Christen. Zusammen würden wir in diesem Land Wunder bewirken.“

Vielleicht ist unsere Konferenz, die erste ihrer Art in der Geschichte der evangelischen Christen im Land, ein guter Anfang gewesen. Zusammen mit den nationalen Trägern haben wir ein weitgehendes Programm beschlossen. In der Hauptstadt Bamako wird am theologsichen Seminar FATMES ein Ausbildungszentrum für Frieden und Versöhnung entstehen. Hier sollen christliche Leiter theologisch gefestigt und praktisch geschult werden, wie man Versöhnungsprozesse einleiten und durchführen kann und wie lokale Initiativen entdeckt und entsprechend unterstützt werden können. Hier werden Mediatoren für das ganze Land ausgebildet. Sicher, weder FATMES noch die MEA haben dafür Mittel, Ausbildungspersonal fehlt ebenfalls. Hier werden die Malier unsere Hilfe brauchen. In den nächsten Wochen beginnen sie damit, unsere Kurse ins Französisch und Bambara, die überall im Land gesprochene Stammessprache, zu übersetzen. Und schon im Oktober sind die ersten Kurse geplant.

Die Menschen in Mali haben erstaunliche Fähigkeiten. Ihre Kreativität drückt sich beispielsweise in ihren bunten Kleidern aus, die je nach Gemeinde oder auch Festtag immer auch eine Botschaft tragen. Und während auf der Straße alles Leben im Sand zu ersticken droht, markieren ihr Kleider Hoffnung. Mir ist jedenfalls klar geworden – Timbuktu, Bamako und viele andere Orte Malis brauchen unsere Unterstützung. Dringend! Und nicht nur deutsche Militärberater! Damit das Wasser wieder nass wird und die Lebensquelle nicht vertrocknet. Und die Radikalen nicht das letzte Wort behalten und das ganze Land vollends in den Chaos stürzen.

Dr. Johannes Reimer ist Professor für Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Theologischen Hochschule Ewersbach und Leiter des Netzwerkes für Frieden und Versöhnung der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA).

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