Wo Forscher Gott auf die Sprünge helfen wollen

Die neuen Gentechnik-Verfahren bieten Chancen, bergen aber auch Risiken. Die Dokumentation „Gentechnik 2.0 – Risiko oder Chance?“ setzt bei diesen Fragen an. In ihr kommen Wissenschaftler zu Wort, die die Bausteine des Lebens zerlegen und die Möglichkeiten dessen hervorheben, wie auch Forscher, die noch viele unbeantwortete ethische Fragen sehen. Eine TV-Kritik von Johannes Blöcher-Weil
Von PRO
Zielgenaue Veränderungen der DNA sind heute so einfach wie nie zuvor

„Gentechnik 2.0 – Risiko oder Chance?“ heißt die Dokumentation, die ZDFinfo am Montag, dem 16. Dezember 2019, um 20.15 Uhr ausstrahlt. Darin geht es um die Frage, was ethisch und gentechnisch erlaubt ist und wo die Grenzen der neuen Verfahren liegen. Die einen fürchten Designer-Babys, die anderen hoffen, dass schwere Krankheiten geheilt werden können.

Wissenschaftler verschiedener Disziplinen diskutieren in dem Film von Robin Bicknell. Ganz zu Beginn stellt der Beitrag die Crispr-Methode vor. Das „Korrekturprogramm“ erlaubt es, mithilfe einer „Schere“ beschädigte DNA zu beschneiden und Krankheiten auszumerzen. Bei etwa 7.000 Krankheiten wissen die Mediziner dem Bericht zufolge, wo der Fehler liegt. Eingriffe in die DNA könnten diese Krankheiten verhindern.

Zu Wort kommt auch Ben Dupree. Er leidet an einer tödlichen Krankheit, weil ein einziger Baustein in seinem Erbgut fehlerhaft ist. Seit seiner Geburt schädigt diese seine Muskeln. Seit fast zehn Jahren sitzt er im Rollstuhl. Er hat große Hoffnungen, dass er von den neuen Methoden profitieren kann.

„Spielzeug amerikanischer Milliardäre“

Die Primaten-Forscherin Jane Goodall warnt aus ethischen Gründen davor, „an den Plänen der Natur herumzupfuschen“. Auch Marcy Darnovsky, vom „Zentrum für Genetik und Gesellschaft in Berkeley“, „möchte diese Tür keinen Spalt weit öffnen“. Dies diene nicht der Menschheit. „Das Geschäft mit der Gentechnik könnte ein Spielzeug amerikanischer Milliardäre werden.“

Das könnte nicht nur für Wettbewerbsvorteile im Sport sorgen. Einige Wissenschaftler sehen auch die Gefahr, dass Eltern zum Wohl ihres Kindes vor nichts zurückschrecken würden. Vorreiter auf diesem Gebiet ist der New Yorker Wissenschaftler John Zhang. Er möchte mit seiner Arbeit Erbkrankheiten eindämmen. Dies könne aus seiner Sicht die menschliche Reproduktionsmedizin für immer verändern.

Der Biohacker Josiah Zayner macht sich in Oakland die Entwicklungen als erster weltweiter Crispr-Händler zunutze. Sein Angebot soll helfen, dass sich alle Menschen die Behandlungen leisten können. Der Molekularbiologie George Church möchte nicht, dass Menschen die Evolution in die eigenen Hände nehmen, weil es noch zu viele unwägbare Gefahren gibt.

Der Biologe Pablo Ross züchtet menschliche Organe in Tieren. Er möchte in ihnen lebensrettende Organe produzieren. Auch hier sind die Konsequenzen für die Menschheit unklar. Was Ross künstlich erzeugt, ist der Natur unmöglich. Eine Dialyse-Patientin, die zu Wort kommt, hätte keine Skrupel, sich solche Organe einzupflanzen: „Wer nicht in meiner Situation ist, versteht das nicht.“

Hoffen auf Gentechnik

Die amerikanische Regierung habe sogar eine Task-Force eingerichtet, die sich mit Themen der Gen-Editierung befasst. Insgesamt sei es aber schwierig zu regulieren, weil es keine Weltregierung gebe, die solche Fragen entscheide. Der Biologe Eric N. Olson berichtet, dass er fast täglich Briefe aus der ganzen Welt erhalte. Manche seien hoffnungsvoll, andere verzweifelt. Die Adressaten bitten ihn, sich im „Rennen gegen die Zeit zu beeilen, weil ihnen nichts so viel Hoffnung macht wie Crispr“.

Die kritischen Wissenschaftler befürchten, dass es bald nicht mehr um die Frage gehe, ob man ein Kind möchte, sondern was für eines. Damit verliefen die Grenzen zwischen medizinischem Problem und ästhetischen Gründen fließend. Aus Sicht des Genetikers Francis Collins fehlten noch grundlegende Überlegungen, wie in der Sache weiter vorzugehen sei. Schriftstellerin Margaret Atwood befürchtet, dass Unternehmen Babys zum Selbstdesign anbieten werden.

Moralische Debatte ist nötig

Der Molekularbiologe George Church sorgt sich bei solchen Eingriffen um die Vielfältigkeit. Biologische Extreme könnten wegradiert werden, obwohl daraus die kreativsten und produktivsten Menschen stammten. Der Reproduktionsmediziner John Zhang betont, dass er nicht Gott spiele, sondern ihm nur helfe, weil dieser sehr beschäftigt sei.

Die Dokumentation erklärt sehr gut und detailliert, welche medizinischen Einschnitte die Gentechnik-Verfahren zur Folge haben. Sie macht aber auch deutlich, welch intensive moralische Debatte an diesem Punk geführt werden muss. Eine Antwort, wie sich der Einzelne zu diesen Fragen verhält, muss jeder für sich selbst finden. Ein Wissenschaftler beschreibt das mit den Worten: „Wir brauchen Weisheit, wie wir die Verfahren einsetzen.“ Vor der Erstausstrahlung der Dokumentation sendet ZDFinfo den Zweiteiler „Das Geheimnis der Gene“ mit den zwei Beiträgen „Woher wir kommen“ (18.45 Uhr) und „Wohin wir gehen“ (19.30 Uhr).

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