Angesichts der türkischen Militäroffensive gegen kurdische Milizen im Norden Syriens hat Papst Franziskus eine rasche Lösung des Konfliktes gefordert. Am Sonntag sagte der Papst in seinem Mittagsgebet auf dem Petersplatz: „Ich appelliere erneut an alle beteiligten Akteure und an die internationale Gemeinschaft, sich auf dem Weg des Dialogs ernsthaft für wirksame Lösungen einzusetzen.“ Nach Angaben der Tagespost vom Montag hätten den Papst „dramatische Nachrichten über das Schicksal der Bevölkerung im Nordosten des Landes“ erreicht. Wegen der Kämpfe sei die Bevölkerung gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Darunter auch viele christliche Familien.
Der katholisch-chaldäische Vikar der nordsyrischen Stadt Hassaka, Nidal Thomas, berichtete der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung von dem drohenden Exodus der Christen in der Region. Gegenüber der Zeitung erklärte Thomas: „Wenn Erdogan nicht aufhört, werden alle verbleibenden Christen fliehen.“
Furcht vor dem IS ist zurück
Dass Christen in der Region ihre Heimat verlassen müssen, berichtete auch die christliche Menschenrechtsorganisation Open Doors am Freitag. Demnach hat es nach dem Einmarsch der türkischen Truppen im Norden Syriens auch Opfer unter der Zivilbevölkerung gegeben. Unter den Verletzten sind nach Open Doors-Angaben auch Christen. In der Region leben demnach „einige zehntausend Christen“, allein in der Provinzhauptstadt Hassaka sollen es zwischen 25.000 und 30.000 sein.
Auf Anfrage hat Open Doors am Montag mitgeteilt, dass „sich die Lage in der Grenzstadt Kamischli wieder etwas beruhigt zu haben scheint“. Die zwischenzeitliche Überlegung des lokalen Partners Pastor George von der örtlichen „Evangelical Christian Alliance Church“, mit der gesamten Gemeinde die Stadt zu verlassen, um sich weiter südlich anzusiedeln, sei vorerst verschoben worden. „Neben der schwierigen Sicherheitslage aufgrund der Kampfhandlungen sorgen sich die Christen auch wegen der bislang inhaftierte IS-Kämpfer, die aus den Gefängnissen entkommen könnten“, erklärte Open-Doors-Sprecher Ado Greve am Montag auf Anfrage.
Humanitäre Katastrophe droht
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Montag in Berlin mit einer Demonstration vor dem Brandenburg Tor gegen die türkische Invasion in Nordsyrien protestiert und fordert, dass der völkerrechtswidrige Einmarsch gestoppt wird. Dazu hat GfbV-Direktor Ulrich Delius von der internationalen Staatengemeinschaft mehr „wirtschaftlichen Druck auf die Türkei“ verlangt. Nach Schätzungen der GfbV vom Montag sind bereits mehr als 130.000 Menschen auf der Flucht. Nicht nur Kurden und Araber müssten nach GfbV-Angaben massenhaft flüchten, sondern auch tausende Angehörige der christlichen Minderheiten.
Nach Angaben einer Pressemeldung vom Montag hat der Erzbischof von Hassaké-Nisibi, Jacques Behnan Hindo, am Wochenende vor einem Massenexodus von Christen aus den Städten Qamishli und Hassaké gewarnt. Weil in vielen Orten die Wasserversorgung durch die Kämpfe unterbrochen wurde, befürchtet GfbV, „dass sich die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung schnell massiv verschlechtern wird“.
Von: Norbert Schäfer