Am Mittwoch hat sich der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe in einer Anhörung mit Religionsfreiheit und der menschenrechtlichen Lage religiöser Minderheiten in China beschäftigt. Neben Muslimen und Verfechtern der spirituellen chinesischen Praktik Falun Gong werden Christen in dem Land massiv bei der Ausübung ihrer Religion von der chinesichen Regierung eingeschränkt und verfolgt.
„Man möchte nicht, dass christliches Leben öffentlich sichtbar ist“, erklärte Ulrich Delius, Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, vor dem Ausschuss. Deshalb würden Gottesdienste von der Polizei gestört, Gläubige und Priester immer wieder und für kurz Zeit verhaftet. Die Maßnahmen dienten der Einschüchterung. Allerdings habe sich die chinesische Regierung nach Delius’ Einschätzung mit den Maßnahmen verschätzt. „Viele Menschen, die einen Glauben haben, lassen sich nicht so leicht einschüchtern“, sagte er. Stattdessen seien die Repressalien ein Grund, „noch stärker den Glauben zu praktizieren“. Dies habe die Regierung nicht berücksichtigt. Die Angaben über die Zahl der Christen in dem Land schwankten. Einigkeit bestehe nach Ansicht von Delius in dem Punkt, dass die Zahl der Christen stetig zunehme. Seinen Angaben zufolge leben rund 82 Millionen Christen in China. Delius erwartet einen sprunghaften Anstieg der Christen in den nächsten Jahren.
Über die Unterdrückung ethnisch-religiöser Minderheiten berichteten außer Delius weitere Experten: Kelsang Gyaltsen, der ehemalige Sondergesandte des Dalai Lama in Europa, Dolkun Isa, Präsident des Weltkongresses der Uiguren, Wenzel Michalski, Direktor Human Rights Watch Deutschland, und David Li, Mitarbeiter des China Organ Harvest Research Center. Missliebige Anhänger von Religionen würden mittels einer App digital überwacht, erklärte Michalski. Viele Religionsanhänger würden in China zu Umerziehunsmaßnahmen gezwungen oder in Lagern interniert. Li berichtete vor dem Ausschuss von Organentnahmen gegen den Willen der Spender in dem Land.
Konkordat wäre Feigenblatt der Religionsfreiheit
„Die Lage der Christen in China spitzt sich seit einigen Jahren zu. Im Jahr 2018 wurden fünfmal mehr Übergriffe gezählt als im Vorjahr“, teilte Delius auf Anfrage von pro am Mittwoch mit. Kirchen würden abgerissen, Kreuze entfernt, Gottesdienste gestört. „Davon sind nicht-registrierte protestantische Hauskirchen und im Untergrund praktizierende katholische Gemeinden betroffen – aber auch Mitglieder der offiziell anerkannten christlichen Vereinigungen.“
Erst Anfang der Woche sei eine katholische Kirche in der Provinz Hebei zerstört worden, erklärt er. Die Kirche sei im öffentlichen Leben angeblich zu sichtbar gewesen. „Auch Wallfahrtsstätten und Jahrhunderte alte historische religiöse Denkmäler werden nicht geschont. Weitere 23 Kirchen sollen in den nächsten Wochen fallen“, sagte Delius. Die Bemühungen des Vatikans um ein Konkordat mit China wertet er als „besorgniserregend“. Delius: „Einen solchen Vertrag feierlich zu unterzeichnen wäre ein Feigenblatt der Religionsfreiheit in China – und würde den Druck von Partei und Behörden auch auf die offiziell anerkannten Kirchen und ihre Gläubigen kein bisschen mindern.“
China klettert im Weltverfolgungsindex auf Platz 27
Uwe Heimowski, der Politikbeauftragte der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), beobachtet eine Verschlechterung der Religionsfreiheit in China. Daher sei es ein wichtiges Zeichen, dass der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine öffentliche Anhörung zu dem Thema durchführe, sagte er gegenüber pro. „Auch die Christen sehen sich zunehmenden Repressalien ausgesetzt. Im Weltverfolgungsindex von Open Doors machte China 2019 einen Sprung auf Platz 27 von Platz 48 im Vorjahr.“ Symbolisch für die Verfolgung von Christen stehe die Sprengung einer katholischen Kirche in der Stadt Linfen Anfang 2018. „Insbesondere die Christen in Hausgemeinden müssen mit willkürlichen Verhaftungen rechnen. Von daher wäre es wichtig gewesen, wenn der Ausschuss auch ausgewiesene Experten zur Situation der Christen eingeladen hätte.“
Ado Greve von, Open Doors, einem Hilfswerk für verfolgte Christen, sagte auf Anfrage, dass die Gemeinden nach Angaben von Christen in dem Land neue Wege gefunden hätten, das Evangelium weiterhin zu verbreiten. Trotz der teils massiven und beständig zunehmenden Bedrängnis der Christen seit Einführung der neuen Religionsgesetze am 1. Februar 2018. „Die Regulierungen zur Einschränkung der Glaubensfreiheit werden in den Provinzen unterschiedlich konsequent und schnell umgesetzt“, erklärte Greve am Mittwoch gegenüber pro. Aus Zentralchina liegt demnach ein Bericht vor, dass die Polizei in einer Region alle Hauskirchen geschlossen und Pastoren gewarnt habe, weitere Treffen abzuhalten.
Von: Norbert Schäfer