In der Türkei stehen am Sonntag politische Wahlen an und Präsident Recep Tayyip Erdogan will seine Macht bestätigen. Doch eine Opposition erhebt sich gegen ihn. Viele Beobachter sehen die Wahlen als „richtungsweisend“ an. Der seit fast 40 Jahren in Istanbul wirkende Pater Franz Kangler erklärt im Interview der Zeitung Die Tagespost, was eine Verbesserung im Land, auch der Situation der Christen, verhindere. „Gegenwärtig sind in der Türkei lebende Christen wie ich betrübt über die extreme Schwarz-Weiß-Zeichnung ohne Differenzierung, die gegenüber der Türkei erfolgt“, sagt der Geistliche von der Österreichischen St. Georgs-Gemeinde (Lazaristen) Instanbul. Es gebe „viele Probleme im Land“, die aber nicht verbessert werden könnten „mit offen gezeigter Feindseligkeit oder Verachtung, wie sie gerade in deutschsprachigen Ländern – oft aus kurzsichtigen innenpolitischen Motiven – zu finden ist“.
Kangler erklärte, dass als Gegenreaktion im Land „eine Abschottung gegenüber einem als kolonialistisch empfundenen Westen mit ebenfalls manchmal nicht rational erklärbaren Vorurteilen“ erfolge. So schaukelten sich Emotionen gegenseitig in die Höhe. „Um hier gegenhalten zu können, braucht man Geduld und die Bereitschaft zu kleinen positiven Schritten, vor allem auch Respekt vor den vielen liebenswerten Menschen dieses Landes, die gegenwärtig aus gegensätzlichen politischen Lagern eine gemeinsame Zukunft suchen müssen.“
Umgang mit den Kirchen in politischem Kontext gesehen
Kangler ging in dem Interview der Tagespost auch darauf ein, dass Erdogans Partei AKP, als sie an die Macht kam, die Religion wieder sichtbarer machen wollte. Davon profitierten jedoch nur bestimmte Gruppen von Christen, andere erhielten kaum Unterstützung.
Auf die Frage, was Kirchen künftig von der AKP erwarten können, antwortete der Lazaristen-Pater: „Viele dieser Fragen werden in der Türkei in einem politischen Kontext gesehen. Sie werden unter Bezug auf einen unklaren Punkt im Vertrag von Lausanne mit dem Gegenseitigkeitsprinzip verbunden, das im Prinzip für religiöse Grundrechte nicht gelten sollte.“
Der Vertrag von Lausanne von 1923 garantiert Christen in der Türkei eigentlich einen Minderheitenschutz. Doch „das Problem ist nur, dass nach türkischer Lesart nur die Armenier, die Bulgaren und auch die jüdische Gemeinde und Griechen als diese religiösen Minderheiten anerkannt werden“, erklärte Martin Pühn, Referent für deutschsprachige evangelische Gemeinden im Nahen und Mittleren Osten bei der Evangelischen Kirche in Deutschland, in einem älteren Beitrag im Bayerischen Rundfunk. In dem Stück heißt es schließlich: „Überspitzt könnte man sagen, alle anderen Kirchen existieren nicht.“
Ende Mai teilte der Weltverband der Aramäer (WCA) mit, dass die türkische Regierung rund die Hälfte der konfiszierten Kirchengebäude und Grundstücke an die Stiftung des Klosters Mor Gabriel zurückgegeben habe. Der Präsident des WCA, Johny Messo, betonte damals die Bedeutung dieses Schritts und sagte: „Wir sind dem türkischen Parlament für die Rückgabe der aramäischen Besitztümer dankbar. Wir hoffen, dass die restlichen aramäischen Immobilien und Grundstücke bald folgen.“
Von: Martina Blatt