In ihrem Report zur weltweiten Lage der Menschenrechte fordert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) mehr Engagement der internationalen Gemeinschaft zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern. Bei der Vorstellung des Jahresreports 2017/2018 am Mittwoch in Berlin erklärte der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus N. Beeko: „2017 nahmen die Diffamierungen, Repressalien und Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger zu.“
70 Jahre nach der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte versuchten einzelne Regierungen mit einer Rhetorik der Ausgrenzung das Gleichheitsprinzip der Erklärung in Frage zu stellen. Diese Regierungen stellten damit auch die in den letzten Jahrzehnten aufgebaute internationale Rechtsordnung und deren Institutionen in Frage.
Einschränkungen der Presse, Meinungs- und Versammlungsfreiheit
„Weltweit wehren sich jedoch Menschen stärker gegen Versuche, das Rad der Zeit zurückzudrehen“, erklärte Beeko. Jedoch würden sie in vielen Ländern mit zunehmenden Einschränkungen der Presse, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, mit Repression und willkürlichen Verhaftungen konfrontiert. Im zwanzigsten Jahr der Verabschiedung der UN-Erklärung zu Menschenrechtsverteidigern benötigten daher alle Menschen, die für Menschenrechte eintreten, dringend Schutz.
Regierungen seien, mehr denn je seit dem Ende des Kalten Krieges, gefordert, sich auf internationaler Ebene für die Einhaltung der internationalen Rechtsordnung der Menschenrechte einzusetzen und Menschenrechte konsequent zum Leitbild ihrer eigenen Innen- und Außenpolitik zu machen. „Die gewaltsame Vertreibung der Rohingya in Myanmar zeigt uns, wohin die alltägliche Diskriminierung von Minderheiten führt“, sagte der Generalsekretär. Die Ausgrenzungen von Bevölkerungsgruppen und Minderheiten, etwa in Ungarn, auf den Philippinen, in Ägypten und den USA, seien in vielen Ländern zum Alltag geworden.
Journalisten geraten ins Visier
Wer Kritik an Regierungen übe oder über Menschenrechtsverletzungen berichte, werde selbst zur Zielscheibe. „Amnesty International hat im vergangenen Jahr beobachten müssen, wie Journalisten, Gewerkschafter, Anwälte und andere, die sich für die Menschenrechte einsetzen, vermehrt bedroht, verfolgt und getötet wurden“, erklärte Beeko. Seinen Angaben zufolge sind 2017 weltweit mindestens 312 Menschen wegen ihres Einsatzes für die Menschenrechte getötet worden.
Nach Amnesty-Angaben sitzen in der Türkei mehr als 100 Journalisten in Haft, mehr als 180 Medienhäuser sind seit dem Putschversuch im Juli 2016 geschlossen worden. „Mit der Inhaftierung von zwei hochrangigen Amnesty-Vertretern saßen 2017 in der Türkei sogar Repräsentanten einer unabhängigen internationalen Menschenrechtsorganisation in Haft“, erklärte Beeko. Es handle sich dabei in der 55-jährigen Geschichte von Amnesty um einen Präzedenzfall.
Ägypten: Übergriffe auf Christen bleiben ungeahndet
„In Ägypten blieben Angriffe auf Christen und christliche Gemeinden auch 2017 weiterhin ungeahndet und nahmen zu“, erklärte Beeko. Mehrere hundert koptische Christen sind seinen Angaben zufolge 2017 getötet worden. Zum Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit in dem Land heißt es in dem Report: „Die Behörden verletzten weiterhin das Recht auf Religionsfreiheit, indem sie Christen diskriminierten. […] Religiös motivierte Angriffe auf christliche Gemeinden wurden weiterhin nicht geahndet.“ Ein „Klima der Straflosigkeit“ trägt nach Angaben des Berichtes dazu bei, „dass gewaltsame Angriffe auf Christen durch nichtstaatliche Akteure zunahmen“.
US-Präsident Trump billigt Folter
„Die derzeitige Regierung der USA behält sich, trotz des absoluten weltweiten Folterverbotes, Folter und grausame unmenschliche Behandlung als eine staatliche Maßnahme vor“, sagte Beeko im Hinblick auf den Haftort Guantanamo. Dem Bericht zufolge sprach sich Präsident Trump in einem Interview für Folter aus. „Die Entscheidung, ob sie in den USA zur Anwendung komme, überlasse er jedoch dem Verteidigungsminister“, heißt es in dem Report.
China schränkt Religionsfreiheit ein
China habe verhindert, dass der UN-Sicherheitsrat Verletzungen des humanitären Völkerrechts und Kriegsverbrechen habe ahnden können. „In China wurden die Bestimmungen über religiöse Angelegenheiten verschärft und dazu benutzt, das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit […] noch stärker zu beschneiden als bisher“, sagte Beeko am Mittwoch. Russland habe durch sein Veto im Sicherheitsrat verhindert, dass Folter, Kriegsverbrechen und der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien hätten geahndet werden können.
Kritik an GroKo
„In dieser herausfordernden weltpolitischen Situation sind alle Regierungen gefordert, auf internationaler Ebene konsequent auf die Einhaltung völkerrechtlicher Abkommen zu dringen“, erklärte der Generalsekretär. Beeko kritisierte den mangelnden Willen für die Stärkung der Menschenrechte im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. Der Vertrag greife zu kurz angesichts der politischen und wirtschaftlichen Rolle der Bundesrepublik. „Die neue Bundesregierung kann eine deutlich aktivere Rolle einnehmen und zu verhindern helfen, dass die Welt zurück in Zeiten fällt, in denen nur das Recht des Stärkeren gilt“, erklärte Beeko.
Der AI-Menschenrechtsreport beleuchtet die weltweite Menschenrechtslage des vergangenen Jahres in 159 Ländern und dokumentiert Verletzungen sowie Fortschritte und Erfolge im Bereich des Menschenrechtsschutzes.
Von: Norbert Schäfer