Kirchenbesitz-Enteignungen zurückgenommen

Die Enteignung des türkischen Klosters Mor Gabriel ist von der türkischen Regierung revidiert worden. Bei anderen Einrichtungen bleibt die Lage für die Christen im Land weiterhin schwierig.
Von Johannes Blöcher-Weil
Die Enteignung des Klosters Mor Gabriel soll revidiert werden

Die aramäischen Christen in der Türkei sollen das Kloster Mor Gabriel zurückerhalten. Über den Besitz des Klosters schwelt ein jahrelanger juristischer Streit. Die Situation der türkischen Christen ist nach wie vor angespannt. Vor wenigen Monaten hatte die Regierung mehr als 50 frühchristliche Kirchen und Klöster enteignet.

Wie die katholische Presseagentur Österreichs, kathpress, berichtet, begrüßten aramäische Christen die Rückgabe des Klosters Mor Gabriel an eine Stiftung. Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Hakan Cavusoglu hatte die Rückübertragung zugunsten der Kloster-Stiftung vor einer Woche bestätigt. Der zuständige Pfarrer Gabriel Akyüz sprach demzufolge von „guten Neuigkeiten“.

AKP-Politiker: Enteignung „irrtümlich vollzogen“

Mit dem Beschluss der Regierung wurden das Kloster, mehrere Felder und ein christlicher Friedhof wieder in den Besitz der Stiftung überführt. Mor Gabriel ist eines der ältesten Klöster der Welt und zugleich ein bedeutendes Zentrum der syrisch-orthodoxen Christen. Der AKP-Politiker Mustafa Yeneroglu bedauerte die „irrtümlich vollzogene Enteignung“.

In Istanbul wurde 2015 erstmals seit über 80 Jahren der Bau einer Kirche gestattet. Andererseits seien zahlreiche Klöster und Kirchen durch eine fragwürdige Gemeindereform quasi verstaatlicht worden. Für den Bundesvorsitzenden der Aramäer in Deutschland, Daniyel Demir, könne von einer vollständigen Rückgabe keine Rede sein. Auch für die 50 Kirchen und Klöster gebe es keine offiziellen Rückabwicklungen.

Der Religions- und Missionswissenschaftler Christof Sauer hatte in einem Artikel im Christlichen Medienmagazin pro darauf aufmerksam gemacht, dass die Türkei Christen ihr Eigentum raubt. Die Enteignung des Landes sei programmatisch und werde verschleiert. Neben Kirchen mit hoher symbolischer Bedeutung handele es sich auch um umfangreiche Ländereien oder Friedhöfe.

Sauer hatte auf die jahrelange Unterdrückung der christlichen Minderheit aufmerksam gemacht. Beim Völkermord an den Armeniern seien im 1. Weltkrieg über 700.000 Menschen ums Leben gekommen. Hoffnungen habe er in den EU-Beitrittsverhandlungen gesehen. Dort habe die Türkei versprochen, den anerkannten religiösen Minderheiten ihnen ihren weggenommenen Besitz zurückzugeben. Das 2011 unterzeichnete Dekret werde nur schleppend umgesetzt.

Kirchen als Viehställe

Aktuell bezeichnet Sauer jeden Schritt der türkischen Regierung und Behörden in die richtige Richtung als begrüßenswert: „Es zählt aber die Umsetzung und nicht die Absichtserklärungen. Die juristische Enteignung hätte nie passieren dürfen“, sagte er gegenüber pro. Dass der Skandal entdeckt wurde, sei dem investigativen Journalismus der armenischen Zeitung Agos zu verdanken.

Sauer bewertet die gesellschaftliche Atmosphäre für Christen als weiterhin schwierig: „Einer evangelischen Gemeinde in Malatya wurde letzte Woche zum zweiten Mal die Schaufensterscheibe ihrer Ladenkirche eingeworfen.“ Auch im türkisch besetzten Teil Zyperns gebe es Probleme mit Gottesdienststätten. Manche würden sogar als Viehställe genutzt.

Kirchen seien wichtig für die Identität religiöser Gemeinschaften: „Ihr Schutz ist wichtig für die uneingeschränkte Wahrnehmung von Religionsfreiheit. Gotteshäuser und heilige Stätten müssen noch wirksamer durch nationales und internationales Recht geschützt werden. Dafür sollten die europäischen Institutionen und ihre Mitgliedsländer eintreten“, wirbt Sauer.

Von: Johannes Weil

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