Am Montagabend wurden 26 nach Deutschland geflüchtete Afghanen in ihre Heimat zurückgebracht. Es war die zweite Sammelabschiebung von abgelehnten Asylbewerbern aus diesem Land. Die beiden großen Kirchen in Deutschland kritisierten das. Erzbischof Stefan Heße, Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, wies darauf hin, dass die Sicherheitslage in Afghanistan in den vergangenen Jahren immer schlechter geworden sei. Die Zahl innerstaatlicher bewaffneter Konflikte habe sich zugespitzt. Zudem gebe es immer mehr Flüchtlinge innerhalb Afghanistans selbst, was die Situation schwieriger mache.
Manfred Rekowski, Präses der Rheinischen Landeskirche und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte, Rückführungen nach Afghanistan seien „humanitär unverantwortlich”. Darauf deuteten Berichte von Hilfsorganisationen hin. „Wenn die Sicherheitslage prekär ist, sind auch die Menschenrechte in Gefahr”, gab er zu Bedenken.
Kirchen nicht grundsätzlich gegen Abschiebung
Die beiden Kirchenvertreter machten in einer gemeinsamen Erklärung deutlich, dass kein Mensch in eine Region zurückgeschickt werden dürfe, „in der sein Leben durch Krieg und Gewalt bedroht ist. Die Sicherheit der Person muss stets Vorrang haben gegenüber migrationspolitischen Erwägungen.” Gleichzeitig betonten sie, dass die Kirchen nicht grundsätzlich gegen Abschiebungen sei, wenn es für Asylbewerber keine Perspektive gebe, in Deutschland zu bleiben. Inakzeptabel seien jedoch Abschiebungen in lebensgefährliche Länder.
Unter den jungen Männern, die von den Deutschen Behörden zurückgebracht wurden, seien Kriminelle gewesen. Aber auch einige, die bereits seit mehreren Jahren in Deutschland lebten, Deutsch sprechen und einer Arbeit oder einer Berufsausbildung nachgingen, hätten zurück gemusst, meldete die Deutsche Presse-Agentur. Rund 11.900 von etwa 250.000 in Deutschland lebenden Afghanen seien ausreisepflichtig. Davon seien 10.300 geduldet.
Konflikte in Afghanistan weiten sich aus
Die politische und die Sicherheitslage in Afghanistan sind nicht stabil. Das Auswärtige Amt warnt dringend davor, dorthin zu reisen. Reporter der ARD haben im Dezember aus Afghanistan berichtet, dass auch vermeintlich sichere Regionen für Zivilisten gefährlich seien, nicht zuletzt wegen der terroristischen Aktivitäten der Taliban. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zählt in Afghanistan fast 950.000 Binnenflüchtlinge innerhalb des Landes aufgrund der bewaffneten Konflikte dort. Dazu kommen etwa 221.000 Flüchtlinge, die vor Konflikten in Pakistan fliehen und in Afghanistan Schutz suchen.
Das UNHCR stellt in einem Bericht vom April 2016 fest, dass die Sicherheitslage sich nach dem Rückzug der Internationalen Streitkräfte 2014 verschlechtert habe. Der Konflikt zwischen Regierung und Taliban habe sich auf alle Landesteile ausgeweitet. Zudem würden islamistisch-extremistische Gruppen wie der Islamische Stat (IS) und Al-Kaida stärker. Die Zivilbevölkerung trage die Hauptlast. Es gibt Zweifel daran, dass nationale Sicherheitskräfte tatsächlich für Sicherheit und Stabilität sorgen können. Da der Charakter des Konflikts in Afghanistan nicht langfristig vorhersehbar sei, sollten einzelne Anträge von afghanischen Asylsuchenden „sorgfältig im Licht der vom Antragsteller vorgebrachten Beweise und anderer aktueller und verlässlicher Informationen über die Situation in Afghanistan geprüft werden”, empfiehlt das UNHCR.
Für Christen ist das Leben in dem Land sehr schwierig. Nach Angaben des Hilfswerkes „Open Doors” ist in der Gesellschaft wie auch in den Gesetzen nicht vorgesehen, dass ein jemand einen anderen Glauben hat als den Islam. Ein öffentliches kirchliches Leben gibt es demnach nicht, wer sich christlich taufen lässt, riskiere den Ausschluss aus der Gemeinschaft und schlechtestenfalls den Tod. Deshalb hielten viele Christen ihren Glauben geheim. Auf dem Weltverfolgungsindex der Organisation liegt Afghanistan auf dem dritten Rang der Länder mit der schlimmsten Christenverfolgung. (pro)
Von: jst