Open Doors: 200 Millionen Christen weltweit verfolgt

Das Hilfswerk Open Doors korrigiert seine Schätzungen von weltweit verfolgten Christen von 100 auf 200 Millionen Menschen nach oben. Im Weltverfolgungsindex 2017 spielen dabei vor allem islamistische Gruppen, aber auch religiös motivierter Nationalismus eine Rolle.
Von PRO
In Afrika und Asien sind im vergangenen Jahr die meisten Christen verfolgt worden

Nordkorea belegt erneut den ersten Rang auf dem Weltverfolgungsindex. Der am Mittwoch veröffentlichte Bericht des Hilfswerks Open Doors listet in diesem Index die 50 Länder auf, in denen Christen aufgrund ihres Glaubens am stärksten verfolgt werden. Die etwa 300.000 Christen in Nordkorea können unter der Herrschaft von Kim Jong Un demnach nur im Untergrund überleben. Bei Auffindung drohten ihnen Hinrichtung oder Straflager. Etwa 70.000 von ihnen seien Folter und härtester Zwangsarbeit ausgesetzt.

Von Platz vier auf zwei vorgerückt ist Somalia, wo nur einige hundert Christen muslimischer Herkunft leben. Im Falle ihrer Entdeckung müssen sie damit rechnen, ermordet zu werden. Besonders hart traf es im vergangenen Jahr auch eine pakistanische Kirche, in der allein am Ostersonntag in Lahore mehr als 50 Christen bei einem gezielten Anschlag den Tod fanden.

Wie Open Doors berichtet, lässt die Regierung im Sudan erneut Kirchengebäude abreißen und Christen verhaften; einigen drohe die Todesstrafe. In den überwiegend von Christen bewohnten Nuba-Bergen werfe der islamistische Präsident Omar Bashir seit Jahren Bomben auf die eigene Bevölkerung und zerstöre christliche Schulen, Krankenhäuser und Kirchen. In Syrien und dem Irak lebt nur noch ein Bruchteil der ursprünglichen christlichen Bevölkerung.

Durch Folter zurück zum Islam

Im kriegsgebeutelten Jemen breiten sich islamische Extremisten weiter aus. Einheimischen Christen – zumeist ehemalige Muslime – droht die Ermordung. Das Ajatollah-Regime im Iran geht laut Open Doors weiter hart gegen die stark wachsende Anzahl der Konvertiten vor und setzt sie häufig mit Folter unter Druck zum Islam zurückzukehren. Mehr als 90 Christen wurden 2016 verhaftet. In Eritrea wiederum sind Hunderte von Christen in Schiffscontainern und unterirdischen Verliesen eingesperrt.

Open Doors korrigiert Schätzungen deutlich nach oben

Nach dem Weltverfolgungsindex 2017 hat sich die Lage der rund 650 Millionen Christen, die als Minderheit in den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex leben, von Jahr zu Jahr verschlechtert. Im Umfeld des sogenannten Arabischen Frühlings traten sowohl regionale als auch länderübergreifend aktive islamistische Gruppen wie der IS und Boko Haram verstärkt auf den Plan.

Immer wieder seien Christen zur Zielscheibe der Angriffe dieser Gruppen geworden. Als besonderes Beispiel stellt Open Doors die systematische Vertreibung der Christen aus Mossul heraus, bei der Häuser mit dem arabischen „N“ für „Nazarener“ markiert wurden. Die Botschaft der Islamisten lautete demnach, sich dem Islam zu unterwerfen, die Kopfsteuer zu zahlen, das Land zu verlassen oder getötet zu werden.

Parallel dazu verschärfte sich laut dem Bericht die Situation in Afrika. Allein in den nördlichen Scharia-Staaten Nigerias wurden in den letzten Jahren laut Open Doors tausende Kirchen zerstört oder geschlossen. Über eine Million Christen seien bereits vor den Attacken muslimischer Extremisten geflohen. In hinduistischen, buddhistischen und islamischen Ländern Asiens habe der Druck auf Christen wiederum durch wachsenden religiösen Nationalismus kontinuierlich zugenommen.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen hat Open Doors eine Neueinschätzung der Situation vorgenommen und die vor neun Jahren ermittelte Schätzung von weltweit rund 100 Millionen verfolgten Christen aktualisiert. Nach dem Weltverfolgungsindex sind mehr als 200 Millionen Christen einem hohen Maß an Verfolgung ausgesetzt.

Weltverfolgunsindex 2017: Platz eins bis 20 Foto: Open Doors
Weltverfolgunsindex 2017: Platz eins bis 20

Religiös motivierter Nationalismus in Asien auf dem Vormarsch

Indien steht auf dem Weltverfolgungsindex mit Platz 15 so weit vorn wie nie zuvor. Open Doors sieht den Grund dafür in Premierminister Narendra Modi und seiner religiös-nationalistischen Bharatiya-Janata-Partei. Hindu-Nationalisten verprügeln demnach immer häufiger Pastoren, brennen Kirchen nieder und üben Druck auf Konvertiten aus, zum Hinduismus zurückzukehren. Als Basis diene das Verständnis, dass nur ein echter Inder Hindu sei. Dabei gingen die Täter als Gefolgsleute von Modi weitgehend straffrei aus. Etwa 39 der 64 Millionen Christen im Land seien betroffen, berichtet Open Doors. Besonders gelte das für die kastenlosen Dalits, die sich in großer Zahl dem christlichen Glauben zuwenden.

Deutlich verschlechtert hat sich laut dem Hilfswerk auch die Lage der Christen in Laos, Bangladesch, Bhutan und Sri Lanka, überwiegend durch religiös-nationalistische Bestrebungen. Dies gelte auch für die Türkei unter dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der das Land auf einen islamisch-konservativen Kurs eingeschworen habe. Die Türkei stieg im Weltverfolgungsindex um acht Plätze von 45 auf 37 auf. Die Religionsfreiheit für Christen sei dort stark eingeschränkt.

Der religiös motivierte Nationalismus ist laut Open Doors eine Ursache für den gestiegenen Verfolgungsdruck auf Christen. Aufrufe islamistischer, hinduistischer und buddhistischer Regime und Gruppen zur Bewahrung der eigenen kulturellen Identität sprächen Christen und anderen religiösen Minderheiten die Daseinsberechtigung ab. Eine große Rolle spielten dabei sogenannte Anti-Konversionsgesetze, die nur diejenigen bestraften, die zu einem anderen Glauben als dem der Religionsmehrheit konvertierten.

„Islamische Unterdrückung maßgebliche Ursache für Christenverfolgung“

Die meisten der 50 Länder auf dem Weltverfolgungsindex liegen im Nahen Osten und in Nordafrika. Open Doors sieht die islamische Unterdrückung als maßgebliche Ursache für die vorherrschende Christenverfolgung an. Das gelte für acht der ersten zehn Länder sowie für 35 der insgesamt 50 aufgeführten Länder auf dem Weltverfolgungsindex.

Besonders betroffen seien Christen muslimischer Herkunft, deren Zahl weltweit wachse. Konvertiten stünden hier unter besonderem Verfolgungsdruck, weil die Abkehr vom Islam im Koran als todeswürdiges Verbrechen gebrandmarkt sei. Der Druck gehe nicht nur auf islamische Geistliche und Regierungen, sondern auch auf die Gesellschaft zurück. Danach lehnen selbst traditionelle Kirchen die Aufnahme von Konvertiten in der Regel ab, da dies zu Verhaftungen der Kirchenleiter und zur Schließung der Kirche führen kann.

Nach dem militärischen Abzug der USA aus dem Nahen Osten im Jahr 2011 haben zwei Regionalmächte das entstandene Machtvakuum gefüllt. Das sind die islamistischen Regime aus Saudi-Arabien und dem Iran. Wie Open Doors berichtet, versuchen im Jemen zum Beispiel die Saudis den Einfluss des sunnitischen Islam auszuweiten und die schiitischen Huthis zu entmachten. Das Land ist zu einem Kriegsschauplatz geworden, bei dem Christen zwischen die Fronten geraten sind. Im vergangenen Jahr wurden vier Schwestern des Ordens „Missionarinnen der Nächstenliebe“ getötet. Der Iran hat nach Abschluss des Atomabkommens mit den USA laut Open Doors vermehrt Christen aus Hauskirchen inhaftiert. Viele hätten wegen der drastischen Geldstrafen ihre Lebensgrundlage verloren.

Open Doors: Bundesregierung soll Zeichen der Hoffnung setzen

Mehr als 80 Prozent der Christen sind aus dem Irak geflohen, berichtet Open Doors. In der Ninive-Ebene rund um die irakische Stadt Mossul liegen die Ortschaften nach der Vertreibung des IS in Trümmern. „Die Rückkehr der vom IS vertriebenen Bevölkerung, unter der auch viele Christen waren, wäre ein weltweites Zeichen der Hoffnung“, sagt der geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Open Doors Deutschland, Markus Rode: „Wir appellieren an die Bundesregierung, den Wiederaufbau der befreiten Ortschaften in der Ninive-Ebene intensiv zu unterstützen und eine Geberkonferenz ins Leben zu rufen.“

Seit 1955 setzt sich das christliche Hilfswerk Open Doors mit Hilfsprojekten für verfolgte Christen ein, heute in etwa 60 Ländern. Der Weltverfolgungsindex 2017 bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. November 2015 bis 31. Oktober 2016. Open Doors hat die Länder nach sechs Bereichen – Privat- und Familienleben, gesellschaftliches Leben, Leben im Staat, kirchliches Leben und Gewalt im Staat – hinsichtlich der Verfolgung bewertet. Die Bewertungsskala reichte von „völlige Freiheit“ bis „massivste Verfolgung“.

Kritiker hatten die Erhebung von Open Doors in den vergangenen Jahren als schwer nachprüfbar und nicht repräsentativ bezeichnet. Open Doors hatte die Kritik zurückgewiesen. (pro)

Von: mm

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