Jahrhunderte war sie eine Kirche, dann eine Moschee, schließlich ein Museum. Doch nun erschallt aus der Hagia Sophia nach über 80 Jahren wieder der muslimische Gebetsruf. Kritiker beobachten eine Rückverwandlung des weltbekannten Gebäudes in eine Moschee.
In der Hagia Sophia war es die letzten 80 Jahre verboten, Koranverse auszurufen
Die Hagia Sophia (griechisch: „Heilige Weisheit“) war ab dem sechsten Jahrhundert zunächst eine byzantinische Kirche. Nachdem im Jahr 1453 Sultan Mehmed II. Konstantinopel überfallen hatte, machten die Muslime aus dem Gebäude eine Moschee. Im Jahr 1934 veranlasste Mustafa Kemal Atatürk, der erste Präsident der Türkei, die Umwandlung der Moschee in ein Museum.
Im Rahmen der Eröffnung einer Ausstellung mit Kalligrafien zu Ehren Mohammeds wurden im April 2015, dem Karfreitag des Orthodoxen Christenfestes, erstmals nach 85 Jahren wieder Suren aus dem Koran von einem Imam in der Hagia Sophia rezitiert. Anhänger der säkularen Staatsordnung fürchten, dass die regierende islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Rückumwandlung des Museums in eine Moschee anstrebt.
Für die Dauer des islamischen Fastenmonats Ramadan in diesem Jahr soll die Hagia Sophia tatsächlich kurzfristig wieder zur Moschee werden: Der Gebetsruf zum Frühmahl vor dem Abstinenzbeginn mit Sonnenaufgang erfolgt dort seit Montag bis zum 5. Juli. Der staatliche Islam-Fernsehsender TRT-Diyanet überträgt den Ruf landesweit. An der Sendung am frühen Dienstagmorgen hatte auch der Leiter der staatlichen Religionsbehörde, Mehmet Görmez, teilgenommen.
Reaktion auf Genozid-Entscheid?
Samil Tayyar, Abgeordneter der AKP, forderte gegenüber der türkischen Morgenzeitung Sabah, die Hagia Sophia müsse auch über den Ramadan hinaus Moschee bleiben. Die westlichen Christen seien keine Freunde der Türken mehr; man brauche daher auf sie keine Rücksicht zu nehmen. Er wertet die Maßnahme auch als Vergeltung für die vermeintliche „Genozid-Lüge“ der Deutschen und anderer. Ungeachtet scharfer Proteste der Türkei hatte der Bundestag am 2. Juni die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor rund 100 Jahren als Völkermord verurteilt.
Das griechische Außenministerium erklärte, der Vorgang sei „unverständlich und zeige keine Achtung des Monuments, das Weltkulturerbe ist“. Griechische Medien spekulieren, dass es sich um einen ersten Schritt zur dauerhaften Rückumwandlung in eine Moschee handele.
„Christen in Gefahr“
Auch der Vorsitzende des Stephanuskreises, der Kölner CDU-Abgeordnete Heribert Hirte, kritisierte die zwischenzeitliche Nutzung der Hagia Sophia als Moschee. In einer Mitteilung schrieb er, es beängstige ihn, dass die Verstaatlichung und Enteignungen kirchlicher Gebäude in der Türkei voranschreite. „Seit längerem beobachte ich sehr kritisch, wie die Türkei mit ihren eigenen christlichen Landsleuten umgeht“, so Hirte. Im Hinblick auf die Äußerungen des Istanbuler Abgeordneten Şamil Tayyar schreibt Hirte: „Wer uns westlichen Christen in aller Deutlichkeit öffentlich die Freundschaft kündigt und sagt, man habe auf ‚uns‘ keine Rücksicht mehr zu nehmen, überschreitet gerade als Abgeordneter eines demokratischen Parlaments eine wichtige Grenze und bringt auch die Christen in der Türkei erheblich in Gefahr.“
Mit seinen Forderungen, die Hagia Sophia über den Ramadan hinaus als Moschee zu nutzen, wolle Tayyar „bewusst provozieren. Das erschreckende an seinen christenfeindlichen Äußerungen ist, dass er seinen muslimischen Landsleuten damit die Absolution erteilt, Angehörige des christlichen Glaubens in der Türkei zu diskriminieren. Mit der Glaubensfreiheit, wie sie in der türkischen Verfassung steht, hat das nichts mehr zu tun“.
Der Stephanuskreis der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist ein überkonfessionelles Gesprächsforum, das für Toleranz und Religionsfreiheit eintritt und sich um die Situation verfolgter Christen in aller Welt kümmert. Ihm gehören zur Zeit 87 Mitglieder an. (pro)
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.
Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.
Cookie-Zustimmung verwalten
Um dir ein optimales Erlebnis zu bieten, verwenden wir Technologien wie Cookies, um Geräteinformationen zu speichern und/oder darauf zuzugreifen. Wenn du diesen Technologien zustimmst, können wir Daten wie das Surfverhalten oder eindeutige IDs auf dieser Website verarbeiten. Wenn du deine Zustimmung nicht erteilst oder zurückziehst, können bestimmte Merkmale und Funktionen beeinträchtigt werden.
Funktional
Always active
Die technische Speicherung oder der Zugang ist unbedingt erforderlich für den rechtmäßigen Zweck, die Nutzung eines bestimmten Dienstes zu ermöglichen, der vom Teilnehmer oder Nutzer ausdrücklich gewünscht wird, oder für den alleinigen Zweck, die Übertragung einer Nachricht über ein elektronisches Kommunikationsnetz durchzuführen.
Vorlieben
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist für den rechtmäßigen Zweck der Speicherung von Präferenzen erforderlich, die nicht vom Abonnenten oder Benutzer angefordert wurden.
Statistiken
Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu statistischen Zwecken erfolgt.Die technische Speicherung oder der Zugriff, der ausschließlich zu anonymen statistischen Zwecken verwendet wird. Ohne eine Vorladung, die freiwillige Zustimmung deines Internetdienstanbieters oder zusätzliche Aufzeichnungen von Dritten können die zu diesem Zweck gespeicherten oder abgerufenen Informationen allein in der Regel nicht dazu verwendet werden, dich zu identifizieren.
Externe Inhalte / Marketing
Die technische Speicherung oder der Zugriff ist erforderlich, um Nutzerprofile zu erstellen, um Werbung zu versenden oder um den Nutzer auf einer Website oder über mehrere Websites hinweg zu ähnlichen Marketingzwecken zu verfolgen.