Bereits als Zivildienstleistender hat sich der evangelische Theologe und ausgebildete Sommelier Oliver Kircher für Wein interessiert. Während des Theologiestudiums in Reutlingen, Tübingen und an der evangelischen Hochschule in Elstal suchte er einen Ausgleich zu dem „trockenen Stoff “. Ausgleich fand er in der tiefen Beschäftigung mit dem Wein und seiner Herstellung. Die Verknüpfungen von Wein und Bibel interessierten ihn. „In der Bibel gibt es mindesten 300 direkte Bezüge zum Wein. Das hat damit zu tun, dass es in Israel sehr früh schon eine ausgeprägte Weinkultur gegeben hat“, sagt Kircher. „Der Wein war in der Bibel immer auch ein Zeichen für den Segen Gottes und der Gemeinschaft mit Gott.“
In der Bibel sind seiner Ansicht nach viele Facetten zu entdecken über den Wein als Symbol. „Jesus sagt von sich: ‚Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben‘“. Hier werde das Bild des Weinstocks verwendet für Jesus und die Gemeinde. Noch stärker sei die Symbolik beim Abendmahl. „Hier wird etwas deutlich von dem, wie nahe uns Gott kommt. Im Wein berühren sich Himmel und Erde“, sagt der 51-jährige Sommelier.
Begonnen hat es im Supermarkt
Wie viele andere Weinliebhaber hat Kircher sich zunächst im Supermarkt umgesehen und überlegt, welcher Wein zum Essen passen könnte. Als er dann verschiedene Sorten daheim probierte und feststellte, dass es ganz viele unterschiedliche Sitilistiken, Geschmäcker und Düfte gibt, war die Leidenschaft geweckt. „Mache Weine erinnern an Gewürze, oder an Früchte, wecken Kindheitserinnerungen“, sagt Kircher. Immer mehr wollte er über die Herstellung des Weins wissen.
In seiner Zeit als Vikar beobachtete er, dass sich immer mehr junge Erwachsene für das Thema Wein interessierten und es sich als Trend entwickelte, auch in Sachen Wein mitreden zu können. Diesen Trend wollte Kircher mit einem evangelistisch ausgerichteten Angebot nutzen, um über das Medium Wein Menschen auch für den Glauben zu begeistern. „In der Vielfalt der Aromen kann man viel über den Schöpfergott entdecken“, sagt Kircher.
Er entwickelte ein biblisches Weinseminar, das er 2007 als „Weinpfarrer“ unter dem Titel „Wein und Bibel“ an einer Volkshochschule anbot. Mit dem Seminar erreichte er ein buntes gemischtes Publikum, darunter viele Menschen ohne Glaubensbezug. „Nach den Seminaren sind wir oft noch lange sitzen geblieben und haben über Themen gesprochen, die ans Eingemachte gehen. Die Menschen haben dann mitunter ihre Lebensgeschichten erzählt“, erinnert sich Kircher. „Dadurch sind Menschen in die Gemeinde gekommen.“
Verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol
Viele Gemeinden, das hat Kircher festgestellt, haben Probleme damit, in ihren Räumen ein Weinseminar anzubieten. „Da konnten sich manche nicht vorstellen, dass es eine evangelistische Komponente hat“, erklärt er. In den Gemeinden schwinge immer auch die Sorge um das Thema Alkoholismus mit. Dabei ziehe sich das Thema Alkohol von Anfang an mit durch die Bibel – wie ein roter Faden.
„Der Gärungsprozess ist eine schöpfungsgemäße Sache. Das passiert einfach“, sagt der Weinfachmann. In früheren Zeiten hätten die Menschen ohnehin nichts dagegen tun können, weil keine Kenntnisse über Sterilisation vorhanden waren. Die Bibel weise eben auch auf die negativen Seiten des Alkohols hin, das will Kircher nicht einfach ausklammern. „Man muss den verantwortlichen Umgang mit Alkohol zeigen“, sagt Kircher, der heute als Sommelier in München arbeitet. „Wer ein Problem mit Alkohol hat, der sollte lieber drauf verzichten.“
Von: Norbert Schäfer