Mit einem gewinnenden Lächeln und superpünktlich erscheint Hubertus Meyer-Burckhardt zum Termin. Er wickelt sich aus dem Schal, sympathische Lachfältchen spielen um die Augen. Dann schaut er auf die Uhr und sagt freundlich, aber bestimmt: „Wir haben knapp zwei Stunden Zeit.“
Wir treffen den 63-jährigen Gastgeber der NDR-Talkshow, TV-Produzenten, Theatermacher und Autor in einer stilvollen Brasserie am Hamburger Hanseviertel. Er bestellt eine „heiße Zitrone“.
Es bedeute ihm „wirklich sehr viel, diesen Preis zu bekommen“, sagt Meyer-Burckhardt, als er den Christlichen Medienpreis „Goldener Kompass“ in den Händen hält. Der Vielfachpreisträger wirkt authentisch, als er dies sagt – zu seiner Trophäensammlung zählen neben anderen der renommierte Adolf-Grimme-Preis als Produzent, drei weitere gab es für TV-Produktionen unter seiner Leitung. Zudem bekam er den Bayerischen Fernsehpreis, und als erster deutscher TV-Produzent wurde er für den International Emmy Award nominiert.
Der von der Christlichen Medieninitiative pro verliehene „Goldene Kompass“ wurde ihm gemeinsam mit dem Bestsellerautor Christopher Schacht („Mit 50 Euro um die Welt“) zuerkannt: Am 18. Mai 2018 hatte Meyer-Burckhardt als Gastgeber der NDR-Talkshow den jungen Weltenbummler interviewt – vor einem Millionenpublikum schilderte Schacht, was er unterwegs durch 45 Länder über das Leben, die Liebe und über Gott gelernt hatte.
In seiner Laudatio in der Berliner St.-Matthäuskirche charakterisierte Bild-Vizechefredakteur Daniel Böcking den TV-Talker Meyer-Burckhardt als fairen, empathischen Stichwortgeber. Er sei „charismatisch, witzig, schlagfertig, sympathisch und sensibel bei schwierigen Themen“. Der christliche Glaube scheine in den Medien manchmal ein solches schwieriges Thema zu sein.
Meyer-Burckhardt habe seinem Talkgast auf einfühlsame und zugleich professionelle Weise die Möglichkeit gegeben, offen und ehrlich über sich selbst zu sprechen: „Auch das macht wohl einen sensiblen Menschen aus: zu spüren, was genau einen Gesprächspartner antreibt, was sein Motor ist. Hubertus Meyer-Burckhardt fasst selbst in dem Gespräch häufig nach, vertieft die Glaubensreise von Christopher, gibt ihm Platz, das zu sagen, was ihm wichtig ist.“ Die Jury des „Goldenen Kompasses“ zeigte sich beeindruckt von der vorurteilsfreien Offenheit und Neugier des TV-Manns, der selbst kein Christ ist.
Das Thema christlicher Glaube ist ihm dennoch wichtig. Er beschreibt sich „als einen Suchenden“. Auf die Frage, ob es Gott gibt, antwortete er einmal in einem Interview kurz: „Ich hoffe.“ Lebhaft schildert er im Gespräch, wie er schon von klein auf kirchliches Gemeindeleben aus der Nähe mitbekam. Das war durchaus prägend und intensiv: „Ich wuchs direkt neben der Christuskirche in Kassel auf“, erinnert er sich. Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen erlebte er „als Zaungast in hoher Schlagzahl“. Auch seine Konfirmation bedeutete ihm etwas, er habe einen wunderbaren Pfarrer gehabt.
Dennoch habe er die Evangelische Kirche insgesamt, deren Würdenträger und die Leute, die dort ein- und ausgingen, vielfach als „sauertöpfisch“ erlebt. Hoffnungsvolles, lachende Gesichter, Lebensfreude – Fehlanzeige. Sein Fazit bis heute: „Evangelische Kirche: Ich habe oft das Gefühl, das betrifft mich nicht.“ Und dann gibt es zum Glück diese anderen Erfahrungen, die Mut machen: Kürzlich sei er einer höherrangigen Kirchenvertreterin begegnet. Eine beeindruckende, engagierte Theologin: „Diese Begegnung hat mir Hoffnung gemacht“, sagt er.
Wichtig ist es ihm dennoch zu sagen: „Ich wünschte, ich könnte glauben. Aber bislang kann ich es nicht.“ Er sei Agnostiker, also ein Mensch, der gern wissen will, aber einfach nicht weiß, ob es Gott gibt oder nicht. Auf keinen Fall sei er Atheist – das schiene ihm absurd, weil das ja die Beweislast umdrehe: „Dann müsste ich ja belegen können, dass es keinen Gott gibt.“
Meyer-Burckhardt hält es da lieber mit Immanuel Kant (1724–1804). Mit dem großen Philosophen der Aufklärung, mit dessen Gedanken zu Vernunft und Religion hat er sich schon als Student in Berlin beschäftigt. Im Leben des Menschen gebe es demnach drei Säulen: Gott, Freiheit und Unsterblichkeit. Interessant sei, dass Kant zum Ende seines Lebens gefragt habe: „Worauf darf ich hoffen?“ Dabei sei es wohl um die Perspektive eines Lebens nach dem Tod gegangen – also eine der Kernfragen des christlichen Glaubens.
Mit Dämonen ist es nicht schön
Hubertus Meyer-Burckhardt spricht meist sehr schnell, formuliert viele kluge, ja philosophische Gedanken. Er tut dies mit prägnanten Worten, mit Händen, mit Armen, mit leuchtenden Augen. Dann bleibt noch etwas Zeit, um über die Zeit zu sprechen – sein großes Thema zurzeit. Jetzt hält er einen Augenblick inne. Leise, langsam und sehr bewusst sagt er: „Ich bin sehr sorgfältig mit meiner Zeit.“ Begrenzte Lebenszeit – man nimmt ihm ab, dass ihm dieses Thema sehr wichtig ist. Lebenswichtig.
Öffentlich und sehr ehrlich hat er darüber berichtet: Vor gut zwei Jahren wurde er von einer Krebsdiagnose überrascht. Zwei Tumore belasten seither sein Leben. Seine Frau, die Journalistin Dorothee Röhrig, riet ihm, er solle den Feinden in seinem Körper Namen geben: „Gegner ohne Namen sind keine Gegner, die man bekämpfen kann“, sagte sie damals. Seither heißen die beiden Karzinome „Kafka“ und „Shaw“ – benannt nach den Lieblingsautoren Meyer-Burckhardts. Dankbar und glücklich sei er derzeit, weil die Feinde in seinem Körper bislang weitgehend „faul“ seien. Doch obwohl Meyer-Burckhardt ein so agiler, optimistischer, lebensfroher Mensch ist – manchmal sind da eben auch die „bösen Dämonen“. Mit Augenzwinkern und zugleich sehr ernst sagt er: „Wenn du nachts um halb vier wach bist und den Eindruck hast, dein Bett ist umstellt, dann ist das einfach nicht schön.“
„Die ganze Scheiße mit der Zeit“, so lautet der Titel seines Buches, mit dem Meyer-Burckhardt derzeit durch Deutschland tourt. Auf seiner Leserreise kommt er mit Tausenden Menschen ins Gespräch. Über ein Thema, zu dem auch die Kirchen – nicht nur bei Trauerfeiern – einiges sagen könnten: „Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen“ (Psalm 90, 15) und „Alles hat seine Zeit“ (Prediger 3).
Meyer-Burckhardt hat zuweilen den Eindruck, dass die Kirche gerade bei diesen Themen sprachlos geworden ist. Er selbst spricht darüber im Plauderton, mit Selbstironie, lebensklug und lebenslustig, scherzhaft und manchmal schmerzhaft. Er berichtet von den Dingen des Lebens. Und mit entwaffnender Offenheit konfrontiert er seine Leser mit den Grenzen des menschlichen Daseins. „Meine Heimat ist die Sehnsucht“, sagt Meyer-Burckhardt. Über viele Jahre habe er das trügerische Gefühl gehabt: Zeit sei ein unbegrenztes Gut. Seit der Krebsdiagnose ist das anders. „Nie zuvor“, sagt er, „ist mir so bewusst gewesen, wie wertvoll unsere knapper werdende Lebenszeit ist: Unser Leben ist ein Geschenk.“ Und er ergänzt: „Ich bin wirklich einer, der um den Glauben ringt.“