„Wir müssen die Jugendlichen jede Woche neu gewinnen“

Am 1. Januar hat Klaus Göttler seinen Dienst als theologischer Leiter des Jugendwerks „Entschieden für Christus“ (EC) angetreten. Im Gespräch mit pro verrät er, was ihm für seinen Dienst wichtig ist, was ihn an der Arbeit mit jungen Menschen reizt und wie er den Glauben an die junge Generation weitergeben möchte.
Von PRO
Am 1. Januar hat Klaus Göttler seinen Dienst als theologischer Leiter des Jugendwerks „Entschieden für Christus“ (EC) angetreten. pro stand er zu Beginn seiner Amtszeit Rede und Antwort.

pro: Willkommen zurück: Sie sind zum zweiten Mal EC-Bundespfarrer. Wie kam es dazu?

Klaus Göttler: Ich musste nachsitzen (lacht). Ich war schon einmal beim EC und im Zuge dessen von 2002 bis 2004 kommissarisch in dieser Position. In den 17 Jahren durfte ich den EC-Verband als Referent mit prägen. Das war eine tolle Zeit mit schönen Erfahrungen. 2018 wurde ich gefragt, ob ich zurückkehren wollte. Das hat mich überrascht. In meinem Alter steigt man nicht unbedingt in einen Jugendverband ein. Ich habe das als Berufung erlebt, weil ich ein großes Herz für Jugendarbeit habe.

Mussten Sie lange überlegen?

Ich habe zunächst abgesagt. Ich war mir nicht sicher, ob der Schritt zum EC sinnvoll ist. Die Anfrage hat mir aber keine Ruhe gelassen. Ich wollte mich der Aufgabe stellen. 2019 wurde ich dann berufen. Ich hatte noch Verpflichtungen bei meinem bisherigen Arbeitgeber, als Dozent der Evangelistenschule Johanneum in Wuppertal. Dadurch gab es eine längere Vakanz.

Was macht ein EC-Bundespfarrer den ganzen Tag?

Aus dem Bundespfarrer haben wir mittlerweile einen Generalsekretär gemacht. Die Aufgaben sind gleich geblieben. Der Generalsekretär leitet den EC-Verband mit seinen 17 Landesverbänden inhaltlich und theologisch. Mit den Verantwortungsträgern will ich unterwegs sein und schauen, wie wir die Jugendlichen erreichen, vernetzen und unterstützen können. Außerdem habe ich die Personalverantwortung für unsere Mitarbeiter.

Der EC befindet sich gerade in einem Prozess zur Strategieentwicklung. Wie weit sind Sie da?

Der Prozess „Entschieden Richtung Zukunft“ hat vor drei Jahren begonnen. Wir schauen, wofür der EC inhaltlich steht und wo er hin will. Die Arbeit des EC hat vier Kernmerkmale. Wir sind zuerst auf Jesus Christus ausgerichtet. Zweitens ist es die Verbundenheit zu anderen Gemeindegliedern. Wir verstehen uns als Teil von Gottes großem Netzwerk. Drittens ist der EC eingebunden in eine Gemeinde und will nicht alleine sein Dasein fristen. Die missionarische und diakonische Perspektive ist die vierte Dimension. Alle zusammen sind ein guter Prüfstein für unsere Arbeit.

Der EC hat die junge Generation im Blick. Wie tickt unsere Jugend heute?

Jugendliche sind in unterschiedlichen Beziehungen unterwegs. Ältere Jugendliche fordert es heraus, dass sie viele Optionen haben. Dazu gehört die Berufswahl oder die Arbeit in der Gemeinde. Auch hier legen sich Jugendliche nicht gerne fest. Wir müssen die Jugendlichen jede Woche neu gewinnen. Das fordert heraus. Die junge Generation möchte sich aber auch engagieren und ist bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Ab wann hat der christliche Glaube in Ihrem Leben eine Rolle gespielt?

In meinem katholischen Elternhaus gab es Berührungspunkte. Mit 18 Jahren war ich in Schottland im Urlaub. Bei einem Straßeneinsatz fragte mich jemand, wie ich zu Jesus stehe. Es hat mich gereizt, darüber nachzudenken. Dabei wurde mir bewusst, dass der Glaube etwas mit meinem Leben zu tun hat. In der Schule habe ich davon erzählt und erfahren, dass einige Mitschüler auch Christen sind. Sie haben mich in eine EC-Jugendgruppe eingeladen. Mich hat fasziniert, dass junge Leute so etwas wirklich glauben. Bisher war das für mich ein traditionelles Konzept, aber nichts Lebensrelevantes.

Wie haben Ihre Eltern reagiert?

Mit einer gesunden Skepsis. Sie wussten ja nicht, in welche Kreise ihr Sohn da jetzt ging. Ihre kritischen Nachfragen waren hilfreich. Ich bin dann später konvertiert. Da waren sie mit im Gottesdienst. Das habe ich ihnen hoch angerechnet. Bis heute diskutieren wir noch viele Fragen kontrovers, aber auf einer gemeinsamen Ebene.

Sie haben dann Theologie studiert …

Eigentlich wollte ich Musiker werden. Ich habe dann meinen Zivildienst mit mehrfach behinderten Kindern geleistet. Das hat mein Menschenbild und die Frage nach dem Wert des Lebens auf den Kopf gestellt. Ich habe den Wert von Kindern entdeckt, die im Prinzip nichts können. Das war ein Meilenstein. Menschen haben mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, hauptamtlich für Gott zu arbeiten. Nach einem Praktikum im CVJM konnte ich zu dieser Berufung „Ja“ sagen. Ich hatte Evangelisation positiv erlebt und wollte, dass auch andere Menschen Jesus kennenlernen.

Wie einfach war es für Sie, Ihren drei Kindern den christlichen Glauben zu vermitteln?

Wir haben mit unseren Kindern oft und offen darüber geredet. Ab einem bestimmten Alter haben Eltern da aber nur noch ein beschränktes Mitspracherecht. Das ist spannend und man muss manchmal sehr demütig werden. Natürlich ist es schön, wenn die eigenen Kinder ihren Glaubensweg gehen: manchmal ganz anders als ich selbst.

Was ist heute notwendig, um junge Menschen missionarisch zu erreichen?

Es braucht ein Herz und Verständnis für Jugendliche. Ich kann sie nicht von oben herab belehren. Das merken sie sofort. Ich möchte gemeinsam mit ihnen unterwegs sein. Das bedeutet auch, sie kritisch zu begleiten und ihnen Fragen zu stellen. Mentoring ist wichtig: Jugendliche brauchen Menschen mit Lebenserfahrung, bei denen sie sich Dinge abschauen können. Echtheit und Authentizität sind strapazierte Begriffe. Aber Jugendliche haben ein feines Gespür dafür, wenn Leben und Glauben nicht übereinstimmen.

Welche Rolle spielen dabei digitale Medien?

Wir stehen hier am Anfang und haben auch manche Entwicklungen verschlafen. Für viele unserer jungen Menschen sind die Kanäle ganz selbstverständlich Teil ihres Leben und digitale Treffpunkte. Sie haben die Möglichkeit, sich mich mit Leuten zu „treffen“, die in Amerika oder Australien sitzen. Gleichzeitig fordert die Digitalisierung auch heraus. Viele sind nicht mehr irgendwo verortet. In Gemeinde und Jugendarbeit geht es ja auch darum, eine Heimat zu finden. Junge Leute tun sich schwer, anzukommen und zu bleiben. Ich erlebe aber auch 14-, 15-Jährige, die ihren Konsum herunterfahren und auch einmal bewusst offline sind.

Worin sehen Sie da die Aufgabe der Erwachsenen?

Wir sollten den Digital Natives helfen, auch in ihrer Welt sprachfähig unterwegs zu sein – ohne die digitalen Plattformen zu „erobern“. Oft bekommen wir gar nicht mit, wie viele Leute dort schon prägend unterwegs sind. Jeder hat dort eine Plattform, um das zu sagen, was er will.

Wie sind Sie selbst, wie ist der EC da aufgestellt?

Ich bin selbst dort aktiv, aber nicht, weil ich Generalsekretär eines Jugendverbands bin. Das ist im Laufe der Jahre gewachsen. Ich will mich auch nicht verbiegen und bin dort gerne präsent. Beim EC haben wir jemanden angestellt für diesen Bereich. Das ist uns wichtig, aber nur dadurch ist das Thema noch nicht bearbeitet. Es kommen viele Impulse von aktiven Jugendlichen an der Basis, die wir unterstützen können.

Was ist die größte Herausforderung für einen Jugendverband wie den EC?

Es fordert heraus, immer in Bewegung zu bleiben und das Fundament nicht zu verlieren. Wir haben es hier insofern ganz gut, weil uns unser Name provoziert. Traditionelle Jugendverbands-Arbeit ist für viele nicht gerade prickelnd. Es fällt Jugendlichen schwer, sich fest zu engagieren. Hier müssen wir uns investieren, um junge Menschen zu Verantwortungsträgern zu machen.

Zu welchen Themen sollte der EC Stellung beziehen und zu welchen nicht?

Wir müssen uns immer dann äußern, wenn wir Anwalt für Jugendliche sein können. Jugendliche müssen wir als eigenständige Größe wahrnehmen, die eine gesellschaftliche Bedeutung hat. Sie brauchen gute Rahmenbedingungen. Außerdem können wir unser inhaltliches Profil einbringen: Ihr Leben soll auf dem Fundament des Evangeliums stehen. Letztlich ist das für unsere Gesellschaft von entscheidender Bedeutung. Wir wollen uns als missionarische Jugendbewegung einbringen – ohne Scheuklappen und mit klarem Profil.

Was wollen Sie rückblickend in 10 Jahren über Ihre Arbeit beim EC-Verband resümieren?

Ich würde mich freuen, wenn wir es geschafft haben, Jugendliche auf dem Weg zu leidenschaftlichen Jesus-Liebhabern zu unterstützen. Ich möchte ihnen die Liebe zur Bibel näher bringen und sie als Zeugen für das Evangelium stärken.

Welche Schlagzeile würden Sie gerne einmal über den EC lesen?

Ich bin kein Medienmacher. Das müssten Sie machen. Ich würde mir wünschen, dass die beiden Hände Christi im EC zu finden sind: das Wort und die Mission sowie die Tat und die Diakonie. Wenn der EC dafür bekannt ist, wäre das schön.

Vielen Dank für das Gespräch.

Der Deutsche EC-Verband („Entschieden für Christus“) hat 17 Landesverbände, die nicht deckungsgleich mit den Bundesländern sind. Im gehören 5.000 Mitglieder an. Die Mitgliedschaft ist keine reine Vereinsmitgliedschaft, sondern hat eine inhaltliche Bedeutung: Mitglieder sind selbst bekennende Nachfolger von Jesus Christus. In die wöchentlichen Gruppenangebote gehen nach Angaben des Verbandes über 40.000 Menschen. Er ist größtenteils eine Bewegung von Ehrenamtlichen.

Die Fragen stellte Johannes Blöcher-Weil

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