„Jesus liebt auch die Türken“

Bülent Askar ist Deutschtürke und als Muslim aufgewachsen. Als seine deutsche Frau sich einer christlichen Gemeinde anschließen will, beginnt er, Christen zu hassen – doch wird später selbst Christ.
Von PRO
Der Ex-Muslim Bülent Askar sagt: „Gott nimmt dich so an, wie du bist“

pro: Wenn Sie sich vorstellen, sagen Sie gerne: „Ich bin Türke und ich bin Christ. Das geht.“ Warum betonen Sie das?

Bülent Askar: Weil der christliche Glaube nicht vom Westen gepachtet ist. Jesus liebt auch die Türken. Darum betone ich immer: Es ist möglich und ok, wenn du Türke bist und gleichzeitig Christ bist. Christsein hat nichts mit der Nationalität zu tun.

War das für Sie schon immer selbstverständlich, dass der Glaube nichts mit der Nationalität zu tun hat?

Nein, im Gegenteil. Damals habe ich so gedacht, wie die jetzigen Landsleute von mir denken: Ein Türke muss Muslim sein – oder Atheist ist auch in Ordnung, aber Christ, das kommt überhaupt nicht in Frage.

Wie kam es dazu, dass Sie sich mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt haben?

Weil meine Frau sich bekehrt hat und ihren Glauben gelebt hat und das hat mir überhaupt nicht gepasst. „Ich bin trotz allem Türke und Muslim!“, habe ich damals gedacht. Aber meine Frau ist Christin geworden und hat sich taufen lassen, das war der Knackpunkt.

Zu dem Zeitpunkt waren Sie Muslim. Wie haben Sie Ihren Glauben gelebt?

Eigentlich hatte ich vom Islam Abstand genommen, aber nachdem meine Frau Christin geworden ist, bin ich zurück zum Islam gegangen, zu meinen Wurzeln. Ich wollte ihr zeigen, dass das Christentum falsch ist. Ein Gott kann keinen Sohn haben, Jesus ist nicht gestorben, der Bibeltext ist gefälscht.

Ihre Ehe hat durch diese Spannungen gelitten und Sie haben die Christen dafür verantwortlich gemacht. Sie wollten sich sogar an demjenigen, der Ihre Frau getauft hat, rächen. Wie sollte das aussehen?

Ich habe von einer Gemeindeveranstaltung erfahren, bei der auch der Mann sein sollte, der meine Frau getauft hat. Ich hatte dem „Täufer“ meiner Frau gedroht, er hat sie aber trotzdem getauft. Dann bin ich hingefahren – mit Aggressionen. Als meine Frau mich gesehen hat, hat sie geschrien: „Mein Mann ist da!“ Der „Täufer“ hat angefangen zu rennen, weil er Angst hatte, und ich wollte ihn schnappen. Ich wollte ihm richtig, richtig weh tun. Und da sprach Gott das erste Mal mit mir: „Was haben diese Menschen dir getan?“ Nach dem, was er gesagt hat, war die ganze Kraft, die ganze Aggression weg. Ich war auf Null, auf Reset gedrückt. Ich habe alles in Frage gestellt. In dem Moment war ich komplett leer und ich wusste nicht, was richtig und was falsch ist.

Was hat Sie so sicher gemacht, dass Gott zu ihnen gesprochen hat?

Entweder war ich verrückt oder es war etwas Übernatürliches, also Gott. Er wollte diese Menschen schützen und deshalb hat er mich gefragt: „Was haben diese Menschen dir angetan?“ Deswegen wusste ich ganz genau, das war der Gott von den Christen, der zu mir gesprochen hat. Das hat mich richtig gebremst.

Wie haben Sie auf diese Frage reagiert?

Ich war durcheinander, mein ganzes Leben war durcheinander. Dann fing ich an, mir Fragen zu stellen: Wer war das? Wieso ist das passiert? Drei, vier Wochen habe ich mit diesen Gedanken gespielt.

Hat die Stimme später noch einmal zu Ihnen gesprochen?

Ich habe wochenlang darüber nachgedacht, was richtig und was falsch ist und ob Jesus wirklich Gott ist und ob er dann der wahre Gott ist. Eines Tages hat Gott wieder mit mir gesprochen: „Lass dich taufen.“ Beim ersten Mal habe ich das ignoriert, beim zweiten Mal bin ich wirklich aufgestanden, habe meine Hände hochgehoben und gesagt: „Ich bin Türke. Falsche Adresse!“ Und beim dritten Mal hat er wieder gesagt: „Lass dich taufen.“ Und beim letzten Mal war es so, dass ich ein Feuer in meinem Körper gespürt habe und ich wusste, ich muss mich taufen lassen. Eine Woche später habe ich mich taufen lassen.

Bülent Askar ist 42 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in München. Er leitet das christliche Hilfsprojekt „Perlacher Herz“, das Nachbarschaftshilfe anbietet. Foto: Christine Keller
Bülent Askar ist 42 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in München. Er leitet das christliche Hilfsprojekt „Perlacher Herz“, das Nachbarschaftshilfe anbietet.

Hatten Sie dann das Gefühl, Sie würden mit der Taufe Ihre türkische Identität aufgeben?

Überhaupt nicht. Ich wusste nur, dass ich dieser Stimme folgen muss, alle anderen waren Nebensache. Das hatte mit den Türken überhaupt nichts zu tun. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Ich wusste nur, dass es etwas Schönes wird.

Wie hat die Taufe Ihr Leben verändert?

Dann war ich drei Monate ein super guter Mensch. Ich habe in der Bibel gelesen, aber ich habe keinen Raum für Gott gelassen. Ich wollte alles selbst machen. Nach drei Monaten hatte ich keine Kraft mehr. Da habe ich mich wieder gefragt: „Was ist da passiert in meinem Leben? Ich bin jetzt Christ geworden, ich mache alles gut, aber es hat sich nichts geändert eigentlich.“ Dann hat Gott sich ein drittes Mal gezeigt.

Wie sah das aus?

Ich habe sehr viel gehadert, denn als Türke Christ zu sein ist nicht leicht. Du wirst von anderen Leuten veräppelt, du hast deine Eltern enttäuscht. Deswegen habe ich Gott gesagt, dass sich unsere Wege wieder trennen müssen. Danach tat es mir leid, dass ich mit ihm gehadert habe und zum Schluss habe ich ihn gebeten, dass wenn er mich wirklich angenommen hat, als Türke, als Sünder, dann soll er mir bitte seine Liebe zeigen. Das war wirklich ein Gebet von Herzen.

Warum erzählen Sie heute davon?

Dass Gott Liebe ist, dass Gott jeden erreichen will, egal, was du in deinem Leben machst und welche Sünden du hast, du musst Gott nichts beweisen. Gott nimmt dich so an, wie du bist. Lass Gott daran arbeiten. So einen Gott haben wir! Gott ist barmherzig und gnädig. Und das will ich den Menschen einfach weitergeben.

Sie haben sich als Türke und Christ alleine gefühlt und das Netzwerk „Türkische Christen in Deutschland“ gegründet. Worum geht es in diesem Netzwerk?

Das Netzwerk hilft Menschen, die einen muslimischen Hintergrund haben und sich für Jesus entscheiden. Wir unterstützen sie, dass sie eine Gemeinde finden, dass sie Trost finden. Jeder, der diesen Weg geht, merkt, dass es ein Leidensweg ist. Es ist nicht so einfach.

Welche Rückmeldung erhalten Sie auf diese Arbeit?

Eigentlich eine sehr gute, aber eine Medaille hat leider immer zwei Seiten – es gibt auch sehr viele Drohungen, dass es überhaupt keinen Spaß mehr macht.

Wie gehen Sie mit diesen Drohungen um?

Am Anfang habe ich sehr viel gehadert, ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Aber jetzt weiß ich es: Jeder, der mich angreift, greift eigentlich nicht mich an, sondern Jesus. Und er macht das schon. Davon bin ich voll überzeugt. Wenn Drohungen kommen, lache ich nur und schreibe mit Liebe zurück.

Sie arbeiten heute in einer christlichen Einrichtung, die Nachbarschaftshilfe in München anbietet. Diese Einrichtung ist auch eine Anlaufstelle für Muslime. Wie reagieren Muslime dort auf Sie?

Sie sind neugierig. Sie sagen: „Du bist doch Türke, aber du trägst ein Kreuz.“ Und dann erkläre ich ihnen, dass es nichts mit der türkischen Nationalität zu tun hat. Die Kinder verstehen das oft nicht, die Erwachsenen sind schockiert, aber auch neugierig. Die kommen zu mir und fragen, wie es passiert ist, wieso ich mich dafür entschieden habe. Dann erzähle ich meine Geschichte. Ich erzähle von Jesus und seiner Liebe, seiner Warmherzigkeit und seiner Gnade. Das berührt die Leute.

Sie haben noch viel Kontakt zu Muslimen. Wie schätzen Sie es ein: Wie gut sind Muslime in Deutschland integriert?

Das hat man ja bei der Wahl [Anmerkung: Das Verfassungsreferendum im April 2017] gesehen, es waren 63 Prozent für Erdogan. Die Integration hat nicht richtig funktioniert.

Woran machen Sie das fest – nur an dem Referendum?

Nein, das hat auch mit unserer Kultur zu tun, aber es gab auch Fehler vom Staat – die muss man auch sehen. Wir bleiben lieber unter Türken, wie Albaner unter Albanern bleiben. So entstehen auch die Ghettos. Diese Gruppen geben nicht viel preis nach außen oder nicht zu den Deutschen. Aber es auch mit dem Glauben zu tun, das eine sind Christen, die anderen sind Muslime. Aber Deutschland hat auch sehr viele Fehler gemacht. Sie bauen nur in einem Stadtteil Sozialwohnungen und die ganzen sozial schwachen Menschen werden dorthin geschickt. Da kann nichts Gutes bei rauskommen. Man muss das mischen. Auf beiden Seiten sind Fehler passiert. Wir Türken wollen wirklich unter uns bleiben, das weiß ich auch von meinen Eltern. Sie haben hier 40 Jahre gelebt und keinen einzigen deutschen Freund, keinen einzigen. Nur Türken.

Wie kann man diese Situation verbessern? Es sind einige Maßnahmen im Gespräch, zum Beispiel, dass es Islamunterricht an Schulen geben soll oder dass Imame in Deutschland ausgebildet werden sollen. Welche Maßnahmen sind Ihrer Einschätzung nach sinnvoll?

Imame in Deutschland auszubilden ist eine gute Idee. Die ganzen Imame, die in Deutschland sind, werden von der Türkei regiert und das ist nicht in Ordnung. Aber in der Schule Islamunterricht – da bin ich dagegen.

Warum?

Weil es ein christliches Land ist. Wir müssen die Kreuze aus den Klassenzimmern nehmen, aber geben Islamunterricht? Dafür gibt es Moscheen. Da kriegen sie ihren Islamunterricht. Nur die Imame müssen von Deutschland überwacht werden.

Die Imame müssen von Deutschland überwacht werden? Ist es die Aufgabe der Politik zu überprüfen, was in Moscheen gepredigt wird?

Ganz genau. Es gibt so viele Hassprediger, die ganzen Salafisten, und das muss überwacht werden.

Beeinflusst die türkische Kultur noch Ihren Alltag?

Ich habe von meiner Frau nie verlangt, dass sie Türkisch lernt. Das will ich auch jetzt nicht verlangen. Wir leben in Deutschland, das heißt auch, dass meine Kinder Deutsch lernen müssen statt Türkisch. Deutsch hat Priorität und wenn sie Zeit haben, können sie auch Türkisch lernen, das ist auch in Ordnung.

Ihre Eltern nehmen das so an?

Meine Eltern nehmen das bei mir an, bei meinen Kindern aber nicht. Sie fragen: „Warum bringst du ihnen nicht Türkisch bei, dass wir uns mit ihnen unterhalten können?“ Dann sage ich: „Mama, die werden nie in die Türkei gehen, wenn dann nur für einen kurzen Aufenthalt. Deswegen müssen sie Deutsch sprechen. Ich verstehe meine Eltern auch, sie können nicht so gut Deutsch und sie möchten sich gerne mit den Enkeln unterhalten. Aber einen Tod muss man immer sterben. (lacht)

Mit welcher Kultur wachsen Ihre Kinder auf?

Die sollen von beiden Kulturen das Beste mitbekommen. Die Muslime haben eine wirklich gute Kultur, aber nicht alles ist gut. Aber das Gute gebe ich meinen Kindern mit, zum Beispiel der Respekt vor Erwachsenen, vor älteren Leuten. Darauf achte ich sehr. Zum Beispiel, wenn ich in der Straßenbahn sitze und eine ältere Dame kommt, dann stehe ich auf. Deutsche machen das auch, aber bei uns ist das ein Muss, es ist selbstverständlich. In der Türkei würdest du nie einen älteren Menschen finden, der im Bus stehen muss. Ich bringe meinen Kindern auch bei, wie man mit dem Vater umgeht. Und dafür bekommen sie von mir die christliche Liebe. Das passt perfekt zusammen.

Die Fragen stellte Christine Keller

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