Niemand soll wegen der Corona-Maßnahmen allein sterben müssen. Das betonte der Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) in einem am Dienstag veröffentlichten Aufruf. Haupt- und ehrenamtlichen Seelsorgern und Pastoren werde es „immer wieder unmöglich gemacht“, Sterbende zu begleiten. Es sei menschenunwürdig und verantwortungslos, wenn Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen sterbenden Menschen den Wunsch auf geistlichen Beistand durch ihren vertrauten Seelsorger verwehrten. Darauf verzichten zu müssen, treibe Sterbende und deren Angehörige in große innere Not.
„Wir fordern die Verantwortlichen in Regierung und Verwaltung auf, für Regelungen zu sorgen, die den Zugang zu in seelsorgerlicher Not befindlichen Menschen ermöglichen. Menschen müssen im Sterbeprozess begleitet werden dürfen – um Schaden vom Einzelnen und unserer ganzen Gesellschaft abzuwenden“, heißt es in dem Appell des BFP-Vorstandes. Schutzausrüstung müsse dafür kostenlos bereitgestellt werden. Zudem äußern die Unterzeichner die Bitte, Pastoren und von Gemeinden beauftragte Seelsorger als systemrelevant einzustufen und frühzeitig gegen Covid-19 zu impfen. Zum BFP gehören 836 Gemeinden und insgesamt 68.872 Mitglieder. Der Bund gehört der Vereinigung Evangelischer Freikirchen an.
Gottes Beistand im Leid vermitteln
Dass die Kirchen in der Pandemie durch die Seelsorge eine bedeutende Aufgabe wahrnehmen, betonte der evangelische Theologe Traugott Roser von der Universität Münster in einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Mittwoch. „Viele Seelsorger bemühen sich um Kontakt mit Angehörigen, ermöglichen Abschied vom Verstorbenen, Aussegnungen, Trauerfeiern und würdevolle Bestattungen, wenn auch nur im kleinsten Kreis“, schreibt er. Trotz strikter Sicherheitsmaßnahmen stünden sie in Krankenhäusen und Pflegeeinrichtungen Patienten, Pflegern und Ärzten zur Seite. Wo sie wegen der Hygienebestimmungen nicht selbst zu den Kranken und Sterbenden gehen dürften, gäben Seelsorger dem Klinikpersonal Hilfestellung dafür, die Patienten spirituell zu unterstützen. „Religion löst in diesen Situationen keine Probleme, aber religiöse Begleitung ermöglicht es den Betroffenen, auf die Quellen ihrer Resilienz zugreifen zu können“, erklärt Roser. Der Beitrag der Kirche in der Pandemie liege darin, Gottes Beistand im Leid zu vermitteln. Das sei ein intimer, persönlicher Dienst.
Roser reagierte mit seinem Text auf einen Artikel, den Gerhard Wegner, der frühere Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland, Mitte Januar in der FAZ veröffentlichte. Wegner argumentierte, dass die Kirche bedeutungslos geworden sei, öffentlich habe sie wenig theologisch Hilfreiches zur Pandemie zu sagen.
Von: Jonathan Steinert