Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat am Reformationstag Bekennermut und Einsatz für Religionsfreiheit gefordert. Weltweit litten vor allem Christen unter Einschränkungen der Religionsfreiheit, sagte der bayerische Landesbischof am Samstag in der Bad Windsheimer Stadtkirche laut Mitteilung mit Blick auf den zweiten Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit. Selbst in Ländern mit garantierter Religionsfreiheit versuchten terroristische Gewalttäter, „Angst und Schrecken“ zu verbreiten, wie kürzlich in Nizza oder beim Anschlag auf die Synagoge in Halle.
„Alle, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden, verdienen unsere Unterstützung, egal welcher Religion sie angehören“, sagte Bedford-Strohm. Christus zu bekennen bedeute im Umgang mit anderen Religionen, „Achtung und Respekt zu zeigen und Christus genau dadurch groß zu machen, dass wir in all unseren Dialogen seinen Geist der Liebe selbst ausstrahlen“. So könnten die Religionen zu Kräften des Friedens in der Gesellschaft werden. Dadurch werde der Intoleranz der Kampf angesagt.
Stäblein: Religiösem Terror widerstehen
Mit Blick auf die Corona-Pandemie sagte Bedford-Strohm, der christliche Glaube werde am Reformationstag 2020 ausgerechnet von einem kleinen Virus herausgefordert. Ein Virus, das Angst mache und den Menschen „brutal vor Augen stellt, wie wenig Kontrolle wir über unser Leben haben“, und das sie mit ihrer Endlichkeit konfrontiere. Der christliche Glaube gebe einem Kraft, die Herausforderungen der Corona-Krise zu bewältigen, sagte er: Die Beziehung zu Gott und das Vertrauen auf Christus helfe, die lähmende Angst zu überwinden. Nicht einmal das Virus könne die Menschen von der Liebe Gottes trennen.
Der Berliner Bischof Christian Stäblein rief anlässlich des Reformationstages und nach dem mutmaßlich islamistischen Terroranschlag in Nizza ebenfalls zum Engagement für Meinungs- und Glaubensfreiheit auf. „Mit der Reformation beginnt in Europa die Zeit, in der religiöse Vielfalt Realität wird“, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) am Samstag im Sender RBB 88,8 mit Blick auf die christliche Erneuerungsbewegung vor rund 500 Jahren. Die Einsicht der Reformation rufe dazu auf, religiösem Terror zu widerstehen und zugleich unbeirrt für die Freiheit des Glaubens und Denkens einzutreten.
Dass der Glaube frei ist, stehe im Zentrum der Reformation. Sie bedeute zugleich Demut vor und Freiheit für den Glauben anderer. „Das begreifen Fundamentalisten und Fanatiker aller Religionen nicht, sie wollen das nicht wahrhaben, dass sie ihre Wahrheit niemand aufzwingen können und dürfen. Darum verbreiten sie Terror, in Frankreich jetzt islamistischen Terror“, sagte der Bischof. Was in Nizza geschehen sei, sei „ein Missbrauch der Religion“.
Käßmann: „Freiheit im evangelischen Sinne ist nie egomanisch“
Die evangelische Theologin Margot Käßmann warnte vor Fake-News, Verschwörungstheorien und Fundamentalismus und rief zu mehr Respekt im Miteinander auf. Engstirnige Verbissenheit vergifte oft die Atmosphäre und mache Dialog unmöglich, sagte sie bei einer Reformationsfeier in Bonn. Das zeige sich auch im Umgang mit der Corona-Pandemie. Laut Redetext sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): „Wahrheit wird verhöhnt, andere Meinungen werden niedergebrüllt, Egomanie wird als Freiheit getarnt.“ Gegen eine solche Haltung wende sich der Freiheitsbegriff des Reformators Martin Luther, der Verantwortung für andere einschließe, betonte Käßmann: „Freiheit im evangelischen Sinne ist nie egomanisch im Sinne von absoluter Individualität, sondern sie hat eine soziale Komponente, weil sie sich bezogen weiß auf Gemeinschaft.“
Dazu gehöre der Respekt vor der Freiheit, anders zu denken. Der Austausch unterschiedlicher Meinungen ohne körperliche oder verbale Gewalt sei „ein Herzstück der Freiheit“. Es sei Luther mit seiner Bibelübersetzung darum gegangen, Menschen mündig werden zu lassen und ihr Gewissen zu schärfen. Für Christen sei zuallererst die Freiheit wichtig, die Gott den Menschen schenke, erklärte die ehemalige hannoversche Landesbischöfin in ihrer Predigt. „Aber in der Konsequenz geht es immer auch um Freiheit des Gewissens, Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und das Wohl der anderen in der Gemeinschaft, in der wir leben.“ Deshalb sei auch in der Corona-Krise solidarisches Handeln gefordert: „Es geht nicht einfach um meine Freiheit, ohne Maske durch die Welt zu laufen. Sondern es geht um meine Fürsorge für die anderen, die ich dadurch gefährden könnte.“
Von: epd