Nach elf Jahren ist Michael Dieners Amtszeit als Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes zu Ende gegangen. Am Samstag wurde er in Marburg von seinem Dienst entpflichtet und verabschiedet. Diener betonte, dass er dankbar sei für die Jahre an der Spitze des pietistischen Verbandes und für die Menschen, die ihn begleitet und in schwierigen Phasen getragen hätten. „Es war mir wirklich eine Freude, dieses Amt ausfüllen zu dürfen. Ich habe es von ganzem Herzen getan und bin dankbar für alle Erfahrungen, auch die schwierigen“, sagte er.
Er bezeichnete es als Geschenk, dass durch seine Mitarbeit im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) das Miteinander zwischen der Gemeinschaftsbewegung und der Kirche sichtbar geworden sei. Er betonte, dass für ihn beide zusammengehörten.
Matthias Frey, stellvertretender Vorsitzender des Gnadauer Verbandes, hob Dieners Einsatz für Aufbrüche in der pietistischen Bewegung hervor. Aufbruch sei das Markenzeichen seiner Amtszeit. Dazu gehörten die Initiative „Neues Wagen“, der „Upgrade“-Kongress, die Einrichtung einer Stelle für Neugründung und Neubelebung von Gemeinden sowie die Gründung des Theologischen Studienzentrums Berlin. „Ausgangspunkt war der Mittelpunkt des Evangeliums: Jesus Christus“, betonte Frey.
Diener sei zudem ein leidenschaftlicher Prediger und habe immer wieder daran erinnert, dass der Pietismus eine Bibelbewegung sei. Zugleich habe Diener sich dafür stark gemacht, dass sich die Gemeinschaftsbewegung auch diakonisch und gesellschaftlich engagiert. Dabei sei es immer um die Frage gegangen, wie Menschen mit dem Evangelium erreicht werden können. „Deine Anstöße waren unglaublich wichtig. Wir brauchten diese Impulse. Wenn wir Erweckungsbewegung sein wollen, brauchen wir solche provozierenden Anstöße“, resümierte Frey.
„Geprägt von tiefer Christusfrömmigkeit“
Zudem bezeichnete Frey den ausgeschiedenen Präses als „Pontifex“ – lateinisch für Brückenbauer. Eine Beschreibung, die bei Dieners Abschied oft fiel. Auch Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, betonte diese Eigenschaft Dieners in seiner Predigt. Diener habe im Rat eine „von tiefer Christusfrömmigkeit“ geprägte Stimme eingebracht „und das Hören auf die Schrift ins Zentrum gerückt“, sagte Bedford-Strohm. „Man hat immer gespürt, woher du kommst. Die Heimat ist ein authentischer Pietismus, in dessen Zentrum die Liebe steht.“ Kirche gewinne Ausstrahlungskraft über die eigenen Kreise hinaus, wenn Menschen „die Liebe spüren, von der wir sprechen“. Dafür habe Diener gestanden.
Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD-Synode, würdigte Dieners Einsatz für Mission und seine Fähigkeit, verschiedene Positionen einer Gemeinschaft zusammenzuhalten. Diener habe eine „ausgleichende Wirkung, bestimmt von einer sehr klaren Haltung“. Der Vorsitzende der Vereinigung evangelischer Freikirchen, Christoph Stiba, betonte ebenfalls, Diener sei ein Brückenbauer gewesen. Er habe schwierige Themen angestoßen und damit nicht nur im Gnadauer Verband, sondern auch in der Evangelischen Allianz und für die Freikirchen etwas in Bewegung gesetzt.
Kontroverse um Homosexualität
Diener wurde 2009 Präses des Gnadauer Verbandes, des Dachverbandes der landeskirchlichen Gemeinschaftsbewegung. Von 2012 bis 2016 war er ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz. Seit 2015 ist er Mitglied im Rat der EKD. Dort endet seine Amtszeit im November des kommenden Jahres.
In Dieners Präses-Zeit fiel unter anderem die Diskussion über eine offenere Position zu Homosexualität. Diener machte sich dafür stark, dass auch praktizierende Homosexuelle in Gemeinden mitarbeiten können – oder dass zumindest diese Meinung als eine mögliche anerkannt wird. Diese Diskussion hatte zu starken Spannungen innerhalb der pietistischen und evangelikalen Bewegung geführt. Er setzte sich zudem ein für die Denominationen übergreifende Initiative „Mission Respekt“, die Grundsätze dafür erarbeitete, wie Christen und Kirchen weltweit den Glauben im Dialog und mit Respekt vor anderen Religionen bezeugen können. Er ist Kuratoriumsvorsitzender von „midi“, der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung, die 2019 ihre Arbeit aufnahm. In den vergangenen Monaten äußerte er seine Unterstützung für das Seenotrettungsschiff der EKD.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Präsesamt macht der 58-jährige Diener zunächst ein einjähriges Sabbatical. Wie es danach für ihn weitergeht, ist noch offen.
Von: Jonathan Steinert