Während der Kontaktbeschränkungen in der Corona-Krise sind Geistliche dank digitaler Möglichkeiten mehr gehört worden als sonst. Das sagte der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedrich Kramer, im Interview der Kirchenzeitung Glaube+Heimat, das am 20. September erscheint. Den Vorwurf, die Kirchen hätten während der Krise geschwiegen, wies er als Lüge zurück. „Pauschale und in der Diktion unprotestantische Vorwürfe sind rufschädigend für die Kirche und den Glauben“, betonte er und bedauerte, dass Kritik oft nicht geistlich geäußert werde. „Die Heilige Schrift sagt klar: Denk nach, bevor du sprichst, und schau, ob es auferbauend ist und ob es der Sache Jesu dient.“
Kirchenleiter hätten mit ihren Äußerungen nicht jede Erwartung erfüllt. Dennoch stellte Kramer fest: „Wir haben viele geistliche Themen eingebracht: Nächstenliebe, Geduld, Hoffnung, Tod und Auferstehung und sind unserem Auftrag nachgekommen.“ Die kirchliche Verkündigung, Seelsorge und geistliche Begleitung hätten vielen Menschen in der Zeit Halt gegeben. „Wir sind vielleicht nicht systemrelevant im Sinne von Essen, Trinken, Müllabfuhr und Gesundheit, aber wir sind himmelreichsrelevant.“
Corona-Krise ruft zur Buße
Kramer gestand ein, dass Kirchenleiter den Einschränkungen bei der Sterbebegleitung und Seelsorge in Senioren- und Pflegeheimen nicht widersprochen hätten. Mit dem Thema befasst hätten sie sich durchaus. So berichtete Kramer, dass seine Kirche Schutzkleidung für Krankenhausseelsorger bestellt habe. Die sei aber erst vier Monate später eingetroffen. „Das lag uns schwer auf der Seele, und ich frage mich: Haben wir hier versagt?“
Für ihn sei die Krise keine „Zeit der lauten Worte“, sondern der „Buße, der Stille und des Gebets“. Die Corona-Zeit rufe zur Buße auf und stelle die Menschen vor ernste Fragen: „Bin ich bereit, getröstet zu sterben? Was hat Gott mit mir und uns vor? Wie machen wir als Gesellschaft weiter?“
Von: Jonathan Steinert