Corona-Verordnung sorgt für Disharmonie zwischen Berlin und Landeskirche

Das Land Berlin hat das Singen in geschlossenen Räumen zum Schutz vor dem Corona-Virus verboten. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hält das für unangemessen und will sich wehren.
Von Norbert Schäfer
Das Singen in geschlossenen Räumen ist in Berlin zum Schutz vor dem Corona-Virus derzeit verboten

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) ist derzeit nicht gut zu sprechen auf das Land Berlin. Der Grund: Berlin verbietet in seiner aktuellen SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung vom 23. Juni das Singen in geschlossenen Räumen. Also auch das Singen in Kirchen und in Gottesdiensten.

Die Verordnung des Landes Berlin sieht unter Paragraf 5 „Weitere Hygiene- und Schutzregeln für besondere Bereiche“ vor, dass „in geschlossenen Räumen nicht gemeinsam gesungen werden darf“. Wer gegen die Verordnung verstößt begeht demnach eine Ordnungswidrigkeit. Nach der Maßgabe von Paragraf 73 Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes können Ordnungswidrigkeiten in diesem Zusammenhang mit Geldbußen zwischen 2.500 Euro und 25.000 Euro geahndet werden.

Für die EKBO ist die Verordnung des Landes nicht nachvollziehbar. „Mit Unverständnis und Missbilligung haben wir die neue SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Berliner Senates zur Kenntnis genommen“, erklärten die Pröpstin der EKBO, Christina-Maria Bammel, und der Theologische Referent, Clemens W. Bethge, am vergangenen Freitag. In der Erklärung heißt es, dass „nicht nachvollziehbar sei, wie angesichts eines Gesangsverbots in geschlossenen Räumen die Frage der Verhältnismäßigkeit von den Verantwortlichen des Berliner Senats beantwortet“ werde.

„Verhältnismäßigkeit nicht mehr erkennbar“

Die EKBO sieht sich durch „fortdauernde Einschränkung“ in ihrem Recht auf freie Religionsausübung behindert. „Allein die Möglichkeit des Singens auf Abstand und unter freiem Himmel kann da überhaupt nicht hinreichen“, lautet es in der EKBO-Erklärung. Singen und Musizieren sei ein „wichtiges Moment“ des gottesdienstlichen und gemeindlichen Lebens der Kirche und Ausdruck des Glaubenslebens. Für die Kirche ist die „Verhältnismäßigkeit in den Entscheidungen nicht mehr erkennbar“.

Der Erklärung auf der EKBO-Webseite zufolge hat sich die Landeskirche mehrfach in der Angelegenheit an das Land gewandt. Allerdings offenbar erfolglos, wie die Erklärung der Pröpstin erkennen lässt. „Die wiederholt vorgetragenen Bitten der Landeskirche gegenüber dem Senat wurden an dieser Stelle nicht berücksichtigt“, lautet es darin, und weiter: „Nicht berücksichtigt wurden ebenfalls die vorgelegten Gutachten und die landeskirchlichen Selbstverpflichtungen zur Einhaltung der Hygienemaßnahmen.“

Was Berlin verbietet, ist in Brandenburg und Sachsen erlaubt

Die Pröpstin hält mit ihrem Unmut über die Verordnung des Landes Berlin nicht hinter dem Berg und spricht offen von „Unverständnis“ über die Verordnung des Berliner Senats. Im Gegensatz zu Berlin sei in Brandenburg und in Sachsen das Singen mit den geltenden Hygiene-Vorgaben möglich. Das Gebiet der EKBO umfasst im Wesentlichen die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie den nordöstlichen Teil des Bundeslandes Sachsen. Folglich müssen Verordnungen mehrerer Bundesländer von der Landeskirche berücksichtigt werden.

Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg teilte auf Anfrage von pro am Donnerstag mit, dass eine seit dem 15. Juni gültige SARS-CoV-2-Umgangsverordnung des Landes „das gemeinschaftliche Singen nicht explizit“ regele und verwies auf „relevante Einzelvorschriften“.

Da die Kontaktbeschränkungen, zuletzt noch bis zehn Personen aus zwei Hausständen, entfallen seien, dürfte sich ein Chor auch in größerer Zahl grundsätzlich wieder treffen. Der weiter gültige Mindestabstand von 1,5 Metern muss gewährleistet sein. „Im Innern definiert sich die Teilnehmerzahl also nach der Größe des Probenraumes einhergehend mit dem Abstandsgebot“, teilte das Ministerium mit. Außerdem müsse durch regelmäßiges Lüften die Raumluft „erneuert“ werden und für später eventuell notwendige Kontaktnachverfolgung Listen mit allen anwesenden Teilnehmern angelegt werden.

Die Einschätzung der Kirche, „was beim Singen und Musizieren in geschlossenen Räumen, im Gottesdienst und bei Proben, beim Gemeindegesang, bei Chören und Posaunenchören möglich ist“, deckt sich demnach nicht mit der Einschätzung der Berliner Senatsverwaltung.

„Aufgrund der benannten Unverhältnismäßigkeit stellen wir eine massiv schwindende Akzeptanz der Verordnungsvorgaben in der gemeindlichen Arbeit fest“, schreiben Bammel und Bethge. Dies gelte insbesondere in der Chorarbeit. Die Kirche hält die Beschränkung des religiösen und kulturellen Lebens durch den Berliner Senat für „überzogen“ und verweist auf andere Möglichkeiten, den Gesundheitsschutz angemessen umzusetzen. Die EKBO erwägt Rechtmittel gegen die Verordnung des Landes und „prüft die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens“.

Von: Norbert Schäfer

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Eine Antwort

  1. Im Angesicht der mehr als vollen Außengastronomie, der noch volleren Strände, der vollen Parks mit ihren Liegewiesen ist das Gesangsverbot in der Kirche nicht mehr nachzuvollziehen.
    Die Fallzahlen sind niedrig. Warum also der Kirche nicht einige Rechte zurückgeben? Siehe Brandenburg und Thüringen!

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