Dieses Ostern wird in die Kirchengeschichte eingehen – als das erste Mal seit zwei Jahrtausenden, an dem die Christenheit sich nicht zu Ostergottesdiensten trifft. Der Grund: das neuartige Corona-Virus Sars-CoV2. Versammlungen sind verboten, das betrifft auch Gottesdienste. Zwar ist die Covid-19-Pandemie nicht die erste verheerende Seuche. Doch noch nie zuvor hat die Obrigkeit in so vielen Ländern derart drastische Gegenmaßnahmen ergriffen wie jetzt. Als die Spanische Grippe grassierte, öffneten Kirchen weiter ihre Türen. Zur Zeit der Pest galten nur vereinzelte Verbote, etwa in Venedig. Machen wir uns nichts vor: Dass es keine analogen Ostergottesdienste gibt, ist ein äußerst schmerzhafter Bruch mit einer langen Traditionslinie, die bis in die frühe Christenheit hineinreicht. Aber er ist notwendig.
Denn was wäre die Alternative? Dass Christen ungeachtet der klaren Vorgaben mit österlicher Freude das Fest des Sieges über den Tod feiern und damit dazu beitragen, dass Menschen den Kampf um ihr Leben verlieren? Christen als sturköpfige Gefährder – das wäre ein verheerendes Zeugnis.
Daher ist es auch für die Kirche gut, dass diese Woche zwei Eilanträge gegen die Verbote in Hessen und Berlin gescheitert sind. Die Kläger von St. Philipp Neri wollten ihre lateinische Messe nach römischer Liturgie weiter in der Hauptstadt feiern – unter Auflagen wie Sicherheitsabständen und Besucherlisten. Eine Extrawurst für Christen wollten die Richter allerdings nicht akzeptieren und begründeten dies mit einem anderen Grundrecht: dem Schutz von Leben und Gesundheit. So richtig das ist, so falsch ist ein Satz, den die Pressestelle des Berliner Verwaltungsgerichtes verkündete: „Der Kernbereich der Religionsfreiheit werde nicht berührt.“ Diese Bemerkung offenbart ein irriges Verständnis von Religionsfreiheit: Glaube sei Privatsache – ein Irrtum, der sich hoffentlich nicht wiederholt. Nach der Menschenrechtscharta umschließt die Religionsfreiheit, den Glauben „allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen“. Doch, das Gottesdienstverbot trifft den Kernbereich der Religionsfreiheit. Die Gemeinschaft der Gläubigen, das Abendmahl, der Lobpreis der Gemeinde, sie alle gehören zur DNA des Glaubens. Online-Angebote können dies nicht ersetzen, und doch ist es gut, dass es sie gibt.
Die ersten Christen trafen sich in Hauskirchen, feierten das Mahl des Herrn, sangen und beteten. Indes debattieren die Amtskirchen darüber, ob ein Abendmahl im Wohnzimmer vertretbar ist. Die EKD empfiehlt, darauf zu verzichten, bis es eine theologische Klärung gibt. Lieber kein Abendmahl als ein falsches. Bei allem Verständnis für dogmatische Traditionen: Auch diese Bedenkenträgerei ist angesichts der besonderen Notsituation Ausdruck kirchlichen Starrsinns. Die Württembergische Landeskirche zeigt, dass es auch anders geht: Sie erlaubt für Gründonnerstag und Karfreitag das Abendmahl in Familien – und bietet dafür eine Liturgie an.