„Corona ist keine Strafe Gottes“

Ein Beitrag in der ARD über das Coronavirus in den USA kommt zu dem Ergebnis, dass evangelikale Christen in der Krankheit eine Strafe Gottes sehen. Deutsche Theologen widersprechen dieser Ansicht entschieden.
Von PRO
Ist das Coronavirus eine Strafe Gottes? Weltweit sind sich Theologen uneins.

Das Coronavirus ist eine Strafe Gottes. Diese Sichtweise vertreten evangelikale Christen in den USA. Zu diesem Ergebnis kommt ein Beitrag der ARD Tagesthemen vom Sonntag. Darin wird unter anderem der amerikanische Pastor Ralph Drollinger erwähnt, der einen wöchentlichen Bibelkreis für Kabinettsmitglieder veranstaltet. Drollinger sehe in China, Umweltschützern und Homosexuellen die „verantwortlichen Sünder“, die den tödlichen Virus hervorriefen. Neben der spirituellen Beraterin von US-Präsident Donald Trump, Paula White, nennt die ARD weitere führende evangelikale Pastoren, die ähnliche Deutungen verträten.

Dieser Ansicht widersprechen verschiedene deutsche Theologen deutlich. In einem Videointerview der Bild-Zeitung sagt der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, dass die Coronakrise ganz klar keine Strafe Gottes sei. Jesus Christus, als menschgewordener Gott, habe Menschen geheilt und nicht getötet. Jesus stehe für das Leben. Der christliche Gott sei ein Gott des Lebens. Das zeige ganz deutlich Ostern, erklärte Bedford-Strohm. Der Tod habe nicht das letzte Wort. Alle Menschen, die in der Krise helfen, seien „sowas wie die Hände Gottes“.

Dem stimmt die ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, Margot Käßmann, zu. Gott werde in der Bibel nicht als Marionettenspieler beschrieben, der persönliche oder globale Katastrophen so hervorruft, wie ihm gerade ist. Die Sintflutgeschichte steht beispielhaft dafür, dass Gott seine Schöpfung nie wieder zerstören werde.

Die Pfarrerin vermutet in ihrer Bild-Kolumne vielmehr, dass Menschen ein schlechtes Gewissen wegen ihres Umgangs mit der Umwelt und ihren Mitmenschen haben und daher nach einer Strafe Gottes Ausschau hielten.

In einem Gastkommentar auf pro äußert sich der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), Ekkehart Vetter, ähnlich. Gleichzeitig rät er zum Nachdenken. Gott strafe die Menschen nicht, dennoch könnte das Virus eine „globale Einladung Gottes sein, menschliches Leben weltweit auf das Fundament zu gründen, das schon gelegt ist – Jesus Christus“.

„Fundamentalismus führt zu furchtbaren Fehlern“

Dass auch andere religiöse Überzeugungen und Rituale in Zeiten der Pandemie problematisch sein können, zeigt das Nachrichtenmagazin Der Spiegel an verschiedenen Beispielen. Etwa dann, wenn Prediger behaupten, der Glaube schütze vor einer Ansteckung, wie das teilweise in Nigeria geschehe, oder wenn orthodoxe Gemeinden wieterhin das Abendmahl mit einem Löffel austeilen.

Der Religionswissenschaftler Michael Blume erklärte gegenüber dem Spiegel: „Die instinktive menschliche Reaktion auf eine Krise ist das Zusammenrücken. In der Geschichte war dies immer das Beste, was man tun konnte.“ In der jetzigen Krise sei allerdings genau das Gegenteil das Gebot der Stunde – Abstand. Das setze „eine gewisse Bildung voraus, auch von den Religionsgelehrten. Aus Fundamentalismus oder Nichtwissen erleben wir furchtbare Fehler.“

Von: Martin Schlorke

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