Der lutherische Theologe Dietrich Bonhoeffer war profilierter Vertreter der Bekennenden Kirche und am deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt. Dafür bezahlte er am 9. April 1945, nur vier Wochen vor Kriegsende, mit seinem Leben. Sein Gedicht „Von guten Mächten“ war Teil seines letzten Briefes, den er am 19. Dezember 1944 an seine Verlobte Maria von Wedemeyer schrieb. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt im Gestapo-Keller in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin. Die 20-Jährige von Wedemeyer und der 18 Jahre ältere Bonhoeffer hatten sich drei Monate zuvor verlobt.
Domradio schreibt zum Gedicht: „‚Von guten Mächten‘ ist Bonhoeffers letzter erhaltener theologischer Text vor seiner Hinrichtung. In den Versen klingen seine eigene bedrohliche Situation – er war gefoltert worden und musste mit der Hinrichtung rechnen – und auch die seiner Familie an.“ Das Gedicht sei seine „Weihnachtsgabe und sein Abschiedsgeschenk für die Familie“ gewesen „und zugleich ein Vermächtnis, das die Weltchristenheit dankbar aufgenommen und bewahrt hat“.
Seitdem sind die Zeilen weltberühmt: „Von guten Mächten wunderbar geborgen / erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen, / und ganz gewiß an jedem neuen Tag.“
Die Briefe Bonhoeffers an seine Verlobte waren ursprünglich nicht für die Veröffentlichung bestimmt. Das Gedicht „Von guten Mächten“ wurde jedoch erstmals 1951 in dem von Eberhard Bethge herausgegebenen Buch „Dietrich Bonhoeffer. Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft“ veröffentlicht. Inzwischen haben mehr als 70 Komponisten den Text vertont. Am bekanntesten ist die Melodie des Komponisten und Musikers Siegfried Fietz aus dem Jahr 1970. Mit der Melodie von Otto Abel von 1959 wurde das Lied unter der Nummer 65 in den Stammteil des Evangelischen Gesangbuchs aufgenommen, in manchen Regionalausgaben ist es auch mit der Melodie von Fietz angegeben.
Gedicht in Zeit höchster Einsamkeit
Obwohl Bonhoeffer sein Gedicht als Weihnachtsgruß bezeichnete, nimmt der Text keinen Bezug auf die Geburt Jesu. Der Text verweist auf eine Hoffnung auf Gott in einer Zeit schwerster Not: „Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern / aus Deiner guten und geliebten Hand.“
In seinem dazugehörenden Brief an seine Verlobte schrieb Bonhoeffer: „Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, je stiller es um mich herum geworden ist, desto deutlicher habe ich die Verbindung mit Euch gespürt. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen.“
Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 in Breslau geboren. Er legte 1928 sein Erstes Theologisches Examen ab und arbeitete in Barcelona sowie in New York im Stadtteil Harlem. Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 stand Bonhoeffer sofort in der kirchlichen Opposition. In einem Radiobeitrag forderte er eine Begrenzung der Macht Hitlers. Das Mikrofon wurde ihm abgedreht.
Als er in der Evangelischen Kirche wenig Unterstützung fand, gründete er mit Martin Niemöller und anderen den Pfarrernotbund zum Schutz der bedrohten Amtsbrüder jüdischer Herkunft. Bonhoeffer bekam Lehr-, 1940 sogar Redeverbot. In seiner Ethik schrieb er 1940, dass seine Kirche versagt hatte: „Sie war stumm, wo sie hätte schreien müssen, weil das Blut der Unschuldigen zum Himmel schrie.“
Am 5. April 1943 wurde Bonhoeffer wegen seiner Kontakte zu NS-Gegnern des Hoch- und Landesverrats beschuldigt und zunächst in Tegel, dann im berüchtigten Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße inhaftiert. Dann wurde er ins KZ Buchenwald und schließlich ins KZ Flossenbürg gebracht. Dort wurde er am 9. April 1945 hingerichtet.
Bonhoeffer hatte in seiner Theologie stets die Gegenwart Jesu Christi in der weltweiten Gemeinschaft der Christen betont. Außerdem war ihm die Bedeutung der Bergpredigt und Nachfolge Jesu und die Übereinstimmung von Glauben und Handeln wichtig. Er selbst lebte sie persönlich vor, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus.