Kloster enthüllt Kirchenfenster-Entwürfe von Gerhard Richter

Der weltweit renommierte Gegenwartskünstler Gerhard Richter schenkt dem ältesten Kloster Deutschlands seine kreativen Ideen. Seine Entwürfe für drei Kirchenfenster hat die Abtei Tholey im Saarland Mittwoch vor zahlreichen Pressevertretern feierlich präsentiert.
Von PRO
Abt Mauritius Choriol (l.) und Frater Wendelinus Naumann präsentieren die Fensterentwürfe von Gerhard Richter

Der Künstler Gerhard Richter hat für die Kirche der Benediktinerabtei St. Mauritius im saarländischen Tholey drei große Fenster entworfen. Richter gilt als der höchstdotierte lebende Maler der Welt. Die englische Zeitung The Guardian nennt ihn den „Picasso des 21. Jahrhunderts“.

Am Mittwoch stellte die Abtei die Entwürfe für die je 1,95 mal 9,30 Meter großen Chorfenster unter großem Medieninteresse erstmals öffentlich vor, einen Tag zuvor wurden sie schon klosterintern präsentiert. Der Künstler selbst war bei der Vorstellung nicht anwesend. Er könne sich aber verstellen, früher oder später der Abtei einen Besuch anzustatten, hieß es bei der Pressekonferenz in Tholey.

Gerhard Richter im Jahr 2017 Foto: Jindřich Nosek (NoJin), Wikipedia
Gerhard Richter im Jahr 2017

Auf Milchglas waren die einen auf zwei Meter großen Entwürfe der Fenster zu betrachten. Zudem wurden die Entwürfe in Originalgröße an der Außenfassade der Abteikirche ausgerollt und sind dort voraussichtlich eine Woche zu sehen. Die Motive sind farbintensiv und auf der Grundlage eines abstrakten Bildes von Richter entstanden. Dieses teilte und spiegelte er mehrmals.

Abteikirche mit Gerüst-Verkleidung Foto: pro/Martina Blatt
Abteikirche mit Gerüst-Verkleidung
Derzeit hängen die Entwürfe Richters an der Außenfassade Foto: pro/Martina Blatt
Derzeit hängen die Entwürfe Richters an der Außenfassade

Die drei Fenster habe der Künstler laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) mit großer Freude entworfen, sie kamen „wie gerufen“. Als der Anruf der Abtei kam, habe er gerade mit Mustern aus seinem Künstlerbuch „Patterns“ gespielt, sagt er der dpa: „Ich hatte gleich an Kirchenfenster gedacht, als ich mit den Mustern spielte. Wäre eine gute Methode, diese Muster zu verwenden.“

Die Abteikirche wird derzeit komplett renoviert und soll im Sommer 2020 fertiggestellt werden – inklusive der Richter-Fenster. Die übrigen 34 Fenster der Kirche werden von der in München ansässigen afghanischen Künstlerin Mahbuba Maqsoodi gestaltet.

„Gnadenhafter Erfolg“

Freude bei der Präsentation: Abt Mauritius Choriol (l.) und Frater Wendelinus Naumann Foto: pro/Martina Blatt
Freude bei der Präsentation: Abt Mauritius Choriol (l.) und Frater Wendelinus Naumann
Am Mittwoch stellte die Abtei die Entwürfe für die je 1,95 mal 9,30 Meter großen Chorfenster vor Foto: pro/Martina Blatt
Am Mittwoch stellte die Abtei die Entwürfe für die je 1,95 mal 9,30 Meter großen Chorfenster vor

Abt Mauritius Choriol benannte am Mittwoch in Tholey die Renovierung als eine „umfassende Sanierung zur Ehre Gottes“. Dass die Abtei Richter für die Gestaltung der Fenster gewinnen konnte, sei eine Art „gnadenhafter Erfolg“: Die einfache Anfrage an Gerhard Richter wurde gegen jede Wahrscheinlichkeit mit einem Ja bedacht.“ Der 87-jährige gebürtige Dresdner stellt den zwölf Mönchen des Klosters seine Kunst als Geschenk zur Verfügung.

Bernhard Leonardy ist Intendant der Musikfestspiele Saar und Initiator des Richter-Projekts Foto: pro/Martina Blatt
Bernhard Leonardy ist Intendant der Musikfestspiele Saar und Initiator des Richter-Projekts

Bernhard Leonardy, der Chef der Musikfestspiele Saar und Initiator des Projekts, machte deutlich: „Kunst und Kultur haben hier im Kloster immer eine besondere Rolle gespielt.“ Mit Blick auf die Zukunft des Klosters suchte er nach einer „Nachhaltigkeit der Renovierung – etwas für die Ewigkeit – oder zumindest für eine sehr lange Zeit“.

„Heiliger Geist wirkt mindestens alle zehn Sekunden“

Mitte Juni 2018 schrieb er dem Künstler einen Brief. Dieser antwortete knapp zwei Wochen später auf dem Anrufbeantworter von Leonardy: „Ich bin zu belastet und einfach zu alt. Ich glaube nicht, dass ich es schaffe.“ Dann habe Richter eine Sprechpause von zehn Sekunden gemacht und schließlich gesagt: „– obwohl ich ja Lust dazu hätte“. Leonardy sagte dazu während der Pressekonferenz: „Wenn es einen Heiligen Geist gibt, dann wirkt er mindestens alle zehn Sekunden.“

Detailaufnahme eines der Fenster Foto: pro/Martina Blatt
Detailaufnahme eines der Fenster
Lichtspiel der Sonne Foto: pro/Martina Blatt
Lichtspiel der Sonne

Frater Wendelinus Naumann, der seit mehr als einem Jahrzehnt die Renovierung des Klosters begleitet und seit wenigen Wochen dem Konvent angehört, sagte: „Wir konstatieren, dass Kirche in einer schnelllebigen Gesellschaft einen Teil ihrer Sprachfähigkeit verloren hat.“ Doch diese möchte sie wieder aufgreifen. Da komme das Projekt gelegen. Die Abtei wollen „Impulse geben“, und zwar den Menschen, die der Kirche angehören, aber auch den Suchenden sowie den Kunst- und Kulturinteressierten.

Richter sagte in einem Interview mit der Rheinischen Post, er habe die Fenster „zum Trost der Betrachter“ entworfen. Im dpa-Interview bezeichnete er sich selbst als „Suchenden“. Naumann erklärte: „Die Worte des ,Suchenden‘ und des ,Trostes‘ haben uns in den Interviews Richters sehr beeindruckt“, weil sie auch religiös und theologisch eine Bedeutung haben. „Für Christen ist Trost immer mit Jesus Christus verbunden. […] Sie sehen, wie nah man mit den Worten Richters an einem gesunden Kirchenverständnis ist.“

„Wenn Kirche Trost spenden kann, ist das eine große Tat“

Abt Choriol erklärte weiter: „Wir freuen uns, dass wenn die Besucher die Fenster sehen, sie Trost und Freude erleben und die frohe Botschaft sehen […] und das Gotteshaus entdecken.“ Und weiter sagte er: „Wir werden die Leute öfter in unsere Liturgie einladen.“

Frater Wendelinus Naumann vor der Abteikirche Foto: pro/Martina Blatt
Frater Wendelinus Naumann vor der Abteikirche

Frater Naumann erklärte gegenüber pro: „Was Richter sagt, mit den Fenstern Trost auszudrücken, ist ein zutiefst christlicher Begriff. Es ist eines der Werke der Barmherzigkeit. Wenn Kirche Trost spenden kann, ist das eine große Tat. Papst Franziskus hat das schön gesagt: Die Menschen werden heute so vielfältig verletzt wie auf einem Kampfschauplatz. Wenn Kirche gut ist, kann sie auf die ein oder andere Wunde ein Pflaster kleben.“ Und weiter: „Wir wollen bei dem Gehetzt-Sein und diesem ständigen Unter-Druck-Sein in der Welt nicht das Rad schneller drehen, sondern schauen, dass wir Antworten geben oder einfach einen Ort der Stille bieten können.“

Je länger Naumann vor den Fensterentwürfen sitze oder stehe, desto mehr neue Elemente entdecke er, sagte er pro am Mittwoch in Tholey: „Obwohl es nur Zufälle und Geometrie sind – vor dem gläubigen Auge konstruiert sich dann was.“ Ein anderer Betrachter fragte ihn nach gewisser Zeit: „Hast du auch schon den Engel entdeckt?“ Naumann bejahte dies, sie hatte eine Struktur entdeckt, die wie ein Engel aussehe: „Dass ein Anderer das auch so wahrnimmt, ist interessant. Obwohl Richter natürlich bestreiten würde, dass er Engel gemalt hat.“

Das Innere der Kirche: Bis zum Sommer 2020 soll die Sanierung abgeschlossen Foto: pro/Martina Blatt
Das Innere der Kirche: Bis zum Sommer 2020 soll die Sanierung abgeschlossen
Bisheriger Blick ins Innere der Abteikirche Foto: TeKaBe | CC BY-SA 4.0 International
Bisheriger Blick ins Innere der Abteikirche

Im Gespräch mit der dpa erklärte Richter, dass er zu Gott „keine Beziehung“ habe. Er trat als junger Mann aus der evangelischen Kirche aus. Dem Christentum stehe er aber nahe: „Ist ja immerhin meine Wurzel. Da komme ich her.“ Weiter erklärte er in dem Interview, dass er an ein Leben nach dem Tod nicht glaube: „Tot ist tot.“ Er sieht es aber als „eine schöne Vorstellung, die die Menschheit sich da erfunden hat: Wenn sie stirbt, dass sie dann in den Himmel kommt“.

Richter lehnte laut Benediktinerabtei vergleichbare Angebote beispielsweise von der Kathedrale von Reims stets ab. Nun konnte er durch privates und musikalisches Engagement überzeugt werden, „seine größte sakrale Arbeit an diesem spirituellen Ort im Saarland am Fuße des Schaumberges durchzuführen“.

Der Dresdener Künstler Gerhard Richter entwarf zuvor bereits das Südquerhausfenster des Kölner Doms, auch bekannt als „Richter-Fenster“. Bei Sonnenschein entfalten die bunten Glasfenster ihre volle Wirkung (siehe Bilderstrecke).

Das Richter-Fenster im Südquerhaus des Kölner Dom: Außenansicht bei Nacht. Bei Sonnenschein ... Foto: © Raimond Spekking | CC BY-SA 4.0 International
Das Richter-Fenster im Südquerhaus des Kölner Dom: Außenansicht bei Nacht. Bei Sonnenschein …
... entfaltet das Richter-Fenster im Innenraum des Kölner Doms seine optische Wirkung Foto: Geolina163, Wikipedia | CC BY-SA 3.0 Unported
… entfaltet das Richter-Fenster im Innenraum des Kölner Doms seine optische Wirkung
Auf einer Fensterfläche von 106 Quadratmetern wurden 11.263 Farbquadrate in 72 Farben nach dem Zufallsprinzip angeordnet Foto: © Raimond Spekking | CC BY-SA 4.0 International
Auf einer Fensterfläche von 106 Quadratmetern wurden 11.263 Farbquadrate in 72 Farben nach dem Zufallsprinzip angeordnet

Von: Martina Blatt

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen