Die Mitgliederzahlen beider Kirchen werden bis 2060 auf die Hälfte zurückgehen. Das haben Forscher der Albert-Ludwig-Universität Freiburg für die Katholische und Evangelische Kirche in Deutschland errechnet. Wenn die derzeitigen Zahlen der Taufen, Ein- und Austritte auch für die nächsten Jahre repräsentativ sind, gehen die Wissenschaftler von einem Rückgang um 49 Prozent aus. Für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bedeutet das, dass sich die Zahl von 21,5 Millionen Mitgliedern im Jahr 2017 auf 10,5 Millionen im Jahr 2060 reduziert. Für die Katholische Kirche wäre das ein Rückgang auf rund 12,5 Millionen Mitglieder im Jahr 2060 (Stand 2017: 23,3 Millionen).
Die Untersuchung wurde am Donnerstag veröffentlicht. Bernd Raffelhüschen, Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge und des Instituts für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik der Universität, hat den Befund „intuitiv erwartet“. Neu sei die Erkenntnis, dass der Rückgang nur etwa zur Hälfte dem demografischen Wandel geschuldet werde, also dem Überhang von Sterbefällen über die Geburten.
Mehr als die Hälfte des Mitgliederrückgangs hängen demnach damit zusammen, dass es mehr Austritte als Taufen und Aufnahmen in die Kirchen gibt. „Wenn mehr als die Hälfte des Rückgangs auf die zurückgehende Bindungskraft der Institution verweist, ist für den Mitgliederverlust nicht allein der zweifellos unumkehrbare demografische Wandel verantwortlich“, erklärt Raffelhüschen in einem Gespräch zu den Ergebnissen der Untersuchung für die 20 evangelischen Landeskirchen und 27 römisch-katholischen Diözesen in Deutschland.
Mission soll helfen
Nach Angaben von Kardinal Marx wurde die Untersuchung aus „Verantwortung für die mittel- bis langfristige Planung der kirchlichen Haushalte“ veranlasst. Jetzt sei man dankbar, mit der aktuellen langfristigen Prognose tiefergehende Erkenntnis über die wichtigste Einnahmequelle der Diözesen erlangt zu haben. Mit Hilfe dieser Daten sollen die Haushalte an die zu erwartende Entwicklung angepasst werden. Für Marx ist die Prognose kein Grund zur Panik. Marx: „In der Kirche geht es immer darum, das Evangelium weiterzusagen, auch unter veränderten Bedingungen. Für mich ist die Studie auch ein Aufruf zur Mission.“
Für die beiden großen Kirchen sei klar, dass man sich den „berechneten Entwicklungen frühzeitig stellen“ wolle, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vom Donnerstag. Demnach wollen die Kirchen die Erkenntnisse der Studie nutzen, um sich „langfristig auf Veränderungen“ einzustellen. „Diese Veränderungen werden kommen und es ist gut, in einer heute wirtschaftlich guten Lage die Fragen von morgen in den Blick zu nehmen“, erklärten Marx, der Vorsitzende der DBK, und der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Wie diese Veränderungen konkret aussehen sollen, dazu haben die beiden Kirchenvertreter bislang nichts gesagt.
„Manches am Rückgang an Kirchenmitgliedern werden wir nicht ändern können“, konstatierte Bedford-Strohm. Überall in Deutschland hätten sich Christen auf den Weg gemacht, um „die Ausstrahlungskraft unserer Kirche für die Zukunft so nachhaltig wie möglich zu stärken“. Die „vielen Millionen Menschen, die sich in unseren Gemeinden und diakonischen Einrichtungen aus Freiheit und nicht aus gesellschaftlicher Konvention engagieren“, seien schon heute die besten Botschafter der Kirche von morgen, erkärte Bedford-Strohm.
Von: Norbert Schäfer