Die Katholische Kirche könne sich nur erneuern und Missbrauch beenden, wenn sie das Zölibat abschafft. Diese Position vertritt Steffen Reiche, evangelischer Pfarrer der Kirchengemeinde Berlin-Nikolassee, in seinem Beitrag „Der Zölibat ist ruinös“ in der Zeitung Welt am Sonntag. „Die erzwungene Ehelosigkeit zwingt Menschen, sich andere Wege als den einer festen Beziehung, einer festen Partnerschaft zu suchen, eine der wichtigsten und schönsten Gaben Gottes auszuleben“, schreibt er. Somit ist das Zölibat laut Reiche eine der Hauptursache für Kindesmissbrauch.
Der Pfarrer fragt: „Ist es nicht ein Missbrauch ohnegleichen, dass einer der schönsten Berufe, den es auf der Welt gibt, Priester, Pfarrer oder Pastor zu sein, […] verbindlich daran gebunden ist, auf eine der schönsten Gaben Gottes an den Menschen zu verzichten? Sie in sich zu unterdrücken?“ Aus diesem Grund entschieden sich im Westen immer mehr Männer bewusst dagegen, die geistliche Laufbahn zum Priesteramt zu verfolgen.
„Eine Sünde an der ganzen Kirche“
Die Kirche komme ihrer wichtigsten Aufgabe nicht genug nach: das Evangelium glaubhaft zu verkünden. Um diesen zentralen Punkt wieder „besser, also glaubwürdiger erfüllen zu können“, müsse sich die Kirche selbst befreien.
Reiche, der von 2005 bis 2009 für die SPD im Bundestag saß, schreibt weiter, dass die Ausbreitung des Islam durch Zeugung und durch Bezeugung „in einem bisher nie für möglich gehaltenen Tempo voran“ geht. Auch aus diesem Grund sollte die Kirche umdenken und sich befreien. „So kann sie besser und glaubwürdiger mit dem Evangelium Menschen in der ganzen Welt begeistern.“ Der Pfarrer macht am Ende seines Essays noch einmal seine Überzeugung deutlich: Die erzwungene Ehelosigkeit sei „eine Sünde an der ganzen Kirche“. Und weiter: „Evangelium aber ist die Freiheit, zu der die Frohe Botschaft uns vor 2000 Jahren berufen hat.“
Von: Martina Blatt