Ein katholisches Krankenhaus hätte einen Chefarzt nicht wegen dessen Wiederheirat entlassen dürfen. Dieses Urteil fiel am Mittwoch vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Der Arzt war geschieden und hatte im Jahr 2008 erneut standesamtlich geheiratet. Sein ehemaliger Arbeitgeber sah darin einen Verstoß gegen Loyalitätspflichten gegenüber dem kirchlichen Träger und entließ ihn.
Am Mittwoch fiel nun ein wohl wegweisendes Urteil vor dem höchsten Arbeitsgericht: Die Kündigung ist nicht rechtmäßig. Als problematisch schätzte das Gericht vor allem ein, dass der ebenfalls katholische Mitarbeiter durch die Kündigung gegenüber anderen nichtreligiösen Angestellten benachteiligt würde. Darüber hinaus habe die Wiederheirat nichts mit den beruflichen Anforderungen eines Arztes zu tun und sei deshalb nicht gerechtfertigt, teilte das Gericht mit.
Benachteiligung wegen katholischen Glaubens
Weil der Kläger selbst katholischen Glaubens ist, schloss er seine Ehe nach ebendiesem Ritus. Nach katholischem Glaubensverständnis aber kann eine erneute Ehe nach einer Scheidung keine Gültigkeit haben. Der Arbeitgeber sah in der WIederheirat einen Loyalitätsverstoß laut dem im Dienstvertrag zugrunde liegenden kirchlichen Arbeitsrecht. Das Gericht allerdings argumentierte: „Diese Regelung benachteiligte den Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit.“
Genauer: Leitende Angestellte, die nicht katholisch verheiratet wurden und nach einer Scheidung erneut eine Ehe eingingen, könnten deshalb nicht gekündigt werden – schließlich ist eine nicht katholisch geschlossene Ehe auch nicht Gegenstand der Loyalitätspflicht gegenüber dem kirchlichen Arbeitgeber. Außerdem sei die auf die Wiederheirat bezogene Loyalitätspflicht „im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“.
Bereits im Herbst 2018 hatte das Bundesarbeitsgericht ein ähnliches Urteil gefällt und damit das kirchliche Arbeitsrecht geschwächt. Im Fall einer konfessionslosen Frau entschied es, dass der evangelische Träger – eine Einrichtung des Diakonischen Werks – für die Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin nicht die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche verlangen durfte. Auch hier sah das Gericht die Klägerin als wegen ihrer religiösen Überzeugung benachteiligt an und sprach ihr eine Entschädigung zu.
Von: Anna Lutz