Kirche muss sich Hassrede im Netz stellen

Hass und Empörung im Internet trifft auch die Kirchen, vor allem, wenn es um emotional aufgeladene Themen wie Homosexualität oder Migranten geht. Die Ludwigsburger Forscherin Claudia Schulz hat solche Hassrede gegen kirchliche Vertreter analysiert und dabei eine Eigendynamik in den Online-Diskussionen festgestellt.
Von PRO
Die Diakoniewissenschaftlerin Claudia Schulz hat aggressive Kommentare analysiert, die sich gegen Vertreter der Kirche richteten

Die Kirchen, ihre Einrichtungen und Repräsentanten sind im digitalen Zeitalter immer häufiger mit Hass und Empörung im Internet konfrontiert. Dem müssten sie sich stellen, machte Claudia Schulz auf der Tagung „Religion und Populismus“ in Darmstadt deutlich. Die Professorin für Diakoniewissenschaft an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg erforschte die Zunahme von verunglimpfenden Protestschreiben und Postings in Kirche und Diakonie im Rahmen einer Studie.

Dafür untersuchte die Wissenschaftlerin beispielhaft drei Fälle und die darauffolgende Debatte im Internet darüber. Zum einen sei die Theologin Annette Behnke nach ihrem „Wort zum Sonntag“ angefeindet worden. Dort hatte sie sich zum Hormontest der Frauen bei der Fußball-EM geäußert. Für ihre Ausführungen habe sie nicht nur Hasspostings, sondern auch eine Postkarte mit dem Bild eines Friedhofs bekommen.

Außerdem nahm Schulz Debatten über Homosexualität in den Blick und über den Beschluss der Synoden von vier evangelischen Landeskirchen zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Als dritten Punkt ging sie auf den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein. Heinrich Bedford-Strohm sei mit Hass überschüttet worden, nachdem er sich zur Frage der Flüchtlinge geäußert habe.

Abkehr von der Kernaufgabe

Schulz’ Analyse habe gezeigt, dass die Verfasser der Hasspostings der Kirche häufig eine Abkehr von ihrer Kernaufgabe vorwerfen. Andere bemängelten, dass sich Kirche mit einer Doppelmoral anbiedere oder sich vom Christentum abkehre. Manche empfänden die Kirche als zu staatsnah und linksgerichtet. Sie verrate „ihre Sache“ und mache sich zum Teil des Problems.

Die Grade der Verunglimpfung reichten von einfachen konträren Äußerungen, ohne die Vorwürfe zu begründen, bis hin zu konkreten Taten. Die Argumentationsmuster seien vielfältig. Die Verfasser solcher herabwürdigenden Beiträge hätten häufig Angst vor der Auflösung traditioneller Lebensformen und befürchteten einen Verfall der Sexualmoral. Manche Nutzer argumentierten auch mit der Bibel.

Kirchen nicht mehr „die Guten“

Häufig würden nicht zu einander passende Themen miteinander verknüpft. Flucht werde mit Islam oder Terror gleichgesetzt. Auch Gender und Homosexualität würden auf das gleiche Gleis gestellt. Die Argumente verstärkten sich dann gegenseitig. Die Dynamik des Hasses beginne meistens mit einer sachlichen Opposition. Jedoch führe ein verschärftes Diskussionsklima oft in einen Strudel aus Aggression und Hass.

Für die Kirche bedeute es, sich diesen Herausforderungen zu stellen. „Sie sind eben nicht mehr, wie in früherer Zeit ‚die Guten‘“, sagte Schulz mit Blick auf die Wahrnehmung in Teilen der Bevölkerung.

Die Tagung „Die Kirchen und der Populismus“ wird veranstaltet von der Schader-Stiftung in Darmstadt, der Konferenz der deutschsprachigen Pastoraltheologen & Pastoraltheologinnen sowie der Fachgruppe Praktische Theologie der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie. In Vorträgen und Diskussionsrunden wird das Verhältnis der Kirchen zu populistischen Tendenzen aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven erörtert.

Von: Johannes Blöcher-Weil

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