Kündigung wegen Wiederheirat kann diskriminierend sein

Ein katholisches Krankenhaus entlässt einen katholischen Chefarzt, weil der sich von seiner Frau scheiden ließ und neu heiratete. Er klagte sich durch sämtliche Instanzen. Nun hat hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil gefällt. Die Kirchen dürften um ihre Sonderrechte fürchten.
Von PRO
Die Kündigung eines Chefarztes beschäftigt seit Jahren die Gerichte

Wenn ein katholisches Krankenhaus einem katholischen Mitarbeiter kündigt, weil er sich scheiden lässt und erneut heiratet, könnte das diskriminierend und damit nach Arbeitsrecht verboten sein. Das stellte der Europäische Gerichtshofs (EuGH) in einem Urteil vom Dienstag fest.

„Die Anforderung an einen katholischen Chefarzt, den heiligen und unauflöslichen Charakter der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche zu beachten, erscheint nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung, worüber im vorliegenden Fall jedoch das deutsche Bundesarbeitsgericht zu befinden hat“, teilte das Gericht in einer Presseerklärung mit. Darin betonen die Luxemburger Richter, „dass das nunmehr in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegte Verbot jeder Art von Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zwingenden Charakter hat“.

Urteil berührt Sonderrechte der Kirchen

Nach Angaben von Zeit Online war dem Chefarzt eines katholischen Krankenhauses in Düsseldorf gekündigt worden, als der nach einer Scheidung erneut standesamtlich heiratete. Sein Arbeitgeber sah in der Wiederheirat einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß. Nach dem Verständnis des katholischen Trägers des Krankenhauses sei die zweite Ehe nach kirchlichem Recht ungültig, weil die erste Ehe nie annulliert wurde. Nach der Lehre der Katholischen Kirche ist die Ehe unauflöslich, eine Wiederheirat nach Scheidung gilt als Sünde und ist für Gläubige mit Nachteilen verbunden.

Das Lebenszeugnis leitender Mitarbeiter müsse nach Auffassung des Arbeitgebers der katholischen Glaubens- und Sittenlehre entsprechen, schreibt Zeit Online. Das sah der Mediziner anders und erkannte in der Kündigung eine Ungleichbehandlung gegenüber Nichtkatholiken und klagte vor dem Arbeitsgericht. Der Rechtsstreit zwischen dem Arzt und dem kirchlichen Arbeitgeber beschäftigt die Gerichte seit 2009 und berührt im Grundgesetz verbürgte Sonderrechte der Kirchen.

Im konkreten Fall muss nun das Bundesarbeitsgericht in Erfurt auf der Grundlage des EuGH-Urteils ein Urteil herbei führen. Entscheidend wird die Frage sein, wie wichtig die Religion bei der Tätigkeit des Arztes ist. Das europäische Gericht machte seine Zweifel daran deutlich, dass das religiöse Ethos für die konkreten Aufgaben des Klägers maßgeblich ist. Denn ähnliche Positionen in dem Krankenhaus seien von nichtkatholischen Arbeitnehmern besetzt gewesen, für die diese Richtlinien nicht gleichermaßen gegolten hätten. Bereits im April hatte der EuGH in einem Urteil befunden, dass kirchliche Arbeitgeber nicht bei jeder Stelle von Bewerbern eine Religionszugehörigkeit fordern dürfen.

Machtkampf zwischen Gerichten, Kirche und Staat zu erwarten

Das Grundgesetz gewährt den Kichen in Deutschland ein Selbstbestimmungsrecht, das Auswirkungen auf ihre Rolle als Arbeitgeber hat. „Seit einiger Zeit werden die Sonderrechte, die den Kirchen in Deutschland im Vergleich zu anderen Arbeitgebern zustehen, in der Bevölkerung zunehmend kritisch gesehen“, erklärt der im Arbeitsrecht tätige Jurist Klaus Schultze-Rhonhof auf Anfrage von pro. Bei vielen treffe es auf Unverständnis, dass die Kirchen aufgrund ihrer Moralvorstellungen Kündigungen aussprechen dürften, die bei privaten Unternehmen unwirksam wären. „Das Bundesarbeitsgericht versucht dem in den letzten Jahren Rechnung zu tragen und die Sonderrechte der Kirchen zu beschneiden“, erklärt der Anwalt.

Dem habe sich das Bundesverfassungsgericht noch vor Kurzem entschieden entgegengestellt und die Sonderrechte der Kirchen ausdrücklich bestätigt. „Wenn das Bundesarbeitsgericht nun Hilfe beim EuGH sucht und dieser in seiner Entscheidung ausdrücklich dazu auffordert, alle deutschen Regelungen zu ignorieren, die seiner Auslegung entgegenstehen, so bedeutet das nichts anderes, als dass sich auch das Bundesverfassungsgericht in dieser Sache unterzuordnen hat“, sagt Schultze-Rhonhof zu dem EuGH-Urteil und erkennt darin einen drohenden „Machtkampf Kirche gegen Staat wie auch Bundesverfassungsgericht gegen EuGH“.

Die Katholische Kirche hat nach Einschätzung des Juristen ihre arbeitsrechtlichen Richtlinien bereits 2015 freiwillig entschärft. „Von dieser Seite besteht voraussichtlich kein Interesse, den Rechtsstreit fortzusetzen“, schätzt der Jurist. Nach Ansicht von Schultze-Rhonhof bleibe nun abzuwarten, bei welcher Gelegenheit das Bundesverfassungsgericht auf den Vorstoß aus Luxemburg reagiert, „wo man sich nun nicht mehr auf Augenhöhe, sondern als höherrangig begreift“.

Von: Norbert Schäfer

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