Die Tageszeitung Die Welt hat sich in einem Beitrag mit der australischen freikirchlichen Gemeindebewegung Hillsong beschäftigt. Unter dem Titel „Evangelikale Hipster“ versucht sie, dem Phänomen der rasant wachsenden Pfingstkirche auf den Grund zu gehen – und lässt dabei auch Kritik durchklingen. Die Inhalte seien „alles andere als progressiv“, heißt es im Vorspann.
Das säkulare Blatt macht zunächst einige allgemeine Angaben zu Hillsong. Zum Beispiel seien die Botschaften „einfach“, die Pastoren jung und hipp. Hillsong habe nach eigenen Angaben weltweit rund 130.000 Besucher wöchentlich, in 21 Ländern. Denn, urteilt der Artikel, „die hippen, modern auftretenden Kirchen schaffen etwas, was den traditionellen kaum mehr gelingt: Sie gewinnen junge Menschen für sich“.
Hillsong profitiere von Schwäche der traditionellen Kirchen
Woran das wohl liege, fragt sich der Artikel als nächstes. Unter anderem wohl am Erfolg von der Kirche in den sozialen Netzwerken, zu dem auch ihr prominentester Anhänger beitrage: Justin Bieber. Der Pastor von Hillsong New York, Carl Lentz, gelte als enger Freund des kanadischen Popstars.
Auf der tieferen Ebene seien es allerdings das Gemeinschaftsgefühl und vor allem die Schwäche der traditionellen Kirchen, die Hillsong in Deutschland so stark machten. Dazu hat die Welt Rolf Schieder befragt, Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik an der Humboldt-Universität Berlin. Schieder sagte gegenüber der Zeitung: „Zu Hillsong gehen Leute, die in den klassischen kirchlichen Gottesdiensten nichts mehr finden, was ihnen gut tut und einen Erfahrungswert hat.“ Theologisch seien die Predigten allerdings „nicht besonders anspruchsvoll“.
Dennoch könnten sich die Großkirchen von Hillsong durchaus etwas abschauen, meint Christian Stäblein, Propst der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg Schlesische Oberlausitz. Er sagte gegenüber der Welt: „Wir vergleichen uns nicht, aber wir gucken: Was können wir voneinander lernen? Zum Beispiel die Rock-Pop-Auftritte, das lässt viel an Emotionen frei.“ So würden gerade junge Leute angesprochen. Daher sei Hillsong dieses Jahr auch erstmals beim Berliner Fest der Kirchen vertreten. So wollten die Berliner Kirchen zeigen, dass Christsein auch „jung und modern“ sein könne, so Stäblein.
Welt lässt auch kritische Stimmen zu Wort kommen
Doch gegen die Betitelung von Hillsong als „modern“ verwehrt sich der Artikel ein wenig. So findet der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche, Matthias Pöhlmann, bei Hillsong „antimodernistisches Gedankengut“, wie er der Welt sagte. „Das ist zum einen die stark evangelikale Auslegung der Bibel und der Umgang mit Homosexualität.“ Pöhlmann betonte aber auch, dass es sich bei Hillsong nicht um eine Sekte handele.
So dürften Homosexuelle laut eines Statements von Hillsong-Gründer Brian Houston die Gemeinde zwar besuchen, aber keine leitenden Positionen einnehmen. Auch Mitarbeiter von Hillsong Deutschland hätten ihm diese Praxis bestätigt, gab Pöhlmann an. „Auch bei Themen wie Sex vor der Ehe und Abtreibungen positionieren sich Hillsong-Pastoren in Interviews konservativ“, schreibt die Welt. Eine Anfrage an Hillsong dazu sei unbeantwortet geblieben. Ein Mitarbeiter habe angegeben, Hillsong habe schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht.
Laut Rolf Schieder bedürften diese Positionen „dringend einer Korrektur“. Aber auch die expressive Art sei etwas, das die Deutschen, anders als etwa Amerikaner oder Australier, skeptisch mache. Man spreche in Deutschland offener über Sex als über seine Religion. „Geht es nach der Hillsong-Kirche, müsste es genau andersherum sein“, urteilt der Artikel.