Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat eine katholische Handreichung zum Umgang mit konfessionsverschiedenen Ehepaaren, die gemeinsam am Abendmahl teilnehmen möchten, ausdrücklich befürwortet.
Der Leitfaden der Deutschen Bischofskonferenz mit dem sperrigen Titel „Mit Christus gehen – Der Einheit auf der Spur. Konfessionsverbindende Ehen und gemeinsame Teilnahme an der Eucharistie“ sei „nicht nur eine Fortsetzung des ökumenischen Geistes […], sondern auch eine Konkretion der Selbstverpflichtungen, die beide Kirchen anlässlich des Buß- und Versöhnungsgottessdienstes im März 2017 eingegangen sind“, heißt es in der Presserklärung der EKD.
Damals hatte in Hildesheim ein Gottesdienst stattgefunden, bei dem „die katholische und evangelische Kirche in Deutschland eine Umkehr von der Jahrhunderte währenden Geschichte gegenseitiger Verletzungen und Abgrenzung vollzogen“ hatten, wie es damals in der Erklärung der Bischofskonferenz hieß. Beide Kirchen hatten ihren Willen zur Ökumene erklärt.
EKD lobt „seelsorgerliches Anliegen“
Die EKD sieht nun in der Handreichung einen Schritt der Bischofskonferenz auf diesem Weg. Die Öffnung der katholischen Eucharistie auch für nicht-katholische Ehepartner von Katholiken ist seit Jahren ein Streitthema. Nach katholisch-theologischem Verständnis ist die Teilnahme an der Eucharistie Katholiken vorbehalten. Immer mehr konfessionsverschiedene Ehepaare wünschen sich allerdings, gemeinsam teilnehmen zu können. Diesem Wunsch gibt die Bischofskonferenz nun statt – ein Stück weit. Die Handreichung sieht nämlich vor, dass nun auch Nicht-Katholiken nach einem Gespräch mit einem Geistlichen und einem eigenen „Gewissensurteil“ am katholischen Abendmahl teilnehmen dürfen.
Daher lobt die EKD die Handreichung ausdrücklich für deren „seelsorgerliches Anliegen“. Den Bischöfen gehe es um alle, die den Zustand, nicht mit ihrem Ehepartner gemeinsam das katholische Abendmahl empfangen zu können, als „schwere geistliche Notlage“ erleben.
In der Praxis ist eine gemeinsame (katholische) Kommunion unter konfessionsverschiedenen Ehepaaren schon lange weit verbreitet. Dass das kirchenrechtlich verboten ist, sorgt jedoch bei vielen Betroffenen für Gewissensbisse. Daher lobt die EKD die Bischofskonferenz dafür, einen Weg gefunden zu haben, „wie sie die faktisch weithin etablierte Realität an der Basis aus dem Licht der Unrechtmäßigkeit holen kann“.
Entscheidung gilt nur in eine Richtung
Umkehrt gilt die Entscheidung allerdings bislang nicht – die Öffnung erfolgt nur in eine Richtung. Daran äußert die EKD auch leise Kritik. Ein Katholik darf nach Kirchenrecht nach wie vor nicht am evangelischen Abendmahl teilnehmen – obwohl andererseits „die Einladung zur evangelischen Abendmahlsfeier […] an alle Getauften […] also auch an die katholischen Geschwister“ gehe.
Daher spricht die EKD von „einem kleinen Schritt in der Ökumene, aber einem großen Schritt für die katholische Kirche“. Man müsse „als evangelische Kirche daran erinnern, dass dies erst die eine Hälfte des Weges ist“. Angesichts bis hierhin intensiver Debatten müsse man annehmen, „dass diese gegenseitige Freigabe noch ein Stück des Weges vor sich hat.“
Jahrhundertealter theologischer Streit
Seit Beginn der Reformation ranken sich um das Abendmahl zahlreiche Kontroversen zwischen den Konfessionen – nicht nur zwischen Protestanten und Katholiken, sondern auch unter verschiedenen protestantischen Strömungen.
Knackpunkt dabei ist stets die Frage, was im Abendmahl genau geschieht. Die katholische Kirche lehrt eine so genannte „Transsubstantiation“ – eine Wesensveränderung von Brot und Wein. Nach katholischer Lehre ist die Aussage Jesu „dies ist mein Leib“ im wörtlichsten Sinne zu verstehen: Brot und Wein ändern in der Eucharistie – tatsächlich und physisch – ihre Substanz und werden zu Leib und Blut Christi.
Den Begriff „Substanz“ versteht die katholische Lehre dabei im Sinne des griechischen Philosophen Aristoteles: Als nicht sinnlich wahrnehmbaren „Inbegriff“ eines Dings. Brot und Wein sehen also weiterhin aus wie Brot und Wein – und schmecken auch so – sind aber tatsächlich Leib und Blut. Seit dem Konzil von Trient im 16. Jahrhundert ist diese „Wesenswandlung“ ein integraler Bestandteil der katholischen Lehre. Wer sie ablehnt, kann streng genommen nicht am katholischen Abendmahl teilnehmen.
Protestanten haben anderes Abendmahlsverständnis
Abgelehnt hat sie unter anderem Martin Luther. Der Reformator war kein Freund von Aristoteles. Auf Luther geht es zurück, dass Lutheraner heute eine so genannte „Realpräsenz“ lehren: Christus ist im Abendmahl real und physisch anwesend, allerdings nicht scheinbar als Brot und Wein wie in der katholischen Lehre. Stattdessen wird „durch“ Brot und Wein – die selbst Brot und Wein bleiben – auch der Leib Christi im Abendmahl erfahrbar.
Die andere große protestantische Strömung in Deutschland, die Reformierten, gehen vor allem auf Ulrich Zwingli und Johannes Calvin zurück. Sie nehmen, vereinfacht gesagt, eine „symbolische“ Präsenz an. Christus ist in Brot und Wein nicht real anwesend, sondern das Abendmahl ist ein Akt des Erinnerns an das Opfer Christi. Die Aussage „dies ist mein Leib“ sei nach reformierter Lehre bildlich zu verstehen.
EKD hofft auf katholische Öffnung
Heutzutage sind die meisten Gliedkirchen der EKD uniert – das heißt, sie bilden einen Zusammenschluss aus Lutheranern und Reformierten. Im Hinblick auf das Abendmahl ist das möglich, weil in der „Leuenberger Konkordie“ von 1973 verankert ist, dass es für die evangelische Lehre auf Christus als Spender des Abendmahls, nicht auf den genauen, verborgenen Vorgang ankommt.
Auf die Konkordie nimmt die EKD auch in ihrer Presserklärung Bezug – denn diese ermöglicht es ihr, auch Katholiken – die, theologisch gesprochen, an die Transsubstantiation glauben – zu ihrem Abendmahl zuzulassen. Auf evangelischer Seite erhofft man sich eine ähnliche Öffnung im katholischen Lager. Die katholische Handreichung benenne „keineswegs Dimensionen, die dem evangelischen Abendmahlsglauben fremd sind“.
Daher, so die Erklärung, „bleibt es wohl doch dem einzelnen Seelsorgegespräch vorbehalten, das spezifische Verständnis der Eucharistie so zu erläutern, dass es dem konfessionsverbindenden Ehepaar erlaubt, ihrer eigenen Gewissensentscheidung zu folgen“. Es sei zu begrüßen, dass in der katholischen Handreichung der einzelne Mensch „und nicht eine dogmatisch abstrakte Regel“ im Zentrum stehe. „Darüber können wir uns als evangelische Kirche nur freuen“.