Mehr und mehr Kirchen müssen Teile ihres Immobilienbesitzes verkaufen. Das geht es aus einer Studie der Evangelischen Bank hervor. Demnach haben 90 Prozent aller kirchlichen Verwaltungseinheiten innerhalb der vergangenen fünf Jahre Kirchenimmobilien veräußern müssen. Dazu zählen Pfarrhäuser, Gemeindehäuser, Kindergärten, Verwaltungsgebäude, Grundstücke, aber auch alte Kirchengebäude.
Da in ganz Deutschland die Zahl der Kirchenaustritte steigt, wurden in den vergangenen fünf Jahren in acht von zehn Kirchenkreisen Gemeinden fusioniert oder Kirchengebäude geschlossen. Nicht zuletzt deswegen wird aus jeder zweiten Landeskirche beziehungsweise Diözese ein konkreter Immobilienleerstand gemeldet. Auf Kirchenkreisebene sehen sich 38 Prozent der Immobilienverantwortlichen mit Leerstand und Mindernutzung konfrontiert.
Problematik verschärft sich
Besonders betroffen sind Gemeindehäuser und Kirchen. Während die kirchlichen Immobilienverantwortlichen den Nutzungsgrad für Kindergärten, Pfarrhäuser und Pastorate auf einer Skala von eins bis zehn mit über neun angeben, werden Gemeindehäuser und Kirchen deutlich weniger ausgelastet (5,9 bzw. 5,2).
Vor allem Instandhaltung, Gebäudeunterhalt und laufende Kosten stellen eine besondere Belastung für die Kirchen und ihren Haushalt dar. Oftmals kommen noch Kosten für energetische Modernisierungsmaßnahmen auf die Kirchen zu, weil viele Gebäude aus den 1950er bis 1970er Jahren stammen.
„Die Kirchenkreise und Landeskirchen werden sich in den kommenden Jahren immer intensiver mit diesem Thema auseinander setzen müssen“, heißt es dazu vonseiten der Evangelischen Bank. Und auch die kirchlichen Immobilienverantwortlichen selbst gehen zu über zwei Drittel davon aus, dass die Problematik zukünftig noch akuter werden wird.
Reputationsschäden vermeiden
Insbesondere Verkauf oder Vermietung von Gottesdienstgebäuden stellt die Verantwortlichen dabei vor große Herausforderungen. Vielen Landeskirchen und Diözesen ist es vor allem wichtig, dass das Gebäude nach dem Verkauf angemessen genutzt wird. So geben knapp 60 Prozent der Verantwortlichen an, dass der Verkauf oder die Vermietung an klare Bedingungen oder Ausschlusskriterien geknüpft sein müssen.
„Der Schutz vor Reputationsschäden durch nicht adäquaten Verkauf oder Vermietung hat bei den Verantwortlichen sehr hohe Priorität“, erklärt die Evangelische Bank. Man wolle sich insbesondere vom Rotlichtmilieu, aber auch von der Glücksspielszene und radikalen politischen Gruppierungen abgrenzen. Deshalb tragen sich viele Gemeinden auch eher mit dem Gedanken, ihre Gebäude zu vermieten, als sie gänzlich aus der Hand zu geben.
Kletterhallen, Museen, Buchläden, Restaurants
Am liebsten wollen Kirchen ihre Gebäude als Wohnraum zur Verfügung stellen – besonders gerne für Flüchtlinge und sozial Schwache – gefolgt von der Einrichtung sozialer Infrastruktur, etwa von Kindergärten oder Krankenhäusern. Aber 60 Prozent der Verantwortlichen sind auch grundsätzlich bereit, ihre Gebäude zur freien gewerblichen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Sie tragen damit der Tatsache Rechnung, dass viele Kirchengebäude in erster Linie von Privatpersonen nachgefragt werden. Und so sind schon jetzt vielerorts aus ehemaligen Gotteshäusern Kletterhallen, Museen, Buchläden oder Restaurants geworden.
Im ländlichen Raum sehen sich Kirchen indes mit der Tatsache konfrontiert, dass sie mit den attraktiven innerstädtischen Lagen anderer Gemeinden nicht mithalten können. Weniger hohe Verkaufserlöse und Mieteinnahmen sind die Folge.
Für die Studie wurden insgesamt 145 Immobilienverantwortliche aus 126 Kirchenkreisen und 18 übergeordneten Verwaltungseinheiten, wie etwa Landeskirchen, zwischen September und November 2017 befragt.
Von: Sandro Serafin