Ehe, Sexualität und Familie sind die umstrittensten Themen im christlichen Fundamentalismus. Das erklärte die lesbische Pfarrerin Kerstin Söderblom bei einer Diskussionsrunde des Evangelischen Kirchentags. Söderblom sieht in der Ablehnung von Schwulen und Lesben eine Gegenbewegung zur zunehmenden Öffnung der Kirche. „Ängste, Sorgen, Unsicherheiten“ spielten dabei eine Rolle.
Für sie ist der Umgang mit Genderfragen ein Lackmustest für das Zusammenleben in der Kirche. Viele Homosexuelle könnten sich bis heute nicht vorstellen, dass sie trotz ihrer Orientierung gläubig sein könnten. Sie forderte deshalb „sichere Orte“ für Schwule und Lesben in Gemeinden. Sie wünsche sich, „dass die Kirchentüren weit auf sind im Sinne des Leibes Jesu Christi“. Fundamentalistische Stimmen könnten Vielfalt nicht aushalten. „Das müssen wir ernst nehmen, aber auch miteinander ins Gespräch kommen, um uns unsere Geschichten zu erzählen.“
Es ist etwas Gutes am Fundamentalismus
Die Politikwissenschaftlerin und Theologin Antje Schrupp erklärte, Fundamentlismus sei der Versuch „zurückzugehen zu den Wurzeln“, zu einem „Set von Glaubensüberzeugungen, die nicht diskutierbar sind“. Das sei nicht unbedingt schlecht: Der christliche Pietismus etwa habe sich gegen eine verknöcherte Kirchenstruktur und deshalb den Grundlagen des Glaubens zugewandt.
„Es ist etwas Gutes am Fundamentalismus“, sagte Schrupp. Fundamental-existenzieller Glaube sei nicht das Problem. Es liege vielmehr da, wo Menschen beanspruchten, diese Fundamente auch mit Gewalt gegenüber anderen durchzusetzen. Dies könne durch Terror geschehen, aber auch schlicht durch Macht in Form von Gesetzen. „Das ist der Weg, den Evangelikale in den USA gehen“, sagte sie.
Fundamentalismus boome, weil es heute vielen schwer falle, über grundlegende Überzeugungen zu streiten. Ernsthafte Frömmigkeit sei immer auf der Suche nach Gott. Deshalb sei Mission nie bloße Werbung, sondern Diskurs. Fundamentalisten hingegen vermittelten absolute Sicherheit und hätten so die bessere Werbung für ihren Glauben.
Frauenrechte in Islam und Judentum
Die malaysische muslimische Frauenrechtlerin Rozana Isa berichtete von ihrer Arbeit mit den „Sisters of Islam“. Die Kernfrage bei der Gründung ihrer Organisation vor 30 Jahren sei gewesen, warum es im Islam keine Geschlechtergerechtigkeit gebe, obwohl der Koran durchaus Frauenrechte beinhalte. „Alles ist zurückzuführen auf Interpretation und die patriarchale Perspektive“, sagte sie. Deshalb habe ihre Organisation eine eigene Koraninterpretation veröffentlicht. Die Scharia sei nicht unveränderbar. „Die Stimmen der Frauen sind lange Zeit nicht gehört worden.“ Jetzt gebe es auch dank dem Internet ein größeres Bewusstsein für Frauenrechte im Islam.
Die Rabbinerin Natalia Verzhbovska aus Köln sprach über jüdischen Fundamentalismus in Israel: Sie habe dort schon ultraorthodoxe Frauen in Burka gesehen. „Wir waren sehr erschrocken“, erinnerte sie sich. Andererseits gebe es dort feministische Radiosendungen, wo sich gläubige Frauen anonym beraten lassen könnten. In Deutschland sei die jüdische Orthodoxie im Grunde nicht vorhanden. Die Situation der Frauen sei also besser. Dennoch gebe es nur sechs Rabbinerinnen in der Bundesrepublik. In den USA hingegen seien die meisten Rabbinerstellen durch Frauen besetzt. Bei der Fortentwicklung der Frauenrechte im Judentum soll ihrer Meinung nach vor allem eines helfen: „Interreligiöser Dialog ist sehr wichtig“, sagte sie. (pro)
Von: al