Katholiken und Protestanten feiern am Vorabend des zweiten Sonntags der Passions- und Fastenzeit im Hildesheimer Dom erstmals einen zentralen ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst. Anlass ist das diesjährige Reformationsjubiläum. Der Gottesdienst steht in der Tradition von „Healing of Memories“ (dt.: Heilen der Erinnerungen), einer Initiative, die auch schon in Südafrika und nach dem Balkankrieg Zeichen setzte. Im Gottesdienst sollen die Wunden der Vergangenheit, die auf beiden Seiten der Konfessionen entstanden sind, benannt und Gott um Vergebung gebeten werden.
„Wir wollen dafür einstehen, dass der Leib Christi zusammenwächst, ohne dass Unterschiede verwischt werden – nicht uniform, sondern ‚transform‘“, sagte der Vorsitzende der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der Evangelischen Kirche, Henning Dobers, auf Anfrage von pro im Vorfeld der Veranstaltung über seine Bewegung. In diesem Sinne hält Dobers auch diesen Bußgottesdienst zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland für wichtig. Seiner Erfahrung nach segne Gott aufrichtige Buße. „Wo Menschen sich vertragen und Buße tun, fließt Segen.“ Dobers äußerte die Hoffnung, „dass sich ein Tor öffnet“ für das gemeinsame Abendmahl. „Kein katholisch-evangelisches Abendmahl, sondern dass wir uns gegenseitig einladen, am Abendmahl teilzunehmen“, erklärte er. Ganz im Sinne der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung, die unter anderem auf Beziehung setzt: „Wir suchen die Gemeinschaft mit allen, die an Jesus Christus glauben.“
In Bezug auf die Versöhnung und Buße zwischen Landes- und Freikirchen sagte Dobers, die evangelische Amtskirche müsse weiter auf die Freikirchen zugehen. „Jetzt geht die Arbeit erst los, ein Anfang ist gemacht, mit den Freikirchen geht es weiter.“ Klagen, dass die Freikirchen nicht am Gottesdienst im Hildesheimer Dom beteiligt seien, seien fehl am Platz. Man könne „nicht alles gleichzeitig“ machen.
Einsatz für eine „versöhnte Verschiedenheit“
Trotz des Anliegens der Versöhnung gehe es Katholischer und Evangelischer Kirche nicht um eine „Wiedervereinigung“, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm im Vorfeld des Gottesdienstes. „Wir streben keine Einheitsorganisation an“, sagte er einem Bericht des Evangelischen Pressedienstes (epd) zufolge. Die Kirche des 21. Jahrhunderts könne nicht wieder zu derjenigen des 16. Jahrhunderts werden. Es gehe nicht darum, zu kitten, wiederherzustellen oder zu vereinigen, sondern darum, sich weiterzuentwickeln. Beide Konfessionen wollten jedoch gemeinsam auf Christus hören. In der Vergangenheit seien im Namen der Konfession Kriege geführt worden, es sei gemordet worden und man habe sich gegenseitig abgewertet. Dafür wolle man Gott um Vergebung bitten.
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung plädierte dafür, eine „versöhnte Verschiedenheit“ weiter voranzutreiben. Das sagte er bei einem bei einem Vortrag vor Kirchenhistorikern. Auch Papst Franziskus habe bei der Begegnung mit Jung betont, Ziel sei es, „in einer bereits versöhnten Verschiedenheit die geistlichen und theologischen Gaben zu schätzen, die wir in der Reformation empfangen haben“. Jung erklärte außerdem, in der Geschichte des Christentums sei der Glaube schon immer „in verschiedenen Ausprägungen verstanden und gelebt“ worden. Schon immer hätten die Gemeinden auch darum gerungen, was an Verschiedenheit möglich sei und wo Abgrenzungen zu vollziehen seien.
Heute streite man zwar weniger um Fragen der Taufe und des Abendmahls, dafür um Themen wie die Beurteilung von Homosexualität oder um die Frauenordination. Trotz aller Differenzen müsse kirchliche Einheit auch immer die „die in Christus begründete und geschenkte Einheit“ im Blick haben. „Dieser Einheit in aller menschlichen Unzulänglichkeit und Verschiedenheit Ausdruck zu geben, ist der Auftrag der Kirche“, sagte Jung.
Den ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst überträgt die ARD am Samstag, den 11. März, um 17 Uhr live. Unter anderem nehmen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck teil. (pro)
Von: sz