Aus der Freude über die Auferstehung Jesu und dem Spott über den Tod entstand der Brauch des Osterlachens. Den sieht mancher Geistliche kritisch. Aber Konsens ist: Die frohe Botschaft von Ostern ist Grund zur Freude.
Jesus Christus ist vom Tod auferstanden. Das ist Grund zur Freude!
„Glauben Sie an eine Auferstehung nach dem Tod?“, fragt der Chef. „Ich… ich weiß nicht“, stammelt der junge Angestellte verlegen, „warum wollen Sie das denn wissen?“ „Weil Ihr Großvater, zu dessen Beerdigung Sie gestern frei bekamen, Sie am Telefon verlangt.“
So klingt für den emeritierten katholischen Pfarrer Heinrich Bücker ein guter „Osterwitz“, weshalb er ihn neben einem guten Dutzend anderer in seinem Buch „Halleluja und Helau“ anführt. Dass diese Witze allesamt mit dem Tod zu tun haben, ist Absicht: „Der Tod kann uns nicht mehr erschrecken, er ist der Lächerlichkeit preisgegeben“, meint der 79-jährige Westfale. Darin ist er sich mit Martin Luther einig, in dessen Osterlied „Christ lag in Todesbanden“ es heißt: „Ein Spott aus dem Tod ist worden“. Über 400 Jahre später kann der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch in einem seiner modernen Psalmen „vom Kindbett bis zur Leich“ singen und tanzen, „weil mich mein Gott das Lachen lehrt wohl über alle Welt“.
Die Kirche und das Lachen – ein eigenes Thema. In Umberto Ecos Mittelalter-Krimi „Der Name der Rose“ mordet der blinde Klosterbibliothekar Jorge, weil er das Lachen für gefährlich hält. Doch gerade im spätmittelalterlichen 14. Jahrhundert entstanden aus den Reihen der Pfarrer die Osterwitze, damals „Ostermärlein“ genannt. An den Feiertagen sollte ein kräftiges „Osterlachen“ – auf Latein „risus paschalis“ – durch die Kirche schallen. Man wollte dem Tod, zu jenen Zeiten viel gegenwärtiger als heute, gewissermaßen die Zunge herausstrecken. Mit Witzen, Anekdoten und sogar Anspielen auf einer kleinen Bühne versuchten die Pfarrer, aus ihren Schäflein die Osterfreude „herauszukitzeln“.
Mit Witz predigen
Was mit einem tieferen Sinn gedacht war, entartete allerdings im Laufe der Zeit. „Die Pfarrer legten ganz schön los“, erzählt der Katholik Bücker im Gespräch. „Kuckuck“-schreiende Geistliche sind überliefert, wilde Grimassen und zum Teil recht schlüpfrige Witze. Der Reformator Johannes Oekolampad beklagte, was Eheleute in ihrer Kammer ohne Zeugen zu tun pflegten, gehöre nicht auf die Kanzel. „Närrisch lächerliches Geschwätz“ war es für Martin Luther. Auch andere Reformatoren gingen gegen diesen Brauch vor. „Sie sahen es als Anzeichen für die Missstände in den Predigten, die nur noch der Unterhaltung dienen sollten“, so Reinhold Rieger, Kirchenhistoriker an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Dennoch sei der Brauch im 16. Jahrhundert durchaus auch in der evangelischen Kirche gepflegt worden. In der katholischen Kirche hielt sich das Osterlachen dagegen vereinzelt bis ins 19. Jahrhundert, dann aber verboten es auch dort die meisten Kirchenordnungen regelrecht.
Pfarrer Reinhard Röhrner hat vor einigen Jahren einen Aufsatz über das besonders in Bayern verbreitete Osterlachen geschrieben – und den alten Brauch in seiner Gemeinde neu belebt. In der katholischen Pfarrkirche St. Martin im niederbayrischen Laberweinting erzählt er gern mal einen Witz im Gottesdienst, auch an Ostern. „Wer lacht, ist empfänglicher für die Osterbotschaft“, glaubt Röhrner, der Ostern mit allen Sinnen erfahrbar machen möchte. Allerdings dürfe man nicht auf Gedeih und Verderb witzig, sondern müsse authentisch sein: „Ich erzähle auch so mal einen Witz, nicht nur im Gottesdienst“, betont der Geistliche, „insofern ist das stimmig.“
Auch Heinrich Bücker, der im Ruhestand noch vertretungsweise auf die Kanzel steigt, baut in seine Predigten gern einen Spaß ein. „Wenn wir schon die frohe Botschaft verkündigen, dann müssen die Leute auch Freude empfinden“, sagt er. Als zusätzlich ausgebildeter Psychotherapeut weiß er um die heilende Kraft des Lachens. „Glauben, Lachen und Gesunden“ gehören für ihn zusammen. In der Bibel sieht er sich durch Psalm 126 bestätigt. „Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein“, heißt es dort über Israels Rückkehr aus dem babylonischen Exil. Doch Bücker hat auch die Erfahrung gemacht: Nicht jeder sieht das so. Andere begründeten mit der Seligpreisung aus dem Lukasevangelium („Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen“), dass das Lachen für die Ewigkeit sei.
„Leute, freut euch!“
Der evangelische Kirchenhistoriker Rieger hält zumindest vom alten Brauch des Osterlachens persönlich nicht viel. Er empfindet es als unnötigen rhetorischen Trick, an den man nicht wieder anknüpfen müsse. „Das Christentum ist tiefgehend eine Märtyrerreligion“, sagt er. Vor allem die Reihenfolge stört ihn: „ Natürlich ist es so, dass man aus der Osterbotschaft Freude gewinnt und lachen kann, aber das zu provozieren wie beim Osterlachen, ist nicht passend.“ Zu sehr erinnere ihn das an Karneval, meint Rieger. Nicht umsonst trägt das Buch Heinrich Bückers, der selbst auch Büttenpredigten hält, den Untertitel „Karnevalspredigten und Ostergelächter“.
Bei den Freikirchen kennt Andreas Kraft, Pastor einer großen Berliner Methodistengemeinde charismatischer Prägung, den Brauch des Osterlachens nicht. Er fühlt sich bei dem Begriff allerdings an „geistgewirktes Lachen und Jubeln“ erinnert. Da werde ja letztlich auch der Freude darüber Ausdruck gegeben, dass Jesus den Tod besiegt habe. Verordnetes Lachen – nein danke. Aber wenn das eigentliche Geschehen dahinterstehe, dürfe gern an Ostern gelacht werden.
Darin ist man sich im Grunde dann konfessionsübergreifend einig. Wie Bücker es auf den Punkt bringt: „ Das Eigentliche ist nicht der Witz, sondern der Inhalt!“ Also an Ostern der Glaube an die Auferstehung. „Wenn ich nicht mehr fest an die Auferstehung glauben würde, dann würde ich das Predigen einstellen – das habe ich bis heute aber nicht getan“, schmunzelt der 79-Jährige. So möchte er den Gottesdienstbesuchern weiterhin vermitteln: „Leute, ihr müsst nicht trauern wie die Heiden, die keine Hoffnung haben! Wir werden leben, wir werden auferstehen – Leute, freut euch!“ Und zwar mit oder ohne Osterwitz – und erst recht über Ostern hinaus. (pro)
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