Zum zehnten Mal haben Forscher der Universität Leipzig nach autoritären Denkmustern in der Bevölkerung geforscht. Dabei kam unter anderem heraus, dass Verschwörungsmythen in der aktuellen Corona-Pandemie weit verbreitet sind. Laut der Studie stimmten insgesamt 47,8 Prozent (54,4 Prozent Ost; 46,2 Prozent West) der Befragten der Aussage zu: „Die Hintergründe der Corona-Pandemie werden nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen“.
Jeder Dritte (33 Prozent) stimmte der Aussage zu: „Die Corona-Krise wurde so groß geredet, damit einige wenige davon profitieren können“. (44,4 Prozent Ost; 30,1 Prozent West). Die Studie unter dem Titel „Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität“, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde, zeigt, dass diese Überzeugungen im Osten wesentlich stärker ausgeprägt sind als im Westen.
Verschwörungstheorien verzeichnen Zulauf
Zum fünften Mal haben die Forscher der Universität Leipzig in ihrer Untersuchung Fragen zu Verschwörungsmythen gestellt. Aktuell standen die im Bezug zur Corona-Pandemie. „Unsere Befragung hat gezeigt, dass der Glaube an Verschwörungsmythen in der Bevölkerung seit 2018 gestiegen ist. Wir würden außerdem sagen, dass er als eine Art Einstiegsdroge für ein antimodernes Weltbild wirken kann“, erklärt Oliver Decker vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung. Verschwörungsmentalität stellten die Forscher bei 51,4 Prozent der Befragten fest. 2018 lag der Wert noch bei 34,5 Prozent.
Seit 2002 beobachten die Wissenschaftler die Entwicklung autoritärer und rechtsextremer Einstellungen in Deutschland. Von 2006 bis 2012 entstanden die Studien in Kooperation mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und wurden unter dem Titel „Mitte-Studien“ veröffentlicht. Inzwischen erscheint die Erhebung in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht, und der Otto-Brenner-Stiftung, die zur Gewerkschaft IG Metall gehört. Dabei wurden vom Anfang Mai 2020 bis Mitte Juni 2020 bundesweit 2.503 Menschen mit einem Fragebogen befragt.
Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus sinken
Die Wissenschaftler stellten fest, dass Ausländerfeindlichkeit in Deutschland abgenommen hat, aber ingesamt rechtsextreme Einstellungen weiterhin auf einem hohen Niveau geblieben sind. Die Studie zeigt, dass der Prozentsatz der „manifest ausländerfeindlich Eingestellten“ im Land im Vergleich zu 2018 von 23,4 auf 16,5 Prozent gesunken ist. Als „auffällig“ bezeichneten die Wissenschaftler den Unterschied des Rückgangs im Ost-West-Vergleich. Im Westen sank der Anteil von 21,5 auf 13,7 Prozent, im Osten des Landes nur von 30,7 auf 27,8 Prozent. Insgesamt stimmen 28,4 Prozent der Befragten auch der Aussage zu, dass „Ausländer nur hierherkommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen“. Vor zwei Jahren hatten 36 Prozent der Frage zugestimmt.
Auch hinsichtlich rechtsextremer Einstellungen stellen die Forscher einen starken Unterschied zwischen Ost und West fest. Während der Anteil „verfestigt rechtsextrem eingestellter Personen“ in Westdeutschland (4,3 Prozent) weiter sank und aktuell insgesamt bei drei Prozent (5,2 Prozent in 2018) liegt, stieg er in Ostdeutschland erneut an. Etwa jeder Zehnte (9,5 Prozent) der Befragten dort hat der Studie zufolge „ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild“. Das ist ein Prozentpunkt mehr als 2018.
Die Studie zeigt auch, dass die Zustimmung zu tradiertem Antisemitismus bundesweit leicht rückläufig ist. Auch die Abwertung von Muslimen ging zurück. „Aber wir dürfen uns nichts vormachen, wir verzeichnen bei manchen Fragestellungen weiterhin ein erschreckend hohes Niveau an Zustimmung“, erklärte Elmar Brähler, der Co-Autor der Studie vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung.
Von: Norbert Schäfer