Die Frage, ob geistliche Handlungen auch von Maschinen übernommen werden können, ist eine heiß diskutierte. Christian Grethlein, Professor an der Universität Münster, näherte sich im Rahmen der Theologischen Tage an der Universität Halle-Wittenberg dieser Problematik aus einer beobachtenden, praktisch-theologischen Perspektive. Grethlein betonte die heutige Segensbedürftigkeit der Menschen. Trotz dieses wachsenden Bedarfs habe sich das Verständnis des Segens in der Christentumsgeschichte genau gegenläufig entwickelt: Die Protestanten hätten die Betonung vornehmlich auf die Predigt gelegt. Dadurch sei der Segen auf liturgische Praxis des Pfarrers reduziert worden.
Diese Entwicklung kritisiert Grethlein. Man müsse dem Segen wieder mehr Gewicht geben und ganz im Sinne von Luthers „Priestertum aller Getauften“ dafür Sorge tragen, dass beispielsweise auch Konfirmanden segnen. Um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, sagte er – wohl bewusst provokant –, dass der Roboter „BlessU2″ mehr biblische Segenssprüche präsent habe als der Pfarrer. Dennoch sei der Segensroboter nur „ein Instrument, Menschen an ihr Gesegnet-Sein zu erinnern – nicht mehr und auch nicht weniger“. Schließlich sei Segen von der Verknüpfung des persönlichen Kontextes und dem Bezug auf das Unverfügbare abhängig. Das könnten Maschinen allerdings nicht leisten.
Grethlein machte deutlich, dass Segensroboter eine gewisse Daseinsberechtigung haben. Sie würden von solchen Menschen genutzt, die damit was anfangen könnten, sagte der praktische Theologe. So habe beispielsweise ein ostdeutsches Paar den Segen des Roboters in Anspruch genommen, weil sie sich keiner Person verpflichtet fühlen wollten. Das Beispiel zeige also, es liege nicht an der Intellektualität, ob sich Menschen von dem Segensroboter angesprochen fühlen, sondern an der eigenen Biographie, schloss Grethlein.
„Technik ist nicht gut oder böse“
In einem weiteren Vortrag befasste sich der Systematiker Dirk Evers mit Herausforderungen für die Theologie, die durch Künstliche Intelligenz entstehen. Er sagte klar, dass man sich der digitalen Revolution und den aufkommenden Aufgaben der Kirche nicht erwehren könne. Es könne nicht darum gehen, die Entwicklungen zu verteufeln. Gute oder böse Technik existiere nicht. Entscheidend sei, wie sie genutzt werde. Eine Revolution der Medien sei schon immer mit religiöser Transformation einhergegangen. Die Kirche müsse sich daher mit der Frage auseinandersetzen, was die Umstellung von einer Buchkultur zur digitalen Kultur bedeute. Entscheidend sei dabei die Frage, wie man im 21. Jahrhundert das Evangelium kommunizieren könne.
Evers betonte weiterhin die Gefahr, dass Grenzen zwischen Menschen und Maschinen schnell verschwimmen könnten. Das liege vornehmlich am medialen Wesen des Menschen. Deswegen fordert der Theologe, dass Roboter sich jederzeit als solche ausgeben müssen. Abschließend warnte er davor, dass der Mensch sich dem Roboter zu sehr anpassen könnte. Das Gegenteil müsse der Fall sein.
Die Theologischen Tage 2019 wurden von den Instituten der Systematische Theologie und der Praktischen Theologie organisiert. Sie finden jedes Jahr im Januar statt.
Von: Martin Schlorke