Unter deutschen Katholiken mehrt sich die Kritik am „Nein“ zur Segnung homosexueller Paare aus dem Vatikan. Manche Geistliche und Laien weisen das Verbot teils als lebensfremd zurück. Die vatikanische Glaubenskongregation verspiele die vermutlich letzte Chance weltweit, menschenfreundlich und ethisch anschlussfähig zu bleiben, teilte das Katholische LSBT+Komitee, das sich für die Gleichberechtigung von nicht-heterosexuellen Personen in der römisch-katholischen Kirche einsetzt, am Dienstag mit. Die Abkürzung LSBT+ steht für lesbisch, schwul, bi, trans und weitere Formen der Sexualität, ein anderes Wort für diese Abkürzung ist das Adjektiv „queer“. Andere Amtsträger hingegen unterstützen die Entscheidung aus dem Vatikan.
Der katholische Wormser Dompropst Tobias Schäfer sorgte mit einem Video-Statement auf Facebook für Aufmerksamkeit. Am Dienstag war es mehr als 1.000 Mal geteilt worden. Das Verbot von Segensfeiern mache ihn fassungslos, erklärte der Theologe. „Wo die Kirche glaubt, sich zur Wächterin über den Segen Gottes machen zu müssen, dann ist sie nicht länger Segen für diese Welt.“ Er werde sich von niemande verbieten lassen, Gottes Segen jedem zu spenden, der ihn brauche oder erbitte.
Die Glaubenskongregation hatte am Montag der Einführung katholischer Segensfeiern für homosexuelle Paare eine kategorische Absage erteilt. Es sei „nicht erlaubt, Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist“, hieß es. Die Kirche habe keine „Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen“.
Bistum Trier: Schaden ist enorm
Eine deutliche Reaktion auf das Machtwort aus dem Vatikan kam am Dienstag auch aus dem Bistum Speyer. Generalvikar Andreas Sturm schrieb auf seiner Facebook-Seite ebenfalls, er werde das Verbot ignorieren: „Ich habe Wohnungen, Autos, Fahrstühle, unzählige Rosenkränze usw. gesegnet und soll zwei Menschen nicht segnen können, die sich lieben? Das kann nicht Gottes Wille sein.“
Für das Bistum Trier erklärte der Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg, er teile dieses Unverständnis bis hin zum Entsetzen mit vielen anderen Gläubigen. Der Schaden, der mit dieser neuerlichen römischen Intervention verursacht werde, sei enorm, erklärte er. Es gehe ihm ausdrücklich nicht um Gleichmacherei, aber „um Respekt Menschen gegenüber, die sich nach bestem Wissen und Gewissen für diese Lebensform entschieden haben und sie aus dem christlichen Glauben heraus gestalten und leben wollen“.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf erklärte, nach der Veröffentlichung aus dem Vatikan hätten ihn viele Zuschriften erreicht: „Ich nehme wahr, wie viele gläubige Menschen dadurch enttäuscht und verletzt sind, keineswegs nur unmittelbar Betroffene.“ Im Februar hatte sich Kohlgraf vorsichtig dafür ausgesprochen, die Haltung der katholischen Kirche zu Segensfeiern für homosexuelle Paare zu überdenken. In der Praxis fänden solche Segnungen bereits statt, obwohl sie gegen die kirchliche Ordnung verstießen, erklärte er in einem Beitrag für die Bistumszeitung. Eine Gleichstellung von Segensfeiern für homosexuelle Paare und kirchlichen Trauungen lehnt der Mainzer Bischof jedoch ab.
Auch die Vorsitzenden des Forums „Leben in gelingenden Beziehungen“ des Synodalen Wegs meldeten sich am Dienstag zu Wort. Der „römische Zwischenruf“ werde im Forum diskutiert, teilten der Aachener Bischof Helmut Dieser und Birgit Mock vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit. Das Dokument aus Rom lasse auch auf eine mögliche Weiterentwicklung der Lehre der Kirche hoffen.
Doch es gibt auch Verständnis für die Verlautbarung aus dem Vatikan. Der Passauer Bischof Stefan zeigte sich „dankbar für diese Äußerung des Lehramtes“. Die Kirche habe laut dem Dokument „keine Vollmacht, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften einen kirchlichen Segen zu spenden“. Weil der Vatikan an seiner Haltung festhalte, habe Papst Franziskus immer wieder herausgestellt, „dass ein solches Festhalten an bisher geltender Position zugleich bedeuten muss, mit größerer Aufmerksamkeit alle Menschen unabhängig von Geschlecht und geschlechtlicher Orientierung in ihrer Würde zu achten, sie anzunehmen und immer neu einzuladen in die Gemeinschaft der Kirche und auf den Weg des Glaubens.“ Diese Auffassung teile er mit voller Überzeugung.
Die christliche Ehe sei „hingeordnet“ auf die gegenseitige Liebe und gemeinsame Kinder. In der Verbindung zwischen Mann und Frau liege nach biblischer und kirchlicher Überzeugung ein besonderer Segen, „der sich im Sakrament der Ehe entfaltet.“
Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt äußerte sich in einem Interview auf der Bistums-Website ähnlich. Die Verlautbarung des Vatikans sei keine Diskriminierung, stattdessen wolle die Kirche das Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau stärken. „Der Blick der Kirche richtet sich entsprechend der biblischen Botschaft zuerst auf die Ehepaare und die Familien.“
Mit Blick auf die Äußerungen, es passe nicht, dass selbst Autos, Flughäfen oder Sportstätten, aber keine homosexuellen Partnerschaften gesegnet werden dürfen, antwortete Ipolt: „Natürlich könnten homosexuelle Menschen gesegnet werden.“ Das sei aber etwas anderes als ihre Partnerschaft zu segnen. Auf kurz oder lang würde eine öffentliche Segnung „ in der öffentlichen Wahrnehmung und im Verständnis der Gläubigen zu Verwechslungen mit einer kirchlichen Trauung“ führen. Die Kirche bekräftige mit ihrer jetzigen Äußerung „den Weg zwischen undifferenzierter Ablehnung und kritikloser Absegnung. Das ist keine einfache Antwort, sondern dieser Weg der Unterscheidung ist der schwerere, aber der allein ehrliche Weg.“
Von: epd/Nicolai Franz