Gemeinsame Sprache ohne Worte finden

Josephine Hoffmann ist seit Geburt gehörlos. Sie hat Theologie studiert und will als Seelsorgerin Gehörlose in der pfälzischen Landeskirche besser vernetzen.
Von PRO
Gehörlosen-Seelsorgerin Josephine Hoffmann

Die hörende und die nicht-hörende Welt verbinden, Schnittstelle sein für einen Austausch zwischen zwei Gruppen, die im besten Fall aneinander vorbeileben, auch kirchlich: Für Josephine Hoffmann, seit April in der pfälzischen Landeskirche für die Gehörlosenseelsorge zuständig, ist das ein zentrales Anliegen. Die Stolpersteine und Missverständnisse auf diesem Weg kennt die 36-jährige Gemeindediakonin gut. Schließlich ist sie selbst seit Geburt taub.

Hoffmann wächst in einer hörenden christlichen Familie in Dresden auf, ihre Eltern suchen über die Kirchengemeinde den Kontakt zu anderen tauben Menschen. Der Pfarrer engagiert sich für gehörlose Christen und verwendet lautsprachbegleitende Gebärden.

Doch ganz zufrieden ist Hoffmann damit nicht. Vieles Gesagte in solchen Gottesdiensten gehe verloren, sagt sie: „Ich wollte die christlichen Inhalte auch mit Sinn in meiner Muttersprache, der Gebärdensprache, weitergeben.“ In Berlin, wo sie ihr Abitur ablegt, lernt sie eine Gehörlosengemeinde kennen, die sich gebärdensprachlich austauscht. „Eine starke Gemeinschaft“, sagt Hoffmann.

Einzige Gehörlose mit dem Studienwunsch

Der Wunsch, Theologie zu studieren, wird durch ein Freiwilliges Soziales Jahr im Hermann-Gocht-Haus Zwickau, einem Wohnheim für gehörlose und mehrfach behinderte Menschen, bestärkt. Doch einen Studienplatz zu finden, ist schwer. „Ich war zu diesem Zeitpunkt die einzige Gehörlose mit diesem Studienwunsch“, erzählt Hoffmann.

Vielleicht auch deshalb dauert es drei Jahre, bis sie das Studium beginnen kann, bis der Bewilligungsbescheid für die Dolmetscher endlich bei ihr eintrifft. Inzwischen hat Hoffmann die Wartezeit für eine schulische Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin genutzt.

Das Theologiestudium in Leipzig erweist sich als Herausforderung. „In Geisteswissenschaften wird viel diskutiert, das war manchmal schwer“, sagt Hoffmann, die Lippen lesen kann. Dazu kommt das mühselige Beantragen von Dolmetschern. Letztlich entscheidet sie sich jedoch gegen die akademische Richtung und beendet nach zehn Jahren ihr Studium mit einem Bachelor.

Sie lernt ihren späteren Mann kennen und zieht nach Mannheim, findet nach der Geburt ihres Kindes in der Ausschreibung der Gehörlosenseelsorgestelle einen neuen Anknüpfungspunkt. Noch hat sie nicht ihr ganzes Gebiet erschlossen, merkt aber, dass die Gehörlosen in der Pfalz wenig vernetzt sind.

Wunsch nach einer eigenen Gehörlosengemeinde

Corona hat Vieles zusätzlich zum Erliegen gebracht. Doch sie erlebt, wie sie helfen kann, beim Trauergespräch mit Gehörlosen oder der seelsorgerlichen Begleitung einer Taubblinden. Hoffmann schwebt eine eigene Gehörlosengemeinde vor. Doch die Welt der Nicht-Hörenden müsse keinesfalls eine Welt für sich bleiben. Die Lautsprache in Gottesdiensten spreche Taube nicht an. Lieder mit Bewegungen, Theater oder Pantomime könnten Gottesdienste wiederum bereichern, sagt Hoffmann, die früher in einem Gebärdenchor „gesungen“ hat. Entscheidend sei, an den Kern der frohen Botschaft von Jesus zu kommen.

Die Gemeindediakonin hat die Idee, die „Herrnhuter Losungen“ in Gebärdensprache zu übertragen und ins Internet zu stellen. Ein Gebärdensprach-Lexikon für religiöse Begriffe ist ein weiteres Vorhaben. Als Behinderung sieht sie ihre Taubheit nicht, „schließlich sind Gehörlose unter sich völlig frei“. Auch für ihr Kind, das ebenfalls taub geboren ist, wünscht sie sich ein Aufwachsen mit der Gebärdensprache. „Es ist mir so von Gott geschenkt, von Gott so gewollt.“

Hoffmann will jetzt den Weg bis zur Ordination als Pfarrerin gehen, hat den Antrag auf Zulassung zur Vorbereitung bereits gestellt. „Schließlich werden auch Kasualien durchgeführt und Gottesdienste in Gebärdensprache gehalten.“ Einfach wird es nicht, das weiß sie. Aber Hindernisse sind ihr nur mehr Ansporn, so scheint es zwischen ihren Gebärden hindurch. Und an Tiefpunkten habe sie sich immer von Gott begleitet gefühlt. „Meine Kraft vollendet sich in der Schwachheit“, zitiert sie aus dem Brief an die Korinther.

Von: epd

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Eine Antwort

  1. Es ist so bereichern zu erfahren, mit welchen Problemen andere Menschen zu kämpfen haben, denen ich nie ausgesetzt war und eine Verbindung zu den Problemen herzustellen, denen ich ausgesetzt bin, ohne andere in der Arbeit um das daraus resultierende gemeinsame Leben zu behindern. Ich danke jedem einzelnen Menschen, der sich so annimmt, wie er geboren wird und darin erkennen will, worin seine ganz persönliche Herausforderung für das Leben besteht, dem wir letztendlich durch Gott zu einer Antwort verpflichtet sind. Wir sind so klein in unserem Herz und doch ist seine Liebe so groß zu dem, was daraus erwachsen ist. Den Menschen nicht zu verurteilen, sondern in seinem Sinn zu unterscheiden, was es zu entscheiden gilt, das hilft uns sicher auch dabei, einen Zugang zu Gott zu finden, der uns mit all dem Gut ausstattet, das uns dabei unterstützen soll. Vielen Dank für den Mut, dass sie das Leben selbst in die Hand nehmen und nicht der Verantwortung anderer überlassen.

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