„Leute ihr könnt in Ruhe Fußball gucke. Wahlgang hat geklappt.“ Mit diesen getwitterten Worten hatte die Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner (CDU) Ende Mai ein Exempel statuiert. Mit ihrer vorzeitigen Bekanntgabe des Wahlergebnisses bei der Entscheidung um den neuen Bundespräsidenten demonstrierte sie, wie schnell Informationen, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, in Zeiten Moderner Medien durchsickern können (pro berichtete). Klöckner musste damals eine Rüge einstecken und legte ihr Amt als Schriftführerin im Plenum des Deutschen Bundestags nieder. Nun, drei Monate vor der Bundestagswahl, zeigt sich, welche viel schwerwiegenderen Folgen des „Zwitscherns“ die Vorfälle im Mai angekündigt haben könnten. Das Magazin „Der Spiegel“ berichtet von Bedenken etwa des Bundeswahlleiters Roderich Egeler, die Hochrechnungen der Ergebnisse der Bundestagswahl könnten schon vor dem Schließen der Wahllokale um 18 Uhr bekannt werden.
Ein Wahlritual könnte zum Verhängnis werden
„Es wäre der GAU“, sagte Egeler dem Magazin und befürchtet Folgendes: Im Normalfall treffen die Politiker am Wahltag gegen 16 Uhr in ihren Parteizentralen ein und werden über die Ergebnisse der Wählerbefragungen informiert – die ersten inoffiziellen Hochrechnungen also. Das gehöre zum Wahlritual, so der „Spiegel“. Ob diese Hochrechnungen aber tatsächlich bis 18 Uhr geheim gehalten werden könnten, sei angesichts von Twitter und ähnlichen Diensten fraglich. Durch eine frühere Bekanntgabe könnte die Bundestagswahl ungültig werden. „Bürger und Parteien könnten das Ergebnis anfechten, womöglich müsste die Wahl wiederholt werden“, schreibt der „Spiegel“.
FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen habe seine Kollegen deshalb schon jetzt aufgefordert, „das Wahlgeheimnis unbedingt zu wahren“. Auch die Chefs der großen Demoskopie-Institute, die die Wahlumfragen erstellen, mahnten ihre Mitarbeiter schon jetzt zu Disziplin. Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär wünscht sich laut „Spiegel“ einen „Kodex des Stillschweigens“, auf den alle Eingeweihten verpflichtet werden sollten. Dieter Wiefelspütz (SPD) denke über ein Verbot der Wählerbefragungen nach. Laut Bundeswahlgesetz ist es verboten, die Ergebnisse der Befragungen vor Ablauf der Wahlzeit zu veröffentlichen. Bei Verstößen droht eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro. (PRO)