Gedemütigt und ausgenutzt im Namen des Herrn

In einer christlichen Gemeinde sucht Jana Schmidt Liebe und Annahme. Doch sie erlebt das Gegenteil.
Von Johannes Blöcher-Weil
Wer Machtmißbrauch erlebt, kann sich dadurch wertlos und erniedrig fühlen

Wasser predigen und Wein trinken – das hat Jana Schmidt über zehn Jahre lang erlebt. Ihr Name ist ein Pseudonym, das sie zum eigenen Schutz öffentlich verwendet. In einer freikirchlichen-charismatischen Gemeinschaft erfährt sie statt Liebe und Zuneigung Erniedrigung und Manipulation.

Schmidts Kindheit ist schwierig. Ihren richtigen Vater lernt sie nie kennen. Eine emotionale Bindung zum Rest der Familie kann sie nicht aufbauen. Sie verletzt sich selbst, wenn der Druck zu Hause zu groß wird. Ihre Ausbildung bricht sie ab und betäubt ihre Probleme mit Alkohol. In dieser Zeit lernt sie Mitglieder einer Freikirche kennen, die sich um hilfsbedürftige Menschen kümmern.

In der Gemeinschaft erlebt sie zunächst Positives. Ihr Leben gewinnt an Struktur. Sie ist fasziniert von den lebendigen Gottesdiensten, die einen Kontrast zu dem darstellen, was sie bisher kannte. „Hier war alles lebendig und frisch.“ Sie baut Bindungen zu anderen auf, die sie in der Gruppe halten: „Ich wollte dafür dankbar sein.“

Mit Anstrengung und Gehorsam Gottes Willen erfüllen

Doch dann sind da auch die anderen Phasen. Sie vertraut sich Robert, dem Leiter ihrer Therapieeinrichtung, an: „Roberts Frau war meine Bezugsperson in der Gemeinde. Dinge, die ich ihr anvertraute, hat sie ihm regelmäßig weitererzählt.“ Die Macht als Leiter der Einrichtung nutzt er, um Schmidt bloßzustellen und sie klein zu halten. Durch diese Machtstruktur entstand Abhängigkeit: „Er redete mir in mein Leben rein und wusste offensichtlich immer, was Gott von mir wollte.“

Dass er sich auf Gott beruft, macht es für Jana so schwer, dagegen vorzugehen. Robert behandelt die junge Frau als Unmündige, kontrolliert sie und nutzt sie aus: „Dabei wollte ich nur geliebt werden.“  Sie glaubt und hofft, dass sie Gottes Ansprüchen genügen kann, wenn sie sich genug anstrengt. Viele Termine in der Gemeinde dienen dazu, die „nächste geistliche Stufe“ zu erreichen.

Selbst die vollsten Wochen werden durch Arbeitseinsätze oder Straßenevangelisationen ergänzt. „Es ging darum, mehr zu beten, zu arbeiten und Freizeit zu opfern.“ Schmidt hat Angstzustände, „weil Gott mich verdammen könnte“, wenn das nicht gelinge. Auch finanziell wird sie ausgebeutet: Wer viel Geld spende, werde gesegnet mit Gesundheit, Kraft und einer guten Arbeitsstelle. Die Schulden werde Gott tausendfach zurückzahlen, heißt es.

Das alles zehrt körperlich und psychisch an ihr. Der religiöse Missbrauch macht sie abhängig von den Überzeugungen der Gemeinschaft. Das zu akzeptieren, fällt ihr schwer. „Ich glaube nicht, dass ich früher hätte aussteigen können. Ich dachte, ich bin zu Dankbarkeit und Loyalität verpflichtet.“ Aber irgendwann ist das Fass übergelaufen: „Ich habe gemerkt, wie ich innerlich zugrunde gehe und sterbe.“

Sie kann nicht mehr und sagt das auch ihrer Bezugsperson. „Einerseits war ich erleichtert, andererseits hatte ich damit alles verloren, was mein Leben ausgefüllt hat“, bilanziert sie. Damit sie ihre Erlebnisse aufarbeiten kann, nimmt sie Kontakt mit anderen Aussteigern auf und wendet sich an einen Sektenbeauftragten. Anderen Betroffenen empfiehlt sie ebenfalls, sich externe Hilfe zu holen.

Auch in der Schule sollte religiöser Missbrauch ein Thema sein. Gerade junge Menschen seien begeisterungsfähig und müssten dafür sensibilisiert werden, was mit ihnen geschehen kann – nicht nur im freikirchlichen Bereich. Direkt nach dem Ausstieg beginnt Schmidt mit einer Therapie. Trotzdem plagen sie noch Ängste und Alpträume. Unkontrollierbare Situationen sind für sie ein Horror.

Noch heute hat sie Probleme, in Beziehungen Vertrauen aufzubauen: „Es wäre so schön, wenn ich für alle Erlebnisse die Löschen-Taste drücken könnte.“ Nach ihrem Ausstieg wollte sie zehn Jahre lang nichts von Gott wissen: „Ich brauchte Sicherheitsabstand. Es gibt in Bezug auf den Glauben viel verbrannte Erde.“ Sie sucht immer noch nach Antworten in vielen religiösen Bewegungen. Zuletzt hat sie Gott ein Angebot gemacht: „Wenn es dich gibt, dann finde mich.“

Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 5/2023 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.

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