Die Geburtenrate in Deutschland ist nach Berechnungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung auf den tiefsten Stand seit 2009 gefallen. Sie sei von 1,57 Kindern pro Frau 2021 auf rund 1,36 im Herbst 2023 gesunken, teilte das Institut am Mittwoch in Wiesbaden mit.
Die Autoren der Studie vermuten als Grund die verschiedenen weltweiten Krisen; eine ähnliche Einschätzung hat das Bundesfamilienministerium. Der Krieg in der Ukraine, die gestiegene Inflation und auch der fortschreitende Klimawandel hätten die Menschen zusätzlich zur Corona-Pandemie verunsichert, sagt Martin Bujard vom Bundesinstitut. In einer solchen Zeit setzten viele ihren Kinderwunsch nicht um. Inwiefern die Zahlen einen generellen Trend zu sinkenden Geburtenzahlen in Deutschland zeigen oder nur einen temporären Effekt abbilden, sei derzeit noch nicht absehbar, hieß es.
Eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums sagte der Tageszeitung „Welt“ (online): „Die Post-Corona-Zeit sowie die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen verlangen den Menschen viel ab. In unsicheren und wirtschaftlich angespannten Zeiten verschieben die Menschen ihre Familienplanung lieber.“ Umso wichtiger sei es, Familien zu unterstützen durch eine flächendeckende Kinderbetreuung und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Die Angaben basieren auf einer Veröffentlichung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung und der Universität Stockholm in der Fachzeitschrift „European Journal of Population“. Dazu wurden die Geburtenzahlen in Deutschland und Schweden gegenübergestellt. In dem skandinavischen Land zeigt sich eine ähnliche Entwicklung, dort sank die Geburtenrate von rund 1,67 im Jahr 2021 auf 1,45 Kinder pro Frau 2023.
Entwicklung ist ungewöhnlich
Nachdem in Deutschland die Geburtenrate während der ersten Zeit der Corona-Pandemie ab 2020 den Angaben nach stabil geblieben war, sank sie im weiteren Verlauf der Pandemie ab Januar 2022 auf 1,4 und erholte sich im Sommer 2022 wieder auf 1,5 Kinder pro Frau. Im Jahr 2023 sei die Geburtenrate erneut weiter gefallen und habe nach vorläufigen Berechnungen im Durchschnitt der Monate Januar bis November 1,36 betragen.
Das sei ungewöhnlich, da sich Phasen sinkender Geburtenraten in der Vergangenheit eher langsamer vollzogen hätten, hieß es. Die Geburtenrate in der Bundesrepublik pendelte laut Bundesinstitut nach 1975 für vier Jahrzehnte im Bereich zwischen 1,2 bis 1,4 Kindern pro Frau und gehörte lange Zeit zu den niedrigsten in Europa. Von 2015 bis 2021 habe sie dann deutlich höher gelegen, mit Werten von 1,5 bis 1,6. Dieser Anstieg werde mit familienpolitischen Reformen wie dem Elterngeld und dem Ausbau der Kindertagesbetreuung in Verbindung gebracht.
Auch die gestiegene Zahl von Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland spiele eine Rolle, die im Mittel mehr Kinder bekommen, wenn sie noch nicht lange in Deutschland leben.