Star-Rapper Kendrick Lamar betet auf seinem aktuellen Album „Good Kid, M.A.A.D. City“: „Herr Gott, ich komme zu Dir als Sünder und bereue demütig meine Sünden. Ich glaube daran, dass Jesus der Herr ist und dass Du Ihn vom Tod erweckt hast.“ Im Anschluss daran rappt er davon, wie er ins Auto steigt und sich auf den Weg zu Sherane macht, einer Bekannten, mit der schlafen will. Später trinkt er bis zur Besinnungslosigkeit und nimmt harte Drogen. Wenn Lamar über die Stränge schlägt, weiß er, dass er etwas falsch macht. Er rappt: „Ich bin ein Sünder, der wahrscheinlich wieder sündigen wird. Gott, vergib mir!“
Auf Lamars CD geht es um einen jungen Mann, der zu Gott betet, der mit sich selbst und seinem Leben in dem schlechten Viertel ringt. Es geht um einen Mann, der sündigt, um Vergebung bittet, der wieder sündigt, wieder um Vergebung bittet, der sich taufen lässt – doch am Ende bleibt alles beim Alten. Biografie und Fiktion kreuzen sich in den Texten, der 26-jährige Lamar lässt häufig offen, was Realität und was Erfindung ist.
„Hab‘ ich genug getan, um in den Himmel zu kommen?“
Lamars Heimat Compton ist bekannt für Kriege zwischen den Banden „Bloods“ und „Crips“. Die kalifornische Stadt südlich von Los Angeles gilt als einer der gefährlichsten Orte der Vereinigten Staaten. Täglich gibt es Schießereien, immer wieder sterben Menschen. Lamar verlor seinen Onkel durch solche Gewalt. Er wurde im Fast-Food-Restaurant „Louis Burger“ in Compton umgebracht. Darüber rappt Lamar. Die Angst davor, selbst ermordet zu werden, aber auch die Frage „Hab‘ ich genug getan, dass ich in den Himmel komme?“, ziehen sich durch die komplette CD.
Mit dem Album, das Ende vergangenen Jahres erschienen ist, hat sich der christliche US-Rapper Shai Linne kritisch in einem Essay auseinander gesetzt. Für ihn ist das, was Lamar lebt, kein echter Glaube. In seinem Beitrag „Was christlicher Hip Hop Kendrick Lamar beibringen kann“ geht Linne scharf mit seinem Kollegen ins Gericht: „Das Album strotzt nur so vor Gotteslästerung und ist teils extrem drastisch in seiner sexualisierten Bildersprache.“ Linne beklagt, dass das Album zwar eine Entwicklung Lamars aufzeige, von seinen Teenager-Jahren an bis zu seinem „Erwachen“ am Ende des Albums, letztendlich ändere er seinen Lebensstil aber nicht. „Ich denke nicht, dass Kendrick Lamar ein Christ ist, deswegen erwarte ich auch nicht von ihm, dass er sich wie einer verhält“, schließt Linne.
Lamar: „Ich bin ein Sünder“
Lamar sagte in einem früheren MTV-Interview: „Ich würde nicht sagen, dass ich die religiöseste Person bin, auch meine Eltern nicht. Ich mache immer diese ‚religiösen‘ Lieder oder wie auch immer man sie nennen möchte, von dem Standpunkt aus, von welchem ich versuche, Antworten zu finden.“ Er sagt, er sei keine Person, die Menschen in den Kopf setzt: „Glaub das, glaub das, glaub das.“ Er erlebe viele Dinge und diese verarbeite er in den Texten: „Ich bin ein Sünder und ich versuche, mich selbst kennenzulernen. Das klingt nicht predigerhaft.“ Er sagt, er spreche nicht nur für sich, sondern für Tausende Menschen. „Ich kann die Bibel nicht von vorn bis hinten und kreuz und quer durchlesen. Ich bin immer noch auf der Suche und versuche, mich zu entdecken, wie jeder andere.“
Auch der amerikanische Rapper Jayceon Terrell Taylor, bekannt unter dem Namen „The Game“, füllt seine Texte mit religiösen Worten. Er veröffentlichte im Dezember ein Album, auf dessen Cover Jesus als Gangster abgebildet ist. Das Titelbild der CD „Jesus Piece“ sorgte in der HipHop-Welt für Aufregung: Die einen fanden es genial, die anderen blasphemisch. Was sich „The Game“ dabei gedacht hat, Jesus als Bandenmitglied zu zeigen, erklärt er im Interview mit dem amerikanischen Radiosender „Hot 93.7“ so: „Ich nenne das Album ‚Jesus Piece‘, weil ich vergangenes Jahr im August getauft wurde und ich nun zur Kirche gehe.“
„The Game“: „Ich liebe immer noch Stripclubs“
Dem Rapper wird nachgesagt, dass er selbst Mitglied der Straßenbande „Bloods“ war. Sein Leben als Christ stellt er sich so vor: „Ich will rauchen, mich vielleicht nochmal kurz abduschen und dann in die Kirche gehen, das Wort hören, aus der Kirche gehen, eventuell wieder rauchen und vielleicht in ein, zwei Stripclubs gehen, aber ich will nicht, dass ich dafür verspottet werde.“
Genau das kritisiert Linne ebenfalls in seinem Essay: „Natürlich ist es das, was Menschen über das Christentum heute in Amerika denken. Ein Christentum, das so bequem ist, dass es sich ebenso in einem Stripclub wie in einer Kirche befinden könnte. Ein Christentum ohne echte Reue. Ein Christentum, das jemanden veranlasst, die Worte eines Gebets zu wiederholen, aber das nicht wirklich das Leben verändert. Obwohl sie populär ist, ist dies eine falsche Sicht darauf, was es bedeutet, gerettet zu sein.“
„Christentum hat Gewicht in der Gesellschaft“
Monica R. Miller ist Dozentin am Lewis and Clark College in Portland, Oregon, und Autorin des Buches „Religion and Hip Hop“. Sie sagt, Betrachter müssten aufhören, Hip Hop durch die Brille des Christentums zu sehen. Rapper sollten eher als Produkte ihrer eigenen Umgebung verstanden werden. In einem Interview mit der „Christian Post“ erklärt Miller: „Ich denke, dass Rapper christliche Begriffe, Ideen und Wiederauferstehungs-Geschichten benutzen.“ Zahlreiche dieser Künstler tragen etwa ein „Jesus Piece“, eine Kette mit Jesus-Anhänger. Der Musiker „The Game“ hat danach sogar sein aktuelles Album benannt. Grund dafür sei laut Miller, dass sich diese „Geschichte“ gut verkaufe. „Christentum hat ein immenses politisches, soziales und kulturelles Gewicht in der Gesellschaft. Wenn du also eine bestimmte menschliche Idee oder eine Vorstellung von dir selbst verkaufen willst, welchen besseren Weg gibt es, als sich selbst durch die christliche Geschichte zu definieren?“
Die Argumentation zeigt, dass nicht alle Texte, die von Gott, Jesus und dem Glauben handeln, auch eine bibelkonforme Botschaft beinhalten. Es kommt letztendlich auf den Künstler selbst und seine Haltung an. Im Hip Hop gibt es eine Kategorie, die sich „Christian Hip Hop“ oder „Holy Hip Hop“ nennt. Einer der bekanntesten Vertreter der Sparte ist Lecrae. Er sagt in einem Interview mit „Hard Knock TV“: „Ich bin ehrlich gesagt kein Fan von diesen Bezeichnungen. Es ist Hip Hop. Man sollte Hip Hop eine Chance geben. Jeder kommt aus einer bestimmten Richtung und hat eine bestimmte Weltanschauung. Ich bin ein Christ. Aber meine Musik ist nicht christlich. Sie hat keinen Glauben. Ich habe den Glauben.“ Dieser Glaube sei in seiner Musik zu hören. „Ich mag es aber nicht, wenn die Menschen versuchen, zu kategorisieren, weil […] die Leute dann schon vorher denken, sie wissen, worüber ich sprechen werden, doch das stimmt nicht.“
Kategorisierung hin oder her: Shai Linne fasst drei Dinge zusammen, die Rapper wie Kendrick Lamar von den Inhalten des christlichen Hip Hop lernen können: Erstens, wer Jesus wirklich ist: lebendig und im alltäglichen Leben präsent. Zweitens, wer wir wirklich sind: sündig ohne Gott, gut werden können wir nicht allein, sondern nur durch Jesus. Drittens, was es wirklich bedeutet, ein Christ zu sein: „Gott hat uns neu definiert. Darum geht es in der Wiedergeburt. […] Wir nennen das Gute nicht Böses und das Böse nicht Gutes oder brüsten uns mit Bosheit. Jetzt sind wir an Gottes Seite und gegen unsere Sünden. Wir haben das Team gewechselt.“ (pro)
Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 1/2013 des Christlichen Medienmagazins pro. Bestellen Sie pro kostenlos unter der Telefonnummer 06441/915151, via E-Mail an info@pro-medienmagazin.de oder online.